Siemens Löschers Wachstumstreiber ist ein Rohrkrepierer

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Siemens Baustellen

Und in den ersten drei Monaten des neuen Jahres sah es kaum besser aus, wird im Konzern gemunkelt. Konjunktureller Gegenwind und Restrukturierungskosten, die durch den Verkauf des Geschäfts mit Paket- und Briefsortieranlagen sowie Gepäckabfertigungssystemen anfallen, drücken aufs Geschäft. Für die Sparten suchen die Münchner derzeit Käufer. Für das Geschäftsjahr 2014 rechnet Siemens zudem mit weniger Großprojekten – und einem weiteren Rückgang des Wachstums bei I&C.

Ganz unerwartet kamen die Probleme nicht: Von Anfang an hatte es Zwist um die Gründung des neuen Geschäftszweigs gegeben. Als 2010 die Vorbereitungen begannen, stellte sich Heinrich Hiesinger, damals zuständiger Vorstand des Sektors Industry, kategorisch gegen die Pläne, berichtet ein Insider. Kurze Zeit später verließ Hiesinger den Konzern, um Chef bei ThyssenKrupp zu werden. Löscher hatte danach freie Bahn: Er habe den Aufbau des vierten Sektors vorangetrieben, auch um seine Macht bei Siemens zu festigen, heißt es. Jeder der anderen Geschäftszweige musste bei der Neugründung Bereiche und Zuständigkeiten abgeben.

Siemens-Chef Löscher: "Die Prognose steht"

Entsprechend wild zusammengewürfelt wirkt der neue Bereich heute: Videoüberwachungs- und Alarmanlagen, Hochgeschwindigkeitszüge und Schaltkästen für Stromnetze gehören genauso zum Portfolio wie Verkehrsleitsysteme und Gepäckförderanlagen. Analysten wie Heinz Steffen von Fairesearch in Frankfurt lästern bereits über „Peters Resterampe“. Steffen: „Eine Stadt ordert doch nicht von der Straßenbahn über die Gebäudesicherung bis zum Umspannwerk alles bei einem Anbieter, das vergeben doch die einzelnen Dezernate an verschiedene Unternehmen.“ Beim Konkurrenten General Electric wurden ähnliche Pläne darum Ende des vergangenen Jahrzehnts aufgegeben – Konzernchef Jeff Immelt stoppte die Gründung der Sparte in letzter Minute: Das schaffe nur zusätzliche Bürokratie, so sein Urteil.

Chancen in Schwellenländern

Dabei bietet die Urbanisierung vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern große Wachstumschancen für einen Technologiekonzern wie Siemens. Vor zehn Jahren lebten beispielsweise erst 40 Prozent der 1,3 Milliarden Chinesen in Städten, heute sind es 52 Prozent. Die Planer in den Metropolen stellt das vor immer größere Probleme. In Chinas Hauptstadt könnte es schon in wenigen Jahren nicht mehr genug Trinkwasser geben. In Indiens rasch wachsenden Großstädten fällt immer häufiger der Strom aus. Roland Busch, der bei Siemens den Bereich I&C leitet, ist deshalb nach wie vor überzeugt, dass der Modernisierungsbedarf der Megametropolen Perspektiven bietet. „Nachhaltigkeit darf nicht als Luxus für die wohlhabenden Städte in den Industrienationen gelten“, sagt der gelernte Physiker.

Busch setzt vor allem auch auf Beratung der Metropolen. Sein Argument: Die Münchner müssten schon in der Planungsphase mit am Tisch sitzen, um hinterher Aufträge abräumen zu können. Kritiker wenden dagegen ein, mit der weltweiten Verschärfung der Compliance-Regeln sei es für Städte heute nahezu unmöglich, Großprojekte an nur einen Anbieter zu vergeben. Hinzu kommt: Der Aufbau des nötigen Beratungs-Know-hows braucht Zeit. Das wissen auch die Mitarbeiter der Siemens-Sparte I&C: „Wir sind Langstreckenläufer und keine Sprinter“, sagen sie.

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