Serie Zukunft der Industrie Die Jagd nach der Milliardenidee

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Konzernlenker kleckern

Jörg Rheinboldt Quelle: Presse

Doch noch so viel Zaubertrank von den Konzernen sorgt nicht dafür, dass die Konkurrenz schläft. Überall, wo ein Start-up Neues entwickelt, tobt im Handumdrehen der Wettbewerb. Zu den Start-ups von Immobilienscout24 etwa gehört auch Cleanagents, eine Online-Plattform, die Reinigungskräfte vermittelt.

Ein lukratives Geschäft, findet auch Google und hat mit anderen Investoren 38 Millionen Dollar in die US-Plattform Homejoy gesteckt, die seit diesem Monat auch in Deutschland aktiv ist. Zudem brachte Rocket Internet im März sein Putzportal Helpling in den vier größten deutschen Städten an den Markt. Dafür brauchte Cleanagents ein halbes Jahr. „Das ist jetzt ein kleiner Krieg“, sagt Cleanagents-Gründer Sergiej Rewiakin.

Autonom und flexibel

Hier zeigt sich ein Grundproblem der unternehmenseigenen Start-up-Brutkästen. Zwar sind sie nicht in komplexe Entscheidungsstrukturen von Konzernabteilungen eingebunden und können deshalb relativ autonom und flexibel agieren. Mit langjährigen lupenreinen Start-up-Fabriken wie Rocket Internet können sie aber trotzdem nur schwer mithalten.

Denn statt zu klotzen, glauben viele Konzernlenker, bei Start-ups kleckern zu können, und das in mehrerlei Hinsicht. Sie stellen meist nur kleine Summen zur Anschubfinanzierung sowie ein paar Büroplätze zur Verfügung. Dafür erhalten sie jedoch nur eine kleine Minderheitsbeteiligung, die ihnen zu wenig Einfluss auf die Geschäftsentwicklung ermöglicht.

„Man wundert sich, wer alles Inkubatoren gründet, ohne viel Geld, Infrastruktur oder eigene Erfahrung“, sagt ein früherer hochrangiger Rocket-Manager. Ein anderer Seriengründer und Investor bei zahlreichen Start-ups geht sogar noch einen Schritt weiter und behauptet: „Die wirklich guten Gründer gehen nicht zu einem Unternehmen.“

Die Schwierigkeiten einiger Konzerne scheinen die These zu stützen. So ist die Start-up-Offensive beim Lebensmittelriesen Rewe vertrocknet. „Wir wollen innerhalb der kommenden Monate eine Art Inkubator für Start-up-Unternehmen aufbauen“, hatte Rewe-Chef Alain Caparros vor einem Jahr angekündigt. Zwar hat Rewe zuletzt in den Rocket-Internet-Online-Möbelhändler Home24 investiert und weitere Beteiligungen angekündigt. Ein Inkubator ist jedoch kein Thema mehr.

Auch der Münchner Versicherungskonzern Allianz verkündete vor Monaten Großes. „Good-bye, Tarnkappenmodus“, twitterte die Assekuranz cool, als sie im vergangenen August ihr Beschleunigungsprogramm für Start-ups startete. Der Allianz Digital Accelerator soll „Projekte, die unser Kerngeschäft beeinflussen“, identifizieren. Doch bislang konnte die Allianz keine Start-ups präsentieren, die das Geschäft des Konzerns „in der Breite voranbringen“.

Klassisches Missverständnis

Das liege auch an einem Missverständnis, sagen die Münchner. „Ich ärgere mich selbst manchmal über unseren Namen“, sagt Sebastian Sieglerschmidt, Direktor im Allianz-Accelerator. „Denn wir sind kein klassisches Accelerator-Programm, sondern helfen Start-ups, schneller mit der Allianz zusammenzukommen.“ Vier solche Kooperationen gebe es.

Die zahlreichen Accelerator- und Inkubator-Programme unterscheiden sich enorm – bei den Bezeichnungen und den Bedingungen. Welche davon Unternehmen und Start-ups Mehrwert bieten und wie nachhaltig der Boom ist, werden die kommenden zwei, drei Jahre zeigen.

„Immer mehr Unternehmen machen solche Angebote, das scheint Mode zu sein“, sagt Peter Borchers, Chef des Telekom-Inkubators Hub:raum. In manchen Fällen sei eher die Marketingabteilung der Treiber meint Borchers. „Der eine oder andere wird womöglich auch wieder aufgeben.“

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