Siemens Warum Joe Kaeser auf Investor Larry Fink hört

Siemens-Chef Joe Kaeser Quelle: Laif

Joe Kaeser baut Siemens radikal um. Die Maßnahme folgt einer einfachen Logik: Niemals soll ein Hedgefonds Anlass finden, sich an Siemens zu vergreifen. An seiner Seite weiß er den mächtigsten Investor der Welt.

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Es gibt diese Äußerung von Joe Kaeser, gefallen irgendwann im vergangenen Jahr, die viel darüber verrät, wie der Siemens-Chef tickt. Aktivistische Investoren hätten sich deshalb noch nicht bei Siemens eingekauft und für Unruhe gesorgt, erklärte Kaeser, weil er stets versuche zu antizipieren, was ein aktivistischer Investor bei Siemens fordern würde, wenn denn einer da wäre. Genau das setze er dann zügig um, sagte Kaeser.

Immer einen Schritt schneller sein als ein möglicher Störenfried, so hat Kaeser ein Chaos, wie es aktuell beim Stahlkonzern Thyssenkrupp vorzufinden ist, bisher vermieden. Dort drängen die Finanzinvestoren Cevian und Elliott das Management, den Traditionskonzern zu zerschlagen. So ein Szenario will Kaeser nicht erleben. „Wir wollen über unsere Zukunft selbst entscheiden“, sagte der Siemens-Chef kürzlich, „egal, was da draußen bei Aktivisten oder den Zockern im Börsencasino gerade passiert.“

Dieser Prämisse folgt auch die gerade vorgestellte Strategie „2020+“. Danach soll aus dem Mischkonzern Siemens eine Holding mit sechs weitgehend selbstständigen Töchtern werden. In drei Gesellschaften werden jeweils sämtliche Geschäfte der Sektoren Energie, Infrastruktur und digitale Industrie zusammengefasst. Die vierte Tochter kümmert sich um erneuerbare Energien. Hier wird auch die auf Windräder spezialisierte Tochter Gamesa aus Spanien integriert. Die Medizintechnik hat er schon im März an die Börse gebracht. Die Zugsparte will Kaeser, sofern die Kartellbehörden zustimmen, im kommenden Jahr mit dem französischen Konkurrenten Alstom zusammenlegen.

Dieses Konzept schaffe „Optionalitäten“, wie Kaeser es ausdrückt. Intern heißt es, zu den „Optionalitäten“ gehörten etwa Börsengänge oder der Verkauf einzelner Einheiten, was einer Zerschlagung des mehr als 170 Jahre alten Unternehmens gleichkäme.

Während Vorstandschefs anderer Unternehmen für solch radikale Maßnahmen üblicherweise eine Heerschar an Beratern engagieren, ist es bei Siemens in der Regel Kaeser selbst, der derlei Ideen entwickelt. Als Sparringspartner dient ihm dabei regelmäßig Larry Fink, Vorstandschef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, der zugleich auch zu Siemens’ wichtigsten Investoren zählt. „Es vergeht kaum ein Monat, in dem sich Kaeser und Fink nicht treffen“, heißt es im Blackrock-Umfeld, „die beiden liegen ziemlich auf einer Linie.“

So warnt Fink die Vorstandschefs der Konzerne, an denen Blackrock beteiligt ist, regelmäßig: Einer der Gründe für das zunehmend aggressive Auftreten aktivistischer Investoren sei, dass einige Unternehmen keine klar umrissene langfristige Strategie hätten. Der Siemens-Chef hat den Rat ganz offensichtlich verinnerlicht wie kaum ein anderer.

Auch auf anderen Feldern ticken Fink und Kaeser ähnlich. Der Siemens-Chef ist einer der wenigen Dax-Chefs, der sich zu politischen Themen äußert. Nach einer verbalen Entgleisung der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel im Bundestag twitterte Kaeser etwa: „Lieber Kopftuch-Mädel als Bund Deutscher Mädel. Frau Weidel schadet mit ihrem Nationalismus dem Ansehen unseres Landes in der Welt.“

Als Konsequenz des digitalen Wandels fordert Kaeser eine bessere soziale Absicherung für die Menschen, die auf der Strecke blieben. Er sieht Siemens in der Pflicht. Es gehe nicht immer um den letzten Basispunkt bei der Rendite. Siemens müsse auch einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Von Fink gibt es ähnliche Äußerungen: Konzerne haben nicht nur Verantwortung für ihre Aktionäre, sondern auch für die Gesellschaft.

Konzernintern berät Kaeser sich bei seinen Strategieplanungen meist nur mit wenigen Vertrauten. Dazu gehören Horst Kayser, Chef der Strategieabteilung, und Technik-Vorstand Roland Busch. Der soll schließlich auch Siemens-Chef werden, wenn Kaeser 2021 abtritt. Ein nützliches Geschenk für Busch hat Kaeser schon in der Tasche: die Mobilnummer von Larry Fink.

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