Stahl-Gipfel im Saarland Das Schicksalsjahr für die Stahlindustrie

Die Stahlindustrie in Deutschland hat mit Überkapazitäten aus China und Umweltauflagen zu kämpfen. Bundeswirtschaftsminister Gabriel sieht sie bei einem Besuch im Saarland sogar in ihrer Existenz bedroht.

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Billigimporte aus China machen der Branche zu schaffen. Quelle: dpa

Dillingen Routiniert absolviert er das Programm. Er schüttelt die Hände der Mitarbeiter, fragt auf dem Leitstand nach deren Qualifikation und schaut interessiert zu, wie ein 700 Grad heißer Stahlstrang millimeterweise in den Tiefen der Anlage versinkt. Die ist der ganze Stolz der Dillinger Hütte, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an diesem Freitag besucht. Erst im Juli wurde die neue Stranggießanlage in Betrieb genommen und läuft seitdem im Probebetrieb störungsfrei.

Für den Konzern ist es ein Projekt der Superlative und mit 400 Millionen Euro die größte Einzelinvestition, die am traditionsreichen saarländischen Stahlstandort je getätigt wurde. Vor allem aber ist sie ein Stück Hoffnung, dass auch in Zukunft hier am Rande der Republik noch Stahl produziert werden kann.

So jedenfalls formulierte es Anke Rehlinger, saarländische Wirtschaftsministerin von der SPD, die an diesem Tag zum 2. saarländischen Stahlgipfel geladen hatte. Dabei betrifft das Thema nicht nur die beiden Standorte der Saarstahl AG in Dillingen und Völklingen – die gesamte Branche fühlt sich von der derzeitigen Krise in ihrer Existenz bedroht. Als „Schicksalsjahr für die Stahlindustrie“, hat der Präsident der Wirtschaftschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, das Jahr 2016 schon gleich zu Beginn ausgerufen.

In der Tat hat die Branche seit Jahren arg zu kämpfen: Da sind zum einen die gewaltigen Überkapazitäten vor allem aus China, die die Weltmärkte überschwemmen und für ruinöse Preise sorgen. Sollte das Riesenreich noch den erhofften Marktwirtschaftsstatus zugesprochen bekommen, wäre der EU künftig weitgehend die Hände gebunden, sich dagegen mit Sanktionen wie Strafzöllen zu wehren.

Darüber hinaus empfindet die Stahlindustrie die in der EU diskutierten Klimaschutzziele als Bedrohung. Sollten beispielsweise die CO2-Zertifikate im Rahmen des europäischen Emissionshandels deutlich verteuert werden, seien die europäischen Hütten nicht mehr wettbewerbsfähig, so die Argumentation. Dann käme der Stahl künftig aus Asien, wo er mit deutlich höheren CO2-Aufwand produziert werde. Dem globalen Klima sei damit nicht geholfen.

Gabriel kennt diese Fakten. Chinesischer Billigstahl? „Mit unfairen Methoden wird die Arbeitsleistung in unseren Regionen kaputt gemacht.“ Marktwirtschaftsstatus für Peking? „Wer Marktwirtschaft haben will, der muss sich auch so benehmen.“ Höhere Umweltauflagen? „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht beides verlieren – gute Jobs und gute Umwelt.“


Strom aus Stahlwerken von der Umlage befreien

Zwar arbeiten in den Hütten in Deutschland nur noch 90.000 Beschäftigte, aber an jedem Stahlarbeitsplatz hängen sechs weitere in der Weiterverarbeitung. Zentrale Wirtschaftsbereiche der hiesigen Industrie, wie etwa die Autobranche, der Maschinenbau oder die Investitionsgüterindustrie sind auf moderne Stahlsorten angewiesen. Das Material zeichnet sich dadurch aus, dass es von der Konsistenz her leicht und fest sind. Gebraucht wird es für moderne Windkraftanlagen, die für die Energiewende gebraucht werden.

„Der Wohlstand unseres Landes basiert nicht auf Dienstleistungen, sondern auf der industriellen Produktion“, sagte Gabriel. Es seien die integrierten Wertschöpfungsketten, die den wirtschaftlichen Erfolg des Landes ausmachten. „Wenn Sie da einen Block herausnehmen, brechen diese Ketten zusammen.“

Der Bundeswirtschaftsminister wies darauf hin, dass die Regierung mit EU-Kommission vereinbart habe, dass der Strom, den die Stahlwerke selbst produzieren, weiter von der EEG-Umlage ausgenommen bleibt. Auch habe die Kommission jetzt die Möglichkeit, Schutzzölle auch rückwirkend anzuwenden.

Zudem äußerte sich Gabriel zu den laufenden Fusionsgesprächen zwischen den Stahlsparten von Thyssen-Krupp und Tata und riet den deutschen Hütten zu mehr Selbstbewusstsein. „Ich bin gegen Protektionismus”, sagte er. „Aber wir müssen auch unsere Interessen vertreten.” Er rate davon ab, Konsolidierungsmöglichkeiten nur in Deutschland zu sehen. „Denn wenn wir das in Deutschland alleine machen, entlasten wir nur die Länder, die einen viel höheren Konsolidierungsbedarf haben.”

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