Stada und die Generika-Konsolidierung „Das kratzt uns Null-Komma-Null“

Neben der Pharmabranche insgesamt ist auch der Generikasektor heftig in Bewegung. Deutschlands größter Anbieter Stada gibt sich aber gelassen. Der Konzern setzt auf Ästhetik, Osteuropa und den Ausbau des Markengeschäfts.

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Die Gelassenheit des Stada-Management gründet sich vor allem auf einer relativ individuellen Strategie. Quelle: dpa

Frankfurt Unter den Herstellern patentfreier Nachahmer-Medikamente (Generika) stehen die Zeichen weiter auf Konsolidierung. Die führenden Akteure versuchen, ihre Position durch weitere Übernahmen zu verstärken – so etwa Teva durch den 40 Milliarden Dollar teuren Kauf der Actavis-Generikasparte oder der US-Konzern Mylan mit der Akquisition der schwedischen Meda. Andere Konzerne wie Sanofi und Boehringer treten dagegen den Rückzug aus diesem speziellen Bereich des Pharmageschäfts an, weil sie sich mit ihren Aktivitäten als zu klein betrachten.

Von diesen Bewegungen auf dem mehr als 70 Milliarden Dollar großen Generikamarkt lässt sich die Bad Vilbeler Stada AG als Deutschlands größter Akteur in dem Bereich wenig beeindrucken. „Die Konsolidierung im Generikabereich ist für uns ein völlig stressfreies Thema“, bekräftigte Stada-Chef Hartmut Retzlaff bei Vorlage der Geschäftszahlen für 2015. Eine Transaktion wie etwa der Teva/Actavis-Deal, so Retzlaff, „kratzt uns Null-Komma-Null.“

Der Bad Vilbeler Konzern ist die letzte größere deutsche Generikafirma, nachdem im vergangenen Jahrzehnt die Konkurrenten Hexal, Ratiopharm und die Merck-Generikasparte an ausländische Konzerne verkauft wurden. Zum Stada-Gesamtumsatz von 2,1 Milliarden Euro tragen Generika knapp 58 Prozent bei.

Die Gelassenheit des Stada-Management gründet sich vor allem auf einer relativ individuellen Strategie. Von den meisten Konkurrenten unterscheidet sich der Konzern dadurch, dass er in den USA gar nicht, dafür aber sehr stark in Osteuropa, insbesondere Russland und Serbien, vertreten ist. Zudem hat sich die Wachstumsstrategie des Bad Vilbeler Konzerns in den letzten Jahren deutlich vom klassischen Nachahmer-Geschäft weg verlagert hin zu Markenprodukten und freiverkäuflichen Arzneien. Deren Umsatzanteil nahm seit 2010 bereits von 26 Prozent auf inzwischen mehr als 40 Prozent zu. Und dieser Trend scheint sich fortzusetzen. Im vergangenen Jahr legten Markenprodukte um sieben Prozent zu, während die Generikaerlöse des Konzerns stagnierten. Durch neue Initiativen wie den Einstieg ins Ästhetikgeschäft will Retzlaff den Markenanteil weiter ausbauen. Geplant ist unter anderem die Entwicklung und Vermarktung eines eigenen Botox-Produkts zur Faltenglättung.

Insgesamt verbuchte Stada 2015 bei drei Prozent Umsatzplus einen starken Anstieg des Nettogewinns um 71 Prozent auf 110 Millionen Euro. Der überproportionale Anstieg beruhte allerdings vor allem darauf, dass im Vorjahr besonders hohe Belastungen durch Wertberichtigungen und Restrukturierungkosten angefallen waren, die sich 2015 nicht in dieser Höhe wiederholten. Bereinigt um diese Effekte sanken operative Ergebnis nach Unternehmensangaben um jeweils rund ein zehntel. Für 2016 stellt Retzlaff auf bereinigter Basis jeweils ein leichtes Wachstum von Umsatz und Ergebnis in Aussicht, obwohl das erste Quartal aufgrund negativer Währungseffekte wohl schwach ausfallen wird.

Das Geschäft mit patentfreien Arzneimitteln ist vor allem auf den etablierten westlichen Märkten in den letzten Jahren schwieriger geworden, weil Krankenkassen die Preise über Rabattverträge relativ heftig drücken. Die Novartis-Tochter Sandoz, der nach Teva zweitgrößte Anbieter in dem Bereich, geht von einem jährlichen Preisverfall von etwa acht Prozent aus. Dadurch wächst tendenziell der Druck bei den Firmen, Skalenvorteile in Produktion und Vertrieb zu erzielen.


Kampf um Biotech-Bestseller

Auf der anderen Seite stehen weitere prominente Patentabläufe von Originalprodukten an, wodurch das Marktpotenzial für die Produzenten von Nachahmerprodukten tendenziell weiter wächst. Die Analysefirma Evaluate Pharma schätzt daher, dass der Markt für Generika trotz Preisdruck bis 2020 global noch um etwa 50 Prozent wachsen könnte, von 74 Milliarden Dollar 2014 auf rund 112 Milliarden Dollar. Die Branche würde danach ihren Anteil am gesamten Pharmageschäft sogar noch ausbauen, von derzeit zehn Prozent auf etwa 11,4 Prozent.

Für Bewegung in der Branche sorgt neben dem generellen Preisdruck indessen auch die bevorstehende Verlagerung des Geschäfts in Richtung der so genannten Biosimilars. Dabei geht es um Kopien von Biotech-Arzneiwirkstoffen. Das heißt um komplizierte Pharmasubstanzen, die nur mit Hilfe von genmodifizierten Zelllinien oder Mikroorganismen produziert werden können und dadurch wesentlich höhere Anforderungen an Zulassung und Produktion stellen.

Solche Biotechmedikamente, darunter etwa die Rheumamittel Humira und Remicade oder Krebsmittel wie Avastin und Herceptin, zählen derzeit zu den umsatzstärksten Produkten der Pharmabranche überhaupt, mit Umsätzen von zum Teil mehr als zehn Milliarden Dollar pro Jahr. Etliche dieser Substanzen verlieren in den nächsten Jahren ihren Patentschutz.

Dutzende von Firmen arbeiten daher bereits an Kopien dieser Biotechwirkstoffe. Dazu gehören indes nicht nur die bekannten Generikafirmen wie Teva oder Mylan, sondern auch diverse große etablierte Pharmakonzerne, so etwa Merck & Co, Amgen, Boehringer und die deutsche Merck-Gruppe. Das dürfte dazu führen, das die Grenzen zwischen typischen Generikafirmen und innovativen Pharmaherstellern wieder eher verschwimmen.

Stada ist in diesem neuen Segment des Generikamarktes bisher bereits mit zwei Produkten, dem Anämie-Medikament Epo und dem Wachstumsfaktor Filgrastim, vertreten und will weiter mitspielen. Das Unternehmen setzt dabei aber vor allem auf Kooperationen mit externen Partnern. Man mache keine Eigenentwicklungen mehr auf dem Gebiet, sondern lizenziere ein. „Das ist eine risikoreduzierte Strategie“, betont Retzlaff. In Kooperation mit dem ungarischen Unternehmen Gedeon Richter und der Biotechfirma Mabxience will Stada unter anderem Kopien zum umsatzstarken Krebsmittel Rituxan (Roche) und zum Rheumamittel Humira (Abbvie) entwickeln, die gegen Ende des Jahrzehnts patentfrei werden. Retzlaff sieht Stada in diesem Feld auf gutem Wege. Der Konkurrenzkampf um die Biotech-Bestseller indessen dürfte äußerst intensiv werden.

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