Serie Zukunft der Industrie Die Jagd nach der Milliardenidee

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Unternehmen nutzen die Finanznot der Kleinen

Peter Borchers Quelle: Presse

Die Deutsche Telekom zählt zu den Unternehmen, die von der überschäumenden Risikokapital- und Start-up-Kultur in den USA besonders gebeutelt sind. So sorgt der kostenlose, erst fünf Jahre alte Message-Dienst WhatsApp dafür, dass immer mehr Kunden Abstand von der SMS nehmen.

Dadurch gehen den Bonnern wertvolle Einnahmen verloren, während sich Facebook als Konzernmutter der beliebten Smartphone-App über noch mehr Nutzer freuen kann. Der Deutschen Telekom bleibt deshalb nur, selbst neue Ideen ausbrüten zu lassen.

Allerdings ist Telekom-Inkubator-Chef Borchers realistisch genug, um keine zu hohen Erwartungen an seine derzeit neun Schützlinge zu schüren: „Wenn ein Super-Start-up dabei sein sollte, wäre das spitze, aber das kann man nicht planen.“ Er wolle vielmehr ein gutes Portfolio in der Breite aufbauen. Pro Jahr werden in seinem Inkubator zehn bis zwölf Start-ups mit jeweils bis zu 300.000 Euro finanziert, im Gegenzug erhält die Telekom 10 bis 15 Prozent der Firmenanteile.

Kein Geld, keine Anteile

Das zusätzlich angebotene Accelerator-Programm hat Borchers jetzt umgestellt. Statt wie bislang einmal im Jahr zu einem festgelegten Zeitpunkt können nun permanent Start-ups neu aufgenommen werden. Damit reagiert die Telekom auf die bisherigen Erfahrungen seit dem Start 2012 und die gewachsene Accelerator-Konkurrenz. Geld und Anteile fließen dort aber nicht. „Wir wollen nicht ganz viele Drei- oder Fünf-Prozent-Beteiligungen haben“, sagt Borchers.

ProSieben oder Axel Springer arbeiten dagegen nach dem Schrotflintenprinzip. Sie geben Start-ups jeweils 25.000 Euro und sichern sich damit fünf Prozent an den Firmen. Damit spielen die beiden Mediengiganten nicht selten mit der Finanznot der Kandidaten. Denn unter Umständen sind 25.000 Euro für fünf Prozent am eigenen Start-up ein hoher Preis, den die Gründer bezahlen müssen. „Für das bisschen Geld würde man eigentlich keine Unternehmensanteile abgeben“, sagt Jascha Chong Luna, Gründer von Eyeglass24, einem Online-Spezialisten für Brillengläser.

Wochenlang diskutierte Luna mit seinen Mitgründern daher den Schritt. Er bereut den Deal mit ProSiebenSat1 aber nicht. Für Eyeglass24 sei die Rechnung aufgegangen, da er durch den Accelerator Kontakte zu Investoren fand und somit eine wesentlich höhere und bessere Bewertung seines Start-ups bei der nächsten Finanzierungsrunde erzielt. Das gelingt jedoch nicht immer, weiß auch Sieglerschmidt vom Allianz-Accelerator.

„Wenn sich ein strategischer Investor zu früh beteiligt, kann das der Wertentwicklung des Start-ups sogar schaden“, sagt Sieglerschmidt, der einst selbst einen Online-Modeshop mit Rocket Internet gegründet hat. Auch deswegen hat sich die Allianz gegen ein Beteiligungsmodell entschieden.

Trotzdem sind auch diese Start-up-Programme der Konzerne bei Gründern gefragt. Einige betreiben gar ein regelrechtes Accelerator-Hopping. Get2Play, eine Online-Seite zum Instrumentenlernen, war erst bei Pro7 und dann bei Springer. Das Hundehalter-Portal Leinentausch wurde bis März dieses Jahres von Immobilientausch gefördert und ist im Anschluss ebenfalls in Springers Start-up-Wohngemeinschaft gewechselt.

Zwischen den Welten

In dem Springer-Gründerlabor liegen die alte und neue Medienwelt ganz dicht beieinander. Direkt hinter der Eingangstür liegt eine Holzpalette, auf der sich meterhoch Druckerzeugnisse aus Deutschlands größtem Verlagshaus stapeln, doch für „Bild“, „Welt“ und „Morgenpost“ interessiert sich hier keiner. Lediglich vom „Bitcoin-Magazin“, das über die gleichnamige Cyberwährung berichtet, sind nur noch drei Exemplare übrig.

Die Wände des Zukunftslabors sind mit absurden oder ordinären Graffitisprüchen eines Künstlers bedeckt, der hier zuvor sein Atelier hatte. „Alter Sack wartet auf Anruf“ lautet einer der Sprüche. Als Chefscout für seine Start-ups hat Springer Jörg Rheinboldt engagiert.

Er hatte einst gemeinsam mit den Samwer-Brüdern die Auktionsplattform Alando mitgegründet und sie später an Ebay verkauft. Danach hatten die Samwer-Brüder begonnen, weitere Firmen aufzuziehen. Rheinboldt blieb fünf Jahre Chef von Ebay in Deutschland. Nun gibt er sein Wissen an Gründer weiter und versucht zu erahnen, welche Geschäftsideen Axel Springer helfen könnten.

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