Spionage oder legale Informationsbeschaffung? Volkswagen klärt nicht zu viel auf, sondern zu wenig!

VW muss Beweis antreten, dass keine Spionage betrieben wurde Quelle: imago images

Volkswagen muss jetzt Beweise vorlegen, dass beim Zulieferer Prevent keine Spionage betrieben wurde. Das wird nicht einfach, ist aber machbar.

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Schlimm sind sie, die Vorwürfe. Und nicht so einfach zu entkräften. Der Volkswagen-Konzern befindet sich aktuell in einer Konfrontationssituation mit dem Zulieferer Prevent, indem dessen Lage, Situation und Reaktion nicht richtig bewertet wurden. Es kam zum Einsatz von Ermittlern, die Sache wurde bekannt, der Vorwurf der Spionage steht im Raum.

Hat man sich dumm verhalten? Ohne Frage „ja“. Ist Dummheit sträflich? Glücklicherweise „nein“, solange dabei keine strafbaren Handlungen begangen werden. Volkswagen muss jetzt den Beweis antreten, dass keine Spionage betrieben wurde. Das wird nicht einfach, ist aber trotzdem machbar. 

„Wissen ist Macht.“ Dieser Ausspruch soll bereits im Mittelalter von Francis Bacon, einem englischen Philosophen, Schriftsteller und Politiker geprägt worden sein und hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Das Zusammenleben von Menschen ist gekennzeichnet durch den ständigen Versuch, Macht zu gewinnen und Macht auszuüben. Dass dies genauso für Wirtschaftsunternehmen und erst recht für Staaten gilt, dürfte jedem einleuchten. 

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Geschäftspartner müssen überprüft werden. 

Man kann den Prozess von Aufstieg und Fall von Unternehmen bezeichnen wie man will: verschärfter Kampf um Kunden und Marktanteile, Verteilungskampf oder auch Wirtschaftskrieg. Unternehmen können diesen Verdrängungswettbewerb nur für sich entscheiden, wenn sie über ausreichende Informationen über ihr Umfeld und die weitere Entwicklung verfügen, sinnvolle Strategien anwendet und vor allem den Willen zur Tat haben oder anders gesagt, den Krieg aufnehmen will.

Erinnern wir uns dabei exemplarisch an die berühmten Worte von Ferdinand Piëch 1993: „Das ist filmreif. Das ist der Kampf zweier großer Automobilfirmen vor dem Hintergrund eines Wirtschaftskrieges. Wir haben ihn nicht angefangen, aber wir werden uns wehren.“ Oder von Wendelin Wiedeking 2007: „Hier geht es um einen Wirtschaftskrieg der Franzosen und Italiener gegen die Deutschen.“ Auch in der Wirtschaft werden Konfrontationen mit harten Bandagen geführt. Es siegt auch hier, wie überall sonst, der am besten informierte.

Gratwanderung Informationsbeschaffung

Spionage ist eine Form der „Intelligence“, dem neudeutschen Wort für Erkenntnisgewinnung. Aber nicht jede Form von Intelligence ist Spionage. Spionage hat als weiteres Merkmal den Einsatz von illegalen Methoden oder Vorgehensweisen. Von solchen Methoden ist dringendst abzuraten. Ganz abgesehen davon, dass sie strafbar sind, ist der kurzfristige Vorteil, der sich aus einer solchen Aktion ergibt, das langfristige Risiko nicht wert. Früher war schon das Geheimnis nicht von ewiger Dauer. Heute ist es das noch viel weniger. Wir leben heute in einer Welt, in der sich die Zeitspanne, bis ein Geheimnis öffentlich bekannt wird, merklich verkürzt hat. Jeder liebt den Verrat, aber niemand den Verräter und den Täter. Ein weiterer kapitaler Unterschied liegt in der Zielsetzung. Ziel der Spionage ist, aus vertraulichen Informationen, die den so genannten Zielobjekten gehören, und die diese um keinen Preis freiwillig teilen wollen, Kapital zu schlagen für die eigene Position. Auch wenn Spionage interessant ist – vor allem für die Belange Dritter – hat Spionage kein berechtigtes Interesse. 

Die mit legitimen Mitteln und Methoden stattfindende Informationssammlung durch Unternehmen wird entweder als Compliance oder Corporate Investigations oder Comporate Intelligence bezeichnet. Auch wenn es vielen nicht bewusst ist: Unternehmen sind durch Gesetze wie zum Beispiel das KonTraG zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich verpflichtet. Diese Maßnahmen sind hierfür ein probates Mittel, um das eigene Unternehmen zu schützen, Schaden abzuwenden oder Schaden aufzuklären: die einen präventiv, die anderen reaktiv. 

Breiter Handlungsspielraum für kreative Aufklärung

Bei Corporate Intelligence und Corporate Investigations ist alles erlaubt, was nicht explizit verboten ist. Und ja, dabei kann man auch zuhause bei verschiedenen Geschäftsleuten vorbeifahren. Man kann mit den Nachbarn reden, wenn es sinnvoll ist. Man darf sogar Bilder vom Haus machen. Man darf dabei aber nicht unerlaubt das Grundstück betreten und man sollte die Privatsphäre der Zielperson schützen, sofern Aspekte derselben nicht in Zusammenhang mit dem Auftrag stehen. Ein Beispiel: gegen einen Manager wird wegen des konkreten Verdachts der Korruption ermittelt. „Wieso hat der Herr einen Porsche in der Garage? Das kann er sich von diesem Gehalt doch gar nicht leisten, etc.“ 

Die große Frage ist nicht: „Welche Erkenntnisse erhalte ich, wenn ich diesen Weg einschlage“, sondern „welche Wege stehen mir zu Verfügung, um an diese benötigten Erkenntnisse zu gelangen“? Ermittelt werden kann viel, aber ob die Ergebnisse sinnvoll, zielführend und verwertbar sind – ein unzertrennbarer Dreiklang – steht auf einem anderen Blatt. Und ist nur zielführend verwertbar, und somit sinnvoll, was nicht illegal erlangt wurde. 

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