WirtschaftsWoche: Frau Bagel-Trah, als Sie 2009 den Vorsitz von Gesellschafterausschuss und Aufsichtsrat bei Henkel antraten, wollten Sie sich trotzdem Zeit dafür nehmen, in Ihrem eigenen Forschungsunternehmen in Rheinbach bei Bonn im Labor zu stehen. Schaffen Sie das zeitlich überhaupt noch?
Simone Bagel-Trah: Ja, ich fahre noch etwa alle zehn Tage dort hin. Das ist mir wichtig, weil ich Anti-Infectives Intelligence – wir bieten Pharmaunternehmen ein Dienstleistungspaket aus wissenschaftlicher Forschung und Kommunikation auf dem Gebiet der Antibiotika – mit gegründet und aufgebaut habe. Natürlich ist mein Gründungspartner ständig dort und hält das Unternehmen am Laufen.
Sie stehen also nicht mehr im weißen Kittel an Kolben und Reagenzgläsern?
Nein, ich pipettiere nicht mehr selbst. Ich betreue aber eigene Projekte und Kunden. Mit ihnen diskutiere ich Versuche und setze die Projekte dann auf. Das macht mir immer noch viel Spaß.
Freude dürfte Ihnen auch Henkel-Chef Kasper Rorsted bereiten, der voraussichtlich bis Ende des Jahres die vor vier Jahren versprochene Rendite von 14 Prozent punktgenau erreichen wird.
Wir sind auf sehr gutem Weg, das Ziel zu erreichen. Die Spannung für die letzten Wochen auf diesem langen Weg ist spürbar. Doch die Stimmung in der Belegschaft und im Familienkreis ist sehr positiv.
Der Gesellschafterausschuss bei Henkel, in dem auch die Familie vertreten ist, kann laut Satzung aktiv an der Geschäftsführung mitwirken. Wie viel haben Sie zum Erreichen der Rendite beigetragen?
Operativ beteiligt sich der Ausschuss nicht an der Geschäftsführung. Das Unternehmen wird vom Vorstand und unter Leitung des Vorstandsvorsitzenden geführt. Aber natürlich hat der Gesellschafterausschuss die Ziele für 2012 nicht nur verabschiedet, sondern durch viele Entscheidungen in den letzten Jahren auch aktiv zu deren Erreichen beigetragen.
Welche zum Beispiel?
Bei Übernahmen, aber auch bei Verkäufen und Projekten, die das gesamte Unternehmen betreffen, spielt der Gesellschafterausschuss eine wichtige Rolle. Dazu gehört auch die langfristige strategische Ausrichtung wie die kürzlich vorgestellten Finanzziele bis 2016.
Bis 2016 hat sich Henkel – anders als im vorherigen Vier-Jahres-Plan – kein Margenziel gesteckt und ist dafür mit deutlichen Kursverlusten der Aktie bestraft worden...
...die sich aber genauso schnell wieder in die andere Richtung bewegt haben. Und dass unsere Vorgaben bis 2016 kein Renditeziel enthalten, ist auch nur auf den ersten Blick richtig.
Und auf den zweiten Blick?
Wir haben einen Gewinnzuwachs pro Aktie von durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr formuliert, dazu ein Umsatzziel von heute rund 16 auf 20 Milliarden Euro. Bis 2016 lässt sich daraus eine Gewinnmarge von 15,7 bis 16,2 Prozent ableiten. Bis Jahresende 2012 wollen wir 14 Prozent erreicht haben.
"Mehr Führungspositionen mit Frauen besetzen"
Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie den Zusammenhalt der weit über 100-köpfigen Familie als eine Ihrer wichtigsten Aufgaben bezeichnet. Wie machen Sie das?
In der Regel trifft sich die Familie viermal im Jahr zu großen Besprechungen, die ich im Vorfeld ausführlich vorbereite. Aber ich bin überzeugt, dass auch kleine Gesten den Zusammenhalt der Familie fördern. Noch kurz vor unserem Gespräch habe ich zum Beispiel einem Familienmitglied eine Geburtstagskarte geschickt.
Die Familie wächst und ist weit verstreut. Leiden darunter nicht zwangsläufig die ehemals engen Familienbande?
Der Zusammenhalt ist nach wie vor sehr hoch, auch wenn die Familie nicht mehr so konzentriert in Düsseldorf lebt wie noch vor 10, 20 Jahren. Wichtig ist, dass das Wachstum der Familie und des Unternehmens etwa im gleichen Tempo vonstatten gehen. Bisher hat das funktioniert. Zur weiteren Verstärkung der emotionalen Bindung untereinander haben wir viele Aktivitäten ins Leben gerufen.
Was zum Beispiel?
Es gibt eine Zeitung mit Beiträgen von der Familie für die Familie. Zudem bieten wir Veranstaltungen für die sechste Generation, also die meiner Kinder, um sie an das Unternehmen heranzuführen. Die durften zum Beispiel in der Henkel-Forscherwelt Pritt-Stifte herstellen. Sie gehen auch gemeinsam zelten oder klettern.
2016 haben die Familienaktionäre die Möglichkeit, den Aktienbindungsvertrag zu kündigen und Anteile zu verkaufen. Erwarten Sie, dass es dazu kommt?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass das nicht passieren wird. Wir haben bei Henkel eine gute und lange Tradition, auf die wir unsere Zukunft bauen wollen. Wir haben eine ausgezeichnete Grundstimmung in der Familie, insbesondere in meiner Generation, die jetzt in der Verantwortung ist.
Es heißt, Bewerber für höhere Managementposten müssen einen Antrittsbesuch bei Ihnen absolvieren. Ist das so wie bei Berthold Beitz, der in der Villa Hügel in Essen Manager von ThyssenKrupp ins Kreuzverhör nimmt?
Bei uns ist das natürlich viel charmanter. Aber Spaß beiseite, wenn es in den ersten beiden Ebenen unterhalb des Vorstands, zu der etwa 150 Mitarbeiter gehören, Beförderungen oder Einstellungen gibt, lade ich zu einem Gespräch ein. Ich möchte diese Menschen kennenlernen. Schließlich ist es eine meiner wichtigsten Aufgaben, zusammen mit dem Gesellschafterausschuss den Vorstand richtig zu besetzen. Das kann ich nur, wenn ich den Managementkreis auf den nächsten Ebenen darunter, aus dem langfristig mögliche Kandidaten kommen, kenne.
Henkel ist kürzlich zu Deutschlands frauenfreundlichstem Konzern gekürt worden. Dennoch wehren Sie sich – im Schulterschluss mit Vorstandschef Rorsted – gegen eine Frauenquote. Warum?
Ich finde das Ziel, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, genau richtig. Vielfalt macht ein Unternehmen stärker und wettbewerbsfähiger. Ich finde aber den Weg dahin mit starren, vorgegebenen Quoten falsch. Ein Unternehmen kann durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen und durch Vorbilder die Ziele auch ohne starre Vorgabe erreichen. Jedes Unternehmen sollte für sich Ziele festlegen – so wie wir das auch getan haben – und sich daran messen lassen.
"Umschalten auf regenerative Energien ist der richtige Schritt"
Wo will Henkel beim Frauenanteil hin?
Im Management sind wir bei rund 30 Prozent. Diesen Anteil wollen wir jährlich um ein bis zwei Prozentpunkte steigern.
Damit lägen Sie 2018 bei 40 Prozent. Gibt es für dieses Ziel konkrete Maßnahmen?
Wir schaffen zum Beispiel Voraussetzungen dafür, um von der bisherigen Präsenzkultur, also die Anwesenheitspflicht im Unternehmen, stärker in Richtung Ergebnis und Qualität zu kommen.
Und das heißt?
Es ist für uns nicht relevant, ob ein Mitarbeiter von 8 bis 17 Uhr ständig hier am Schreibtisch sitzt. Wenn er sich um 16 Uhr abmeldet, weil er sein Kind abholen oder die Mutter pflegen muss, dann aber um 18.30 Uhr wieder erreichbar ist, dann ist das doch okay. Wichtig ist, was bei seiner Arbeit herauskommt.
Mann oder Frau mit gleicher Qualifikation – bekommt die Frau dann den Vorzug?
In den Bereichen, wo wir den Anteil von Frauen noch steigern wollen, wäre das so.
Dann haben Männer bei Henkel eher schlechtere Aufstiegschancen?
Es ist um die Chancen der Männer nicht schlecht bestellt. Und sollte sich das mal ändern, dann würden wir uns auch darum kümmern.
Unternehmer denken, Politiker lenken. Was halten Sie vom Betreuungsgeld?
Das ist nicht meine favorisierte Lösung. Es ist in Deutschland für eine Frau immer noch schwer, Karriere und Kind unter einen Hut zu bekommen. Dafür brauchen wir die Unterstützung des Staates dringend. Aber die Mittel für das Betreuungsgeld sollten lieber in Angebote gesteckt werden wie Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Stattdessen werden finanzielle Anreize geschaffen, damit gut ausgebildete Frauen daheim bleiben.
Sie haben zwei schulpflichtige Kinder. Wie ist das bei Ihnen daheim organisiert?
Wer welches Kind zur Schule bringt, entscheiden wir oft erst beim gemeinsamen Frühstück. Wir haben alles so organisiert, dass meinem Mann und mir die Berufstätigkeit möglich ist. Da mein Mann selbstständig ist, kann er seine Zeit flexibler einteilen. So ist sichergestellt, dass bei Ereignissen wie Geburtstagen mindestens einer von uns bei den Kindern ist.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Das Jahrhundertprojekt der Energiewende entzweit Wirtschaft, Politik und Bevölkerung. Sehen Sie eher Chancen oder Risiken im deutschen Alleingang?
Die Vorreiterrolle, die Deutschland bei diesem Umbau der Energieversorgung einnimmt, finde ich gut und mutig, auch wenn wir uns damit nicht nur Freunde machen. Andere reiche Industrienationen sollten darüber ebenfalls intensiver nachdenken. Langfristig ist das Umschalten auf regenerative Energien ohne Zweifel der richtige Schritt. Dennoch glaube ich, dass wir auf dem Weg dorthin als starke Industrienation beachten müssen, dass wir wettbewerbsfähige Energiepreise und Versorgungssicherheit haben.
"In Krisen reagiert die Industrienachfrage stärker"
Zu den steigenden Strompreisen gesellt sich bei den Verbrauchern die Verunsicherung über die Euro- und Staatsschuldenkrise. Henkel hängt in hohem Maße von der Konsumfreude seiner Kunden ab. Wie stark machen sich die Belastungen und Krisen schon bemerkbar?
Wir erlösen rund die Hälfte des Umsatzes mit Konsumgütern, die andere Hälfte im Industriegeschäft. Unsere Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt: In Krisen reagiert die Industrienachfrage sogar noch stärker als die Konsumnachfrage, denn gewaschen und geduscht wird auch in der Krise. Gleichwohl spüren wir in den Euro-Krisenstaaten, die schon in einer Rezession stecken, bereits ein Nachlassen der Nachfrage. Die Kaufzurückhaltung in Europa wird uns noch einige Jahre lang begleiten. Aber wir haben Krisen in der jüngeren Vergangenheit gut gemeistert.
Wie steuert Henkel dagegen?
Wir sind heute deutlich flexibler und können unsere Kosten und Ressourcen schneller an schwächere Nachfrage anpassen. Oder wir können unsere Produkte an die Kaufkraft im Land anpassen. In Schwellenländern etwa verkaufen wir Premiumprodukte in kleinen Packungen, damit sich die Kunden die auch für wenig Geld leisten können. Und wenn Kunden in einem Land stärker auf den Preis schauen müssen, bewerben wir dort günstigere Produkte stärker als die Premiummarken...
...also mehr Werbung für Spee und weniger für Persil?
So können Sie sich das vom Prinzip her vorstellen.
Konsequent auf Kurs: Trotz konjunktureller Einbrüche durch Finanz- und Euro-Krise steuert Henkel-Chef Kasper Rorsted den Düsseldorfer Familienkonzern punktgenau auf die formulierten Vier-Jahres-Ziele.
Die Hauptversammlung wählt Rorsted zum Henkel-Chef
Rorsted präsentiert die Finanzziele 2012: ein jährliches organisches Umsatzwachstum von durchschnittlich 3 bis 5 Prozent, eine bereinigte Umsatzrendite von 14 Prozent und ein jährliches Wachstum des bereinigten Ergebnisses je Vorzugsaktie von durchschnittlich mehr als 10 Prozent
In Scottsdale/ Arizona wird die neue Zentrale für das Waschmittel und Kosmetikgeschäft in Nordamerika eröffnet
Nach 19 Jahren übergibt Albrecht Woeste den Vorsitz im Aufsichtsrat und im Gesellschafterausschuss an Simone Bagel-Trah
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Glauben Sie, dass Deutschland 2013 wie Teile der EU in eine Rezession schlittert?
Ob eine Rezession kommt oder nicht, da gehen die Prognosen auseinander. Deutschland hat eine starke Substanz. Wir verfügen über eine hohe Exportwirtschaft und einen stabilen Mittelstand mit Familienunternehmen. Die haben aus der vergangenen Krise gelernt, Eigenkapital aufgebaut und sind nicht mehr so anfällig für konjunkturelle Schwankungen.
Einen Boom haben dagegen soziale Netzwerke wie Twitter oder Xing. Wie viele Freunde haben Sie bei Facebook?
Gar keine. Ich bin da nicht angemeldet. Ich bin eher der klassische E-Mail- oder SMS-Nutzer. Aber im Unternehmen beschäftigen wir uns intensiv mit sozialen Netzwerken. Diese neuen Formen der Kommunikation bieten viele Chancen, Daten und Wissen auszutauschen. Man muss aber nicht alles mitmachen und darf sich von Geräten und Netzwerken nicht abhängig machen.
Lesen Sie noch Bücher auf Papier?
Ja, und ich möchte auf das Gefühl auch nicht verzichten, ein Buch oder eine Zeitung in den Händen zu halten. Ich knicke gerne mal eine Ecke um, damit ich wichtige Stellen schnell wiederfinde. Ich finde es auch schön, Bücher zu Hause im Regal zu haben. Zu vielen gibt es eine Erinnerung, weil ich weiß, wann ich es gelesen, wo ich es mir gekauft oder von wem ich es geschenkt bekommen habe.
"Höhere Einkommensteuern gefährden keine Existenzen"
Was lesen Sie gerade?
Im Moment lese ich die Biografie über Berthold Beitz. Daneben lese ich mit Vergnügen über Dinge, die in der Zukunft mal passieren könnten, zum Beispiel das Buch "Welche Idee wird alles verändern?" von John Brockman.
Was haben Sie aus der Beitz-Biografie gelernt? ThyssenKrupp mit starken familiären Wurzeln kämpft ums Überleben, Henkel um die Steigerung der Rendite.
Beeindruckt hat mich, wie oft sich Beitz, unabhängig von der gängigen Meinung, eine eigene Auffassung gebildet hat. Und aus der Lektüre habe ich die Frage für mich mitgenommen: Wie lange sollte jemand eine Position besetzen?
Sie spielen wahrscheinlich auf Beitz’ Alter an, der mit 99 Jahren an der Spitze der Krupp-Stiftung steht, die als Großaktionär die Geschicke bei ThyssenKrupp lenkt. Gibt es bei Henkel Altersgrenzen?
Für den Aufsichtsrat kann nicht kandidieren, wer das 70. Lebensjahr begonnen hat. Im Gesellschafterausschuss scheidet man mit 72 Jahren aus.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat sich für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer ausgesprochen. Was halten Sie davon?
Die Vermögensteuer besteuert die Substanz und ist deshalb keine gute Steuer. Es gab viele gute Gründe, warum sie ausgesetzt worden ist, unter anderem, weil die Erhebung im Verhältnis zu den Erträgen sehr aufwendig ist. Es würde in allen politischen Lagern und in der Bevölkerung wohl auf mehr Akzeptanz stoßen, wenn die Ertragsteuern erhöht würden.
Auch für Unternehmen?
Ja, wenn es sich in einem wettbewerbsfähigen Rahmen hält, wäre das immer noch besser als die Einführung einer Vermögensteuer. Denn die Substanz mit einer Vermögensteuer zu besteuern, halte ich für den falschen Weg. Es gibt Jahre, in denen ein Unternehmen keinen Ertrag hat. Und wenn die Eigentümer und Aktionäre Jahr für Jahr Vermögensteuer zahlen müssen, fehlt Geld für Expansion und Innovation. Dabei ist es gerade für Mittelständler wichtig, dass Gewinne zurück ins Unternehmen fließen.
Aktionäre werfen Henkel doch aber immer wieder vor, zu viel Geld im Unternehmen zu lassen.
Die Ausschüttungsquote ist bei Henkel mit 25 Prozent verhältnismäßig gering. Wir haben seit der Gründung die Philosophie, einen Großteil des Gewinns wieder ins Unternehmen zu investieren und es damit zu stärken. Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer wäre eine Bestrafung dafür. Wir könnten ja auch die Gewinne ausschütten, dann wäre Henkel wahrscheinlich kleiner. Wenn wir hier eine Vermögensteuer erheben, hätte das bei vielen Unternehmen die Konsequenz, das weniger investiert wird und das Geld ins Ausland fließt, wo günstiger besteuert wird.
Der Milliardär und SAP-Mitgründer Dietmar Hopp hat sich für einen deutlich höheren Spitzensteuersatz ausgesprochen. Was sagen Sie dazu?
Wir hatten schon mal höhere Einkommensteuern als heute.
Da schreit keiner Hurra, aber es gefährdet auch keine Existenzen. Wenn der Staat wirklich mehr Steuern braucht, würde ich das lieber über höhere Ertrag- und Einkommensteuern geregelt sehen. Aber die Staatseinnahmen sind derzeit so hoch wie nie. Und so wie Henkel und andere Unternehmen Jahr für Jahr bestrebt sind, Prozesse zu optimieren und Kosten unter Kontrolle zu halten, würde ich mir auch vom Staat wünschen, das dort ernsthaft darüber nachgedacht wird, was alles nicht mehr nötig ist.