Siemens und Alstom Klage in Frankreich stört Fusion

Gegner des bevorstehenden Zusammenschlusses der Transportsparten von Siemens und Alstom werden sich durch die Klage gegen den Staat ermutigt fühlen. Quelle: Reuters

Eine Klage gegen den französischen Staat könnte die Fusion von Siemens Mobility mit Alstom Transport berühren. Der Regierung wird Betrug am Steuerzahler vorgeworfen, weil sie ihre Alstom-Anteile abgegeben hat.

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Mitten in die Anhörung der französischen Arbeitnehmer zur Fusion von Siemens Mobility mit Alstom platzt eine Klage gegen die französische Regierung. Die Antikorruptionsvereinigung Anticor wirft der Exekutiven vor, mit dem Verzicht auf Alstom-Aktien den Steuerzahler um mehrere hundert Millionen Euro geprellt zu haben. Die Klage wurde am Dienstag in Paris eingereicht und liegt dem Handelsblatt vor.

„Die Klage dürfte sich auf den zeitlichen Ablauf der Fusion auswirken, vielleicht sogar auf deren Verwirklichung“, zeigt sich Anticor-Anwältin Lea Forestier selbstsicher. Sie will die Regierung wegen Pflichtverletzung verurteilen lassen. Bei Siemens möchte man sich dazu nicht äußern, da Dritte betroffen seien. Die Vorbereitung des Zusammenschlusses laufe vollkommen nach Plan. Man rechne mit der Unterzeichnung des „business combination agreement“ im ersten Vierteljahr und mit dem Vollzug der Fusion bis Ende des Jahres.

Alstom sagt, man erwarte keinerlei Verzögerung der Fusion: „Der Staat ist nicht mehr Aktionär, die Vorbereitung läuft gut, die Beziehung zwischen dem Management der beiden Unternehmen ist ausgezeichnet“, erläutert eine Sprecherin. Die Anhörung der Arbeitnehmer werde demnächst abgeschlossen, „die Garantien für die Arbeitsplätze sind in Stein gemeißelt.“

Hintergrund der Klage ist der Verzicht des Staates auf eine Beteiligung in Höhe von 20 Prozent an Alstom. Als das französische Unternehmen 2014 seine gesamte Energiesparte an General Electric verkaufte, übernahm der Staat 20 Prozent der Stimmrechte und des Kapitals des verbliebenen Alstom-Unternehmens im Wege der Aktienleihe vom Bau- und Telekomkonzern Bouygues. Damit wurde er zum Referenz-Aktionär des Eisenbahn-, Metro- und Tramherstellers. Gleichzeitig erhielt der Staat die Option, bis zum 17. Oktober 2017 die geliehenen Aktien zu kaufen. Darauf aber verzichtete Emmanuel Macrons Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am 26. September vergangenen Jahres.

Alstoms Kasse war bereits damals sehr gut gefüllt, wegen des Verkaufs der Energiesparte an GE. Ein weiterer Geldsegen kommt nun hinzu: Alstom trennt sich in den nächsten Monaten von den Anteilen an drei noch bestehenden Gemeinschaftsunternehmen mit GE, und das zu sehr vorteilhaften Konditionen. „Die daraus resultierende, schon beschlossene Sonderdividende hätte dem Staat eine Summe von 350 Millionen Euro eingebracht, ohne irgendein Risiko“, heißt es in der Klageschrift.

Der Verzicht löste in Frankreich gehörige Entrüstung aus und führte zu einer Anhörung in der Nationalversammlung. Wirtschaftsminister Le Maire begründete den staatlichen Rückzug einerseits damit, dass Siemens angesichts einer staatlichen Beteiligung nicht zum Zusammenschluss mit Alstom bereit gewesen wäre. Andererseits aber sei er „nicht bereit, mit dem Geld der Steuerzahler zu spekulieren“.

Die Sonderdividende in Höhe von acht Euro pro Aktie sei zwar sicher, so Le Maire, doch „würde der Aktienkurs nach der Auszahlung voraussichtlich sofort entsprechend sinken. Hinzugekommen wäre der Effekt des Verkaufs einer so großen Beteiligung auf den Kurs und die Kosten für Kauf und Verkauf der Anteile.“ Möglicherweise hätte der Staat im Endeffekt einen Verlust gemacht. Diese Argumentation wird er wiederholen, sollte es zum Prozess kommen.

Ob die französischen Richter sich der Begründung der Kläger anschließen, ist völlig offen. Möglicherweise wird die Klage sogar abgelehnt. Allerdings dürfte die politische Debatte um die Fusion wieder Fahrt aufnehmen. Die ist vor allem geprägt von Enttäuschung über die nicht eingehaltenen Zusagen von GE mit Blick auf die Arbeitsplätze in früheren Alstom-Werken und die Befürchtung, Frankreich werde nun auch noch die Rest-Alstom verlieren.

Die Gegner des bevorstehenden Zusammenschlusses mit Siemens, sowohl auf der rechten wie auf der linken Seite, werden sich ermutigt fühlen. Sie sehen keine Fusion unter Gleichen, sondern eine Übernahme durch Siemens, da die deutsche Seite eine etwas größere Beteiligung halten und den Aufsichtsrat dominieren wird. Der Sitz des Unternehmens wird allerdings Paris sein.

Siemens hat bereits alle nötigen Beschlüsse getroffen, bei Alstom steht noch die Zustimmung der Hauptversammlung aus, ist aus Unternehmenskreisen zu hören. Die Arbeitnehmer müssen lediglich angehört werden, sie haben kein Mitspracherecht. Entscheidend sind nun die Auflagen der Kartellbehörden, vor allem der EU-Kommission.

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