Spionage oder legale Informationsbeschaffung? Volkswagen klärt nicht zu viel auf, sondern zu wenig!

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Zu spät, Volkswagen, mal wieder!

Und damit sind wir beim Thema der Illegalität. Ja, es gab sie mal, aber die Zeiten der „schwarzen“ Ermittlungen sind schon lange vorbei, auch wenn das in einigen Köpfen immer noch nicht angekommen ist, genauso wie die Zeit der Schwarzgeldkonten und der „nützlichen Aufwendungen“ im Ausland. Entscheidend hat dazu beigetragen das Bekanntwerden von Ermittlungsskandalen durch die Medien. Dass Recht wiederhergestellt oder gewahrt wird durch das Brechen von Recht und das Überschreiten von Grenzen, so etwas funktioniert aber nur im Fernsehen. Solange es keine Hinweise gibt, dass Recht gebrochen wurde, ist es auch kein strafbarer Akt und somit keine Spionage. Und bis dahin bleiben es Vermutungen, und für diese gilt die Unschuldsvermutung.

Volkswagen kommt einfach nicht aus den Skandalen heraus. Aktuell befindet sich das Unternehmen erneut in einem selbst verschuldeten Mediensturm. Schuld daran ist augenscheinlich ein Dreiklang aus erneutem Versagen des internen (IKS) Informations- und Kontrollsystems, einer mangelhaft gelebten (GRC) Governance, Risk & Compliance Politik, sowie einer geradezu bemerkenswerten Blindheit für die Fragilität der eigenen Position und der daraus resultierenden Angriffsfläche. Das alles passiert trotz der Tatsache, dass sich das Unternehmen in einem kontinuierlichen Wirtschaftskrieg befindet. Was schade ist, denn Volkswagen ist trotz aller berechtigten Kritik ein toller Konzern. Mitleid und Häme bekommt man beides umsonst. Neid muss man sich verdienen. Und auch an Neidern fehlt des dem VW-Konzern nicht.

Aus den zurzeit bekannten Informationen kann es nur eine Einschätzung gegen: Volkswagen handelt nicht illegal, aber viel zu spät! Volkswagen tut insgesamt zu wenig im Bereich der Investigations und der Intelligence. Verschiedene Skandale der Vergangenheit wären nicht passiert, wenn die externen und internen Informations- und Kontrollnetzwerke rechtzeitig Warnsignale richtig aufgenommen und analysiert hätten. Eine Krise ist schlicht und ergreifend eine Situation die eskaliert. Der beste Weg, eine Krise zu vermeiden, ist, diese gar nicht erst eintreten zu lassen.

Beide Firmen, Prevent wie Volkswagen, haben ein berechtigtes Interesse in dieser Konfliktsituation. Was Volkswagen angeht: Man klärt nicht erst auf, wenn man sich in der Konfrontationsphase befindet, man tut dies auch nicht in der Verhandlungsphase, schon gar nicht, wenn eine Konfrontationsphase drohen könnte. Man verschafft sich einen Eindruck über den Geschäftspartner, bevor man bei ihm unterzeichnet. Das ist schon allein aus Compliance-Gesichtspunkten notwendig. Alle in der Konfrontationsphase angefragten Informationen hätten bereits vor Vertragsunterschrift eingeholt und überprüft werden müssen. Dass Volkswagen mit den Ermittlungen erst in der heißen Phase beginnt, zeigt, dass deren IKS- und GRC-Systeme nicht optimal gelebt werden. Aber das ist ja spätestens seit dem Diesel-Skandal offensichtlich. 

Was heißt das konkret? Solange sich bei Volkswagen, dem ersten Verantwortlichen für den Erfolg des eigenen Unternehmens und somit auch der erste Verantwortliche für die eigenen Niederlagen, strukturell nichts ändert, dürfen sich Medien und Wettbewerber weiter darauf freuen, in regelmäßigen Abständen zu erleben, wie ein Unternehmen sich selbst ein Bein stellt. 

Und wie steht es um Prevent?

Es wäre geradezu bemerkenswert und irgendwie auch sehr verwunderlich, wenn die Unternehmerfamilie Hastor, die hinter Prevent steht, und die einen bemerkenswerten Ruf als Verhandlungsstrategen genießt – ganz zu schweigen von dem Ruf als Überlebenskünstler – genauso blauäugig in diese Situation hinein marschiert wäre, wie dies Volkswagen getan hat. 

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Denn: Beim Poker wie auch in schwierigen Verhandlungen ist es immer gut und hilfreich, wenn man eine fundierte Einschätzung des Gegners und seines Blattes hat. Nur ist hier nicht die Tarnung von beiden aufgeflogen. Dafür ist es sehr wahrscheinlich, dass Prevent gezielt nach gegnerischen Aufklärungsversuchen Ausschau gehalten und anschließend seinen Teil zur medialen Vermarktung des Ganzen beigetragen hat, respektive tun wird, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken und die Gegenseite medial zu schwächen. Und Volkswagen ist dabei leider ein leichtes Ziel, da die Reputation des Unternehmens in der Vergangenheit schon genügend abbekommen.

Prevent hat zum jetzigen Zeitpunkt eine gute, auch mediale Verhandlungsposition, die sich aber, wenn zu lange beansprucht, ganz schnell ins Gegenteil wenden kann. Beide Parteien haben sich gemeinsam in eine Lage hineinmanövriert respektive manövrieren lassen, in der die eine nur verlieren und die andere Seite nicht gewinnen kann. Es seien beide Unternehmensführungen an die alte Weisheit erinnert, dass „nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde.“ Es wird nur dann Geld verdient, wenn beide sich auf das Tagesgeschäft konzentrieren können.

Deswegen sind beide Parteien gut beraten, ihr Ego hinten anzustellen, mit ihren Anwälten oder ohne diese ganz schnell wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sich friedlich zu einigen und schnellstmöglich wieder zum Tagesgeschäft überzugehen. Denn die Konkurrenz schläft nicht und die Liste der Wettbewerber im Automobil- und im Zuliefererbereich, die sich jetzt schon vor Lachen auf die Schenkel klatschen, ist lang. Vom negativen Beigeschmack für die Kunden beider Unternehmen ganz zu schweigen.

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