Standort Deutschland Wer der deutschen Wirtschaft Dampf macht

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Bosch Rexroth, Homburg: Vorreiter

Auf seine alten Tage kommt SB23EHS noch einmal groß heraus. Eigentlich ist das Teil mit der siebenstelligen Nummer der Rohling für ein ganz gewöhnliches Hydraulikventil, wie es Traktoren benötigen, um ein angeschlossenes landwirtschaftliches Gerät vom Führerhaus aus zu bedienen.

Doch in der neuen Fertigungslinie von Bosch Rexroth in Homburg/Saar hat SB23EHS eine besondere Bedeutung. Es ist Ende November, als der dunkelgraue Gusseisenblock, aus dem am Ende ein Traktorventil wird, eine Art Stimme erhält. Dazu verpasst ein Arbeiter dem mehrere Kilo schweren Werkstück einen Chip, der aus dem toten ein „sprechendes“ Metallstück macht.

Wo immer das Teil, eingeklemmt in einem Transportschlitten, fortan hinfährt, weitere Schrauben bekommt oder auf Dichtheit geprüft wird – überall wird es von elektromagnetischen Wellen bestrahlt, die dem Chip die Werkstücknummer entlocken und diese automatisch der Stelle melden, an der es weiterbearbeitet wird.

Die zehn größten deutschen Autozulieferer
Platz 10: EberspächerUmsatz 2014: 3,60 Milliarden Euro Das aus Esslingen am Neckar kommende Familienunternehmen zählt zu den weltweit führenden Systementwicklern und -lieferanten für Abgastechnik, Fahrzeugheizungen und KlimasystemeQuelle des Rankings: Berylls Stretagy Advisors Quelle: dpa
Platz 9: BroseUmsatz 2014: 5,17 Milliarden Euro Aus Coburg kommen die Sitzsysteme, Türmodule, Fensterheber und Schließsysteme von Brose. 22.000 Menschen arbeiten für das Familienunternehmen, das bereits seit 1908 existiert. Quelle: Presse
Platz 8: HellaUmsatz 2014: 5,18 Milliarden Euro In Lippstadt in Nordrhein-Westfalen produziert Hella mit rund 29.000 Mitarbeitern Licht- und Elektroniksysteme für den Fahrzeugbau, wie hier die LED-Scheinwerfer für eine Mercedes E-Klasse. Das Unternehmen blickt auf eine lange Historie zurück. Der Grundstein wurde bereits 1899 gelegt. Quelle: Presse
Platz 7: Benteler AutomobiltechnikUmsatz 2014: 5,87 Milliarden Euro Fahrwerkteile, Abgassysteme, Umformtechnik und Rohre – das sind die Komponenten, die Benteler Automobiltechnik mit weltweit rund 20.850 Mitarbeitern entwickelt und produziert. Zum 1. September 2014 hat Benteler zwei Teilbetriebe aus der insolventen Wilco Wilken Lasertechnik übernommen, um seine Kompetenz in diesem Bereich zu verstärken. Quelle: Presse
Platz 6: SchaefflerUmsatz 2014: 8,89 Milliarden Euro Von Herzogenaurach aus schickt Schaeffler seine weltberühmten Wälzlager, aber auch Motoren- und Getriebeelemente, sowie Kupplungs- und Antriebstechnik rund um den Globus. Schaeffler übernahm 2008 Continental und bürdete sich damit einen riesigen Schuldenberg auf, den das Unternehmen in den nächsten Jahren nur mühsam abstottern konnte. Die Schaeffler-Gruppe hat rund 76.000 Mitarbeiter. Quelle: REUTERS
Platz 5: ThyssenKruppUmsatz 2014: 9,72 Milliarden Euro Der Stahlkonzern aus Essen verdient an der Automobilindustrie mit dem Verkauf von Karosserieteilen, Fahrwerksmodulen, Antriebssträngen, Lenksystemen und Aufhängungen. Im Bild die Achsmontage an einem Smart Fortwo. Insgesamt arbeiten 157.000 Menschen für ThyssenKrupp. Quelle: Presse
Platz 4: MahleUmsatz 2014: 9,98 Milliarden Euro Die Stuttgarter beliefern Autobauer weltweit mit Kolben, Lagern, Ventiltrieben, Filtersystemen, Turboladern und Klimaanlagen. Rund 65.000 Menschen arbeiten für das Traditionsunternehmen, das 1920 gegründet wurde. 2010 fusionierte Mahle mit dem Klimaanlagenbauer Behr und stieg damit damals unter die Top 4 der größten deutschen Automobilzulieferer auf. Quelle: dpa

Mit Linien solchen Typs schlägt die Bosch-Tochter (Umsatz 2013: 5,7 Mrd. Euro, 36.700 Beschäftigte) ein neues Kapitel auf – für sich selbst, die Konzernmutter in Stuttgart, aber auch den Produktionsstandort Deutschland. Denn seit Juli produziert das Unternehmen im Dreischichtbetrieb nach Methoden, über die bisher vielfach nur diskutiert wird – Industrie 4.0. Wo Werkstücke mit den Werkzeugen kommunizieren, lassen sich Rüstzeiten verringern und lässt sich Stillstand minimieren.

Die Industriesparte des größten Automobilzulieferers der Welt steht vor einem „weiteren Produktivitätssprung“, sagt Rexroth-Produktionsexperte Möller, „10 bis 15 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre sind realistisch“. Nun wird möglich, dass deutsche Firmen „Wertschöpfung nicht mehr kurzsichtig in andere Länder verlagern müssen“, sondern „Wertschöpfung zurück ins eigene Land holen können“, sagt Thomas Bauernhansl, Chef des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart.

Nach der Übernahme der Lenksysteme vom Getriebehersteller ZF im baden-württembergischen Friedrichshafen und der anderen Hälfte des Gemeinschaftsunternehmens Bosch Siemens Hausgeräte kommt Bosch Rexroth eine Vorreiterrolle für die rund 260 produzierenden Werke im Mutterkonzern zu.

Was das für die Mitarbeiter bedeutet, lässt sich an der u-förmigen Fertigungslinie in Homburg studieren. Bildschirme liefern Arbeitsanweisungen in der erforderlichen Sprache. Sensoren lassen rote Lämpchen aufleuchten, wenn ein Arbeiter in das Fach mit den falschen Metallfedern greift.

Bosch-Rexroth-Manager Möller ist sicher, dass die Anlage in Homburg erst der Anfang der Vernetzung ist. „Wir werden es noch erleben“, sagt er, „ dass das Ventil dem Landwirt per E-Mail mitteilt, dass es höchste Zeit für einen Ölwechsel ist.“

Concept Laser, Lichtenfels: Visionär

Frank Herzog, Concept Laser Quelle: PR

Seine Zukünftige fand Frank Herzog nicht beim Candle-Light-Dinner, sondern bei technischen Versuchen im Laserfeuer. Schon als Student fachsimpelte er am liebsten mit einer bestimmten Kommilitonin über die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Laser, um mit ihnen aus Metallpulver Werkstücke zu bauen.

Irgendwann funkte es so gewaltig, dass Frank und Kerstin Herzog nicht nur ein Paar wurden. Beide sind auch auf bestem Weg, eine neue Ära in der Metallverarbeitung einzuläuten. Mit ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit und ihrer Firma Concept Laser in Lichtenfels bei Bamberg ist es dem Duo gelungen, Deutschland beim 3D-Druck von Metallwerkstücken an die Spitze zu katapultieren. Concept Laser gehört zur Hofmann Innovation Group, einer Tochter des Spritzguss- und Formenbaubetriebs der Familie von Kerstin Herzog.

So funktioniert 3D-Druck
Das Unternehmen Botspot hat unter der Leitung von Geschäftsführer Thomas Strenger ein ganz besonderes 3D-Konzept entwickelt. In seinem Berliner Laden können Menschen Miniatur-Figuren von sich nachdrucken lassen. Quelle: dpa
Dafür müssen sich die Kunden erst von allen Seiten in der gewünschten Pose mit speziellen Kameras abscannen lassen. Die 3D-Daten werden dann an einen Computer weitergegeben. Quelle: dpa
Am PC werden die Daten dann auf die Größe der gewünschten Figur umgerechnet. Wie auch ein Dokument an einen Drucker gesendet wird, lässt sich die digitale 3D-Karte des Körpers per Mausklick an den Printer schicken. Quelle: dpa
So sehen Modelle der 3D-Drucker aus, die die Figuren aus Gips produzieren. Jeder 3D-Drucker besteht aus einer Schiene, auf der sich der Druckkopf im Rhythmus des digitalen Fahrplans hin und her bewegt. Über den Kopf wird je nach Drucker das entsprechende Material aufgetragen. Quelle: dpa
Eine rote Schutzhülle sorgt bei Botspot dafür, dass keine äußeren Einflüsse auf den empfindlichen Gips einwirken, der vorsichtig Schicht für Schicht nach der Druckvorlage übereinander gelegt werden. Quelle: PR
Am Ende entsteht eine Gipsfigur, die nur noch etwas Farbe benötigt. Doch wie sieht der Druckvorgang unter der Schutzhülle genau aus? Quelle: PR
Gut ist das auf diesem Foto zu erkennen, das einen 3D-Drucker zeigt, der auf der Messe CeBIT in Hannover Plastik-Elemente gedruckt hat. Aus der kleinen rötlichen Spitze fließt das Material, das in hauchdünnen Schichten Stück für Stück aufgetragen wird. Dabei bewegt sich der Druckkopf langsam hin und her und gibt nach der Druckvorgabe vom PC das Material frei. Quelle: dpa

Beim 3-D-Druck dieser Art schmilzt ein Laser aus pulverförmigem Metall Schicht für Schicht feste Körper. Das Verfahren hat den Vorzug, Drehen, Fräsen und Bohren in vielen Fällen überflüssig zu machen. Es gilt als eine Zukunftstechnologie, die nach Meinung des US-Starökonomen Jeremy Rifkin eine neue industrielle Revolution einleitet und die globalen Wertschöpfungsketten neu knüpfen wird. Zudem ist der 3D-Druck eine wichtige Komponente von Industrie 4.0, der digitalisierten Fertigung. Mit einem 3-D-Drucker und den passenden Daten lassen sich etwa Ersatzteile an jedem beliebigen Ort der Welt produzieren. Produktions- und Logistikketten werden überflüssig.

Die Unternehmensberatung Roland Berger sagt dem metallischen 3D-Druck mit Lasern beste Chancen voraus. 2012 lag das weltweite Marktvolumen des 3D-Drucks für metallische Strukturen noch bei 1,7 Milliarden Euro. Binnen zehn Jahren soll es sich vervierfachen. Am meisten profitieren dürften neben Concept Laser weitere deutsche Firmen wie SLM Solutions in Lübeck und EOS in Krailling bei München.

Die Einsatzmöglichkeiten erscheinen grenzenlos. Die Franken fertigen Brenner für Raketen der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa, aber auch individuelle Implantate für Schädeldecken und Wirbelsäulen. Luftfahrtunternehmen, Maschinenbauer und die Automobilindustrie erforschen, wie sich die Produktion komplexer Metallteile mit 3D-Druckern schneller und kostengünstiger gestalten lässt.

Für den Autobauer Daimler hat Concept Laser gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen den weltweit größten 3D-Drucker geschaffen. Der ist so groß, dass er Prototypen von Getriebeteilen aus Aluminium formen kann. Das ist preiswerter als das übliche Druckgussverfahren. „Die Serienfertigung von Bauteilen für die Automobilindustrie ist greifbar nahe“, sagt Visionär Herzog.

Dessen Firma Concept Laser wächst jetzt schon beachtlich. Im ersten Halbjahr hat das Unternehmen 45 Maschinen im Wert von 130.000 bis 1,5 Millionen Euro verkauft – ein Plus von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Das dichte Forschungsnetzwerk, der hoch entwickelte Maschinenbau und die Ingenieur- und Tüftlerkultur tragen dazu bei, dass der metallische 3D-Druck in Deutschland zur Spitzentechnologie heranreift. „Den Wissensvorsprung der etablierten Unternehmen holen Neueinsteiger am Markt sicherlich nicht so schnell auf“, glaubt Herzog. Allerdings beobachtet er auch, dass „die amerikanischen Unternehmen die Technologie schneller anwenden. In Europa ist man zögerlicher. Etwas mehr Mut würde nicht schaden.“

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