Aber die Fabrik ist in Betrieb – allein das ist schon verblüffend. „Der vorherige Besitzer hat den Arbeitern vier Monate keinen Lohn gezahlt“, sagt Kostenko, damit sei jetzt Schluss. Dass die Übernahme vor sechs Wochen fast zeitgleich mit der Proklamation der „Volksrepublik Donezk“ erfolgt sei, sei Zufall: Den Einstieg und dessen Finanzierung hätten die Stahlhändler seit anderthalb Jahren vorbereitet. Die Krisenzeit wollen die Neueigentümer nutzen, um die Produktpalette zu diversifizieren. Künftig soll die Produktion von Baumaterial für Cash-Flow sorgen, der schrittweise in neue Anlagen investiert wird – bis es das Kombinat mit billigen und einfachen Metallwaren auf den EU-Markt schafft.
Zur Krise hat das Quartett nur eine Meinung: „Wir brauchen keine Unabhängigkeit, sonst steht hier alles still“, sagt Kostenko. Potenzielle Kunden holten sich ihre Informationen aus der Zeitung, und jeder meide das vermeintliche Risiko im Donbass. Die Separatisten würden dies noch schlimmer machen. „In Wahrheit ist bei uns alles ruhig“, sagt der Jungunternehmer, „nicht jeder Arbeiter steht auf den Barrikaden.“ Bei ihm gebe es keine Separatisten, solange er pünktlich gute Löhne zahle.
Stahlarbeiter in Werkskluft patrouillieren
Darauf vertraut auch Oligarch Achmetow. Mitte Mai ruft er seine Leute dazu auf, gegen die Separatisten in Mariupol auf die Straßen zu gehen, um für Ordnung zu sorgen. In Vierertrupps patrouillieren Stahlarbeiter in Werkskluft gemeinsam mit der Polizei. Im Zentrum beaufsichtigen sie junge Separatisten beim Entrümpeln der Stadtverwaltung, die diese zuvor angezündet hatten. Zudem ruft Achmetow in einer Videobotschaft zum Widerstand gegen die Separatisten auf: „In den Städten herrschen Banditen und Marodeure. Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben.“
Seine Arbeiter stehen auch deshalb zu Achmetow, weil sein Stahlgeschäft floriert. Paradoxerweise profitiert der laut „Forbes“-Liste 9,4 Milliarden Euro schwere Geschäftsmann kurzfristig von der Krise: Die Landeswährung Griwna ist in einem Jahr um etwa ein Drittel gesunken, was seine Exporte beflügelt.
ThyssenKrupp um ein Vielfaches produktiver
Das gilt in erster Linie für das Iljitsch-Werk in Mariupol, das mit 30.000 Mitarbeitern neben dem schwächelnden Binnenmarkt nach Europa und Südostasien liefert. Dabei ist die 20 Kilometer lange Megafabrik ineffizient: ThyssenKrupp kocht mit der gleichen Manpower im Jahr 15 Millionen Tonnen Rohstahl, die Ukrainer vier.
Achmetow investiert nun eifrig in die Modernisierung: Mit moderneren Produktionsverfahren konnte das Iljitsch-Stahlwerk die Herstellungskosten im ersten Quartal um 54 Millionen Dollar senken. 2015 sollen moderne Gasreiniger in die Hochöfen eingebaut werden, wohl aus deutscher Produktion. Endlich geht Achmetow gegen die Luftverschmutzung vor.
Wobei der braune Qualm über Mariupol ja für die Menschen dort ein gutes Zeichen ist: Solange die Schlote rauchen, muss sich niemand um den Job sorgen. Hoffentlich.