Stahlindustrie Bundesländer warnen EU vor Kollapsbedingungen

Krisenstimmung in der europäischen Stahlindustrie: Nun bergen zudem geplante Änderungen in der Klimapolitik Risiken, warnen die Wirtschaftsminister aus vier Bundesländern in einem Brief an die EU.

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Funken fliegen im Werk der Salzgitter AG in Salzgitter (Niedersachsen) aus einer Stahlpfanne. Quelle: dpa

Mehrere Bundesländer haben die EU-Kommission vor „existenzbedrohenden Kostenbelastungen“ für die deutsche Stahlindustrie gewarnt. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Grundstoffindustrien müsse bei der geplanten Novellierung des C02-Emissionshandels angemessen berücksichtigt werden. Das fordern die Wirtschaftsminister aus NRW, Brandenburg, Niedersachsen und dem Saarland in einem der dpa vorliegenden Brief an EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska. Auch die deutsche Stahlindustrie fürchtet übermäßige Belastungen wegen der EU-Klimapolitik.

„Der Vorschlag zum Emissionshandel ab 2021 zeugt nicht von wirtschaftspolitischem Sachverstand: Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum sind mit dem Vorschlag jedenfalls nicht vereinbar.“ Das kritisierte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, in der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ (Montagausgabe). „Wenn die Grundstoffindustrien kaputtgehen, wird es gefährlich für die Industrie insgesamt.“

Ähnlich äußerten sich die vier Bundesländer: Der Vorschlag der Kommission für die Handelsperiode 2021 bis 2030 würde „für die deutsche Stahlindustrie auf substanzielle und existenzbedrohende Kostenbelastungen hinauslaufen“, betonten sie in ihrem Schreiben an die EU. Setze man den Vorschlag der Kommission um, werde das „aufgrund zusätzlicher ordnungspolitischer und umweltpolitischer Vorgaben die heimische Stahlindustrie gegenüber ihren globalen Wettbewerbern benachteiligen.“ Arbeitsplätze würden gefährdet. Letztlich sei eine „Verlagerung von CO2-Emissionen in Länder mit niedrigeren Klimaschutzstandards“ zu befürchten.

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Garrelt Duin appellierte in Düsseldorf: „Durch die Reform des Emissionshandels darf der Wettbewerb keinesfalls zulasten der europäischen Industrie verzerrt werden.“ Der SPD-Politiker gab zu bedenken: „Wenn chinesische Stahlproduzenten mit unfairen Praktiken die deutschen Hersteller aus dem Markt drängen, bedeutet das auch einen deutlich höheren C02-Ausstoß.“ Die Kommission müsse ihren Entwurf grundlegend überarbeiten, wenn sie den größten europäischen Stahlstandort - Duisburg - nicht gefährden wolle.

Am Montag ist eine Konferenz der EU-Kommission zur Lage des Stahlsektors in Brüssel geplant. Zeitgleich werden Tausende Stahlarbeiter zu Protesten gegen günstige Importe aus China und gegen geplante Verschärfungen der Umweltauflagen erwartet.

Die EU will ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 senken. In diesem Zusammenhang soll ab 2019 auch das Angebot an CO2-Zertifikaten knapper werden. Ab 2021 soll die verfügbare Zahl Verschmutzungsrechten noch mehr abnehmen.

Der Europachef des indischen Stahlherstellers Tata, Karl-Ulrich Köhler, unterstrich die Forderungen seiner Branche nach schärferen Anti-Dumping-Verfahren gegen Billigstahl vor allem aus China. „Wir wollen keine Geschenke, sondern faire Wettbewerbsbedingungen“, sagte er dem „Handelsblatt“ (Montagsausgabe). „Die Verfahren müssen schneller und direkter auf den Weg gebracht werden.“

Die Stahlbranche in Europa ist in einer schwierigen Lage, ächzt unter einem Verfall der Stahl- und Rohstoffpreise, die auch Branchenriesen wie ThyssenKrupp oder ArcelorMittal treffen. Angesichts der Krisenstimmung hatten jüngst Deutschland und sechs weitere Länder die EU zum Handeln aufgefordert, um heimische Unternehmen gegen Importe zu Kampfpreisen zu schützen.

Den Brief an die EU-Kommissarin hatten NRW-Minister Duin, Brandenburgs Energieminister Albrecht Gerber (SPP), Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), die stellvertretende saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sowie Stahl-Präsident Kerkhoff unterzeichnet.

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