Siemens, Bosch und Co. Elektroindustrie stößt an die Grenzen des Wachstums

Die deutsche Elektroindustrie erwartet dieses Jahr mit einem mit weiterem Rekordwachstum. Doch dem zweitgrößten Industriezweig fehlen bis zu 50.000 Ingenieure und Facharbeiter – die Branche stößt an ihre Grenzen.

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Nach einem starken Geschäftsjahr 2017 sieht sich die deutsche Elektroindustrie weiter auf Rekordkurs. Quelle: dpa

Frankfurt Der deutschen Elektroindustrie geht es so gut wie schon seit langem nicht mehr: Der Umsatz hat mit rund 196 Milliarden Euro im vergangenen Jahr erstmals den Spitzenwert 2007 vor der Finanzkrise übertroffen, die Exporte feiern das vierte Rekordhoch hintereinander und auch die Zahl der Mitarbeiter hat kräftig um 21.500 auf rund 870.000 zugenommen. Damit ist die Branche mit Konzernen wie Siemens und Bosch an der Spitze wie auch zahllosen Mittelständlern und Hidden Champions wie Festo oder Phoenix Contact nach den Maschinenbauern Deutschlands zweitgrößter Industriezweig – noch vor der Autoindustrie.

Doch die Unternehmen stoßen an die Grenze des Wachstums. Es fehlen ihnen schlicht genügend Fachkräfte. Vor allem Softwareingenieure werden händeringend gesucht, aber auch ausgebildete Mitarbeiter in der Produktion. Nach Einschätzung des Branchenverbandes ZVEI fehlen zwischen 40.000 und 50.000 dieser Fachkräfte. „Solche Qualifikationen sind stark nachgefragt und auf dem Arbeitsmarkt kaum noch zu finden“, sagte der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung Klaus Mittelbach am Mittwoch in Frankfurt. „Es dauert immer länger, bis eine Stelle besetzt werden kann. Bei manchen Stellenprofilen herrscht Vollbeschäftigung.“

Chefvolkswirt Andreas Gontermann geht davon aus, dass das Produktionswachstum der Branche deutlich höher ausfallen könnte als die prognostizierten drei Prozent im laufenden Jahr, ließen sich alle freien Stellen auch besetzen. Die Elektroindustrie sei eine der Sparten der Industrie, in der Kenntnisse der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (Mint) besonders gefragt seien – der Anteil sei doppelt so hoch wie in anderen Bereichen.

Entsprechend schwierig sei es, solche Leute zu bekommen. „Der Fachkräftemangel stellt mittlerweile das größte Produktionshemmnis dar.“ Kurzfristig lässt sich daran wenig ändern. Mittelbach appellierte an Unternehmen und Politik gleichermaßen, für eine entsprechende Weiterbildung der Beschäftigten und den Erwerb digitaler Kompetenz zu sorgen.

Denn gerade die deutsche Elektroindustrie gehört zu den Treibern der vierten industriellen Revolution, die sich um die digitale Vernetzung der Produktion dreht. „Die Veränderung durch die Digitalisierung ist in voller Breite in der Elektroindustrie angekommen“, sagte Mittelbach. Das spiegelt sich auch darin wider, dass die Umsätze mit Dienstleistungen und Software deutlich stärker gewachsen sind als die Erlöse aus dem Verkauf von Maschinen oder Anlagen.

Das Potenzial ist gewaltig: Der Servicesektor macht derzeit gerade mal ein Fünftel des Umsatzes aus. „Wir erwarten, dass sich diese Entwicklung weiter ausprägen wird“, sagte Mittelbach - vorausgesetzt, die Unternehmen fänden ausreichend Fachkräfte. 50.000 Softwareentwickler beschäftigt die Branche mittlerweile. „Vier von fünf Mitgliedsunternehmen sagen aber, dass sie Schwierigkeiten haben, Softwareentwickler auf dem Arbeitsmarkt anzuwerben“, sagte Mittelbach.

Trotz des personellen Hemmschuhs blickt die Branche mit Optimismus ins laufende Jahr. „Die Beurteilung der aktuellen Lage, der Geschäfts- und Exporterwartungen sowie die Produktionspläne liegen klar im expansiven Bereich“, sagte Gontermann. So arbeiten viele Unternehmen an der Kapazitätsgrenze, die Produktionsanlagen sind mit 88 Prozent weitgehend ausgelastet. Die neuen Bestellungen haben bis November 2017 um gut zehn Prozent zugelegt. „Wir erleben einen breiten Aufschwung der Weltwirtschaft“, sagte Gontermann. „Deutschland ist 2017 das achte Jahr in Folge gewachsen und dabei zum vierten Mal hintereinander über Potenzial.“

Einmal mehr waren es die Auslandsmärkte, die für den kräftigen Zuwachs sorgten. China war auch im vergangenen Jahr mit einem Plus von 18 Prozent das größte Abnehmerland deutscher Elektroexporte, gefolgt von den USA, die trotz schwächerem Dollar noch knapp sieben Prozent mehr kauften. Frankreich war der größte Exportmarkt im Euroland, danach kam Großbritannien. Europa ist nach wie vor von hoher Bedeutung für die deutsche Industrie – rund zwei Drittel aller Ausfuhren gingen in die Nachbarländer.

Insgesamt konnten die Elektroexporte nach Europa von Januar bis November um gut zehn auf 117 Milliarden Euro zulegen. Bei den neuen Bestellungen aus dem Ausland erhöhten sich die Aufträge von Kunden aus dem Euroraum mit plus zwölf Prozent noch stärker als die von Geschäftspartnern in fernen Ländern mit knapp zehn Prozent.

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