Standort Deutschland Wer der deutschen Wirtschaft Dampf macht

Während das politische Berlin die Republik eher verwaltet, wagen sich Unternehmen auf neue Felder, die Wachstum und Arbeitsplätze in den kommenden Jahren versprechen. Die Innovationen sprießen in allen Branchen, der Schwung kommt aus allen Regionen.

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Deutschlands beste Unternehmensberater
So sah der Preis aus, den die Preisträger am Montagabend in Empfang nehmen konnten. Es war die Rückkehr der Platzhirsche: Nachdem die Boston Consulting Group (BCG) im vergangenem Jahr die Spitzenposition an Porsche Consulting verloren hatte, konnte sich das Beratungshaus nun wieder als Gesamtsieger behaupten. Aber nicht nur das – auch in der Kategorie Markenstärke steht das Unternehmen wieder ganz oben auf dem Treppchen. Über den Preis für die beste Wertsteigerung freute sich die Konkurrenz von PwC. Bewertet wurde sowohl der Ruf als auch die Leistung der Berater – und zwar aus Kundensicht. Die beiden Branchenexperten Frank Höselbarth von der auf Unternehmensberatungen spezialisierten People und Brand Agentur und der Frankfurter BWL-Professor Lars Wellejus ermittelten in einem dreiteiligen Verfahren die Markenstärke und die Fähigkeit zur Wertsteigerung. Als Grundlage diente ihnen eine Erhebung, für die 1500 deutsche Unternehmen nach ihrer Meinung zu 40 großen und mittleren Beratungshäusern befragt wurden. Zusätzlich konnten sich die Beratungen auch mit einzelnen Leuchtturmprojekten bewerben, die anschließend von einem Fachbeirat und einer Jury bewertet wurden. Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche
Ein Blick über den Saal im Hyatt-Hotel. Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche
Miriam Meckel, Chefredakteurin der WirtschaftsWoche. Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche
Gewinner Kategorie Wettbewerbsstrategie: Porsche Consulting - Eberhard Weiblen und Manfred Engeser (WirtschaftsWoche) Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche
Gewinner Business Excellence: Martin Scholich (PwC), Manfred Engeser (WirtschaftsWoche) und Frank Höselbarth von der People + Brand Agency
Gewinner Kategorie IT-Management - it-economics: Karoline Rohweder (Kunde/E.ON), Torsten Klein (it-economics), Hardi Probst, Bernhard Kern, Dominik Haug, Matthias Merz (E.ON), Julian Lipinksi (E.ON), Stefan Sonderfeld (E.ON Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche
Gewinner Kategorie IT-Management - Torsten Klein (it-economics) Quelle: Robert Poorten für WirtschaftsWoche

Der Start 2015 wird diffus. Der schwächelnde Euro, dazu der tiefe Ölpreis und niedrige Zinsen, für Unternehmen wirkt das wie ein gigantisches Konjunkturprogramm – Paradies ante Portas. Gleichzeitig aber locken die USA mit niedrigen Strom-, Öl- und Gaspreisen, ist die Energiewende hierzulande offen, bringen Konflikte deutsche Unternehmen um Absatzmärkte, erst Iran und Irak, dann Russland – politische Hilfe: Fehlanzeige.

Umso wichtiger wird da, wohin der Produktionsstandort Deutschland, unabhängig von solchen Einflüssen, tendiert. Die Antwort stimmt optimistisch. Denn im Maschinenraum der deutschen Wirtschaft, im verarbeitenden Gewerbe, tut sich etwas.

Stufen der industriellen Entwicklung

So dürfte die Digitalisierung der Fertigung, kurz: Industrie 4.0, in den kommenden zehn Jahren die Kosten in wichtigen Branchen deutlich reduzieren. Das sichert vorhandene und schafft rund 390.000 neue Jobs, prognostiziert die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) in einer unveröffentlichten Studie.

„Die Schätzung ist eher konservativ“, sagt BCG-Partner Michael Rüssmann. Wie viele neue Jobs es durch mehr Umsatz gebe, weil Produkte individueller auf Konsumenten zugeschnitten oder vielseitiger werden könnten, werde tendenziell unterschätzt.

Zum anderen haben viele Unternehmen gerade erst begonnen, die Produktion zu modularisieren, das heißt: die Komponenten gleichzuschalten und Varianten auf wenige Grundtypen zurückzuführen. Damit lasse sich der Output pro Mitarbeiter um 15 bis 20 Prozent erhöhen, das Investitionsvolumen um bis zu einem Drittel reduzieren und die Durchlaufzeit in der Fabrik halbieren. Zu diesem Ergebnis kommt der Münchner Betriebswirtschaftsprofessor Horst Wildemann nach der Auswertung von 18 Firmenprojekten.

Die Industrie 4.0 soll neue Arbeitsplätze schaffen

Für Betriebe, die alle organisatorischen Rationalisierungsmaßnahmen durchgezogen hätten, sei dies nun „der größte Hebel, um den Industriestandort Deutschland zu sichern“.

Wie groß die Aufbruchstimmung ist, zeigt eine Reise von der Waterkant bis zum Alpenrand.

Marc O'Polo, Stephanskirchen: Perfektionist

Werner Böck, Marc O'Polo Quelle: LAIF/Hans-Bernhard Huber

Werner Böck bleibt sich treu. Der Eigentümer des Modelabels Marc O’Polo im oberbayrischen Stephanskirchen macht noch immer in Bekleidung – wie einst im elterlichen Herrenausstattungsgeschäft in Rosenheim oder in seiner Lehrzeit während der Swinging Sixties beim Modedesigner John Stephen in Londons Carnaby Street.

Und weil Böck, inzwischen Aufsichtsratschef von Marc O’Polo, an seinem Metier hängt, verpasst er seinem Unternehmen eine tief greifende Modernisierung. Böck („Ich bin ein ziemlicher Perfektionist“) lässt das Geschäft gerade wie kaum ein anderer in der Branche auf Effizienz trimmen. Herauskommen soll die totale Digitalisierung von der Herstellung bis zum Verkauf mithilfe von RFID.

Das Kürzel steht für Radio Frequenz Identifikation und beschreibt die Erkennung von Artikeln durch winzige Chips, die an Waren angebracht werden und ihre Informationen nach Bestrahlung durch elektromagnetische Wellen preisgeben. „Wir verbessern die Effizienz unserer Prozesse“, sagt Jana Hildenbrand, bei Marc O’Polo für die Unterstützung des Vertriebs zuständig. „Damit hat das Verkaufspersonal mehr Zeit für die Beratung, unsere Kunden sind zufriedener, und das Unternehmen kann mit höherem Umsatz rechnen.“

Was auf den ersten Blick spröde klingt, katapultiert das Unternehmen mit rund 1900 Beschäftigten in Wirklichkeit in ein neues Zeitalter. Denn mit RFID legt die Zentrale in Stephanskirchen praktisch alle Marc-O’Polo-Klamotten digital an die Kette, egal, ob Blusen, Blazer oder Schuhe.

Haben die Designer von Marc O’Polo ein Bekleidungsstück entworfen, die Näher ein Muster erstellt und die Einkäufer den Auftrag zur Produktion erteilt, werden Etiketten gedruckt, die später im Laden an den Klamotten hängen. Diese sind nicht nur beschriftet. Sie enthalten zugleich RFID-Chips und diese wiederum eine eigene Nummer für jeden einzelnen Artikel. Die Pappschildchen mit digitalem Inhalt gehen dann nach Portugal, Italien, Indien, Vietnam oder in die Türkei, je nachdem wo die Kleidungsstücke für das Modelabel produziert werden.

Von dem Moment an, in dem ein Mitarbeiter der Nähfabrik das Etikett an der fertigen Ware anbringt, haben die Oberbayern die volle Kontrolle über jedes Stück. Ob beim Wareneingang im Auslieferungslager, beim Sortieren der Teile für den einzelnen Laden oder unmittelbar vor dem Versand der Pakete an den Store – RFID-Chips liefern jeweils die Information, ob die Sendung wirklich mit dem übereinstimmt, was auf dem Lieferschein steht.

Früher blieb den Marc-O’Polo-Mitarbeitern im Wareneingang nur, Stichproben zu ziehen und dazu mühselig Kartons zu öffnen. „Den Rest haben wir geglaubt“, sagt Managerin Hildenbrand. Heute erkennt ein Lesegerät durch den geschlossenen Karton hindurch in Bruchteilen von Sekunden die Zahl der Teile.

Mindestens so groß ist der Erkenntnis- und Zeitgewinn in den Marc-O’Polo-eigenen Läden. Schafft ein Mitarbeiter etwa Ware vom Lager- in den Verkaufsraum, muss er nicht mehr jedes Etikett einscannen und im IT-System umbuchen. Am Schluss der Kette muss an der Kasse kein Produkt mehr von Hand gescannt oder entsichert werden. Stattdessen liest eine Antenne unter dem Kassentresen die Informationen aus dem Chip aus.

Unterm Strich erhofft sich Marc O’Polo allein durch die jüngste technologische Aufrüstung rund drei Prozent mehr Umsatz, etwa dreimal so viel wie die Wachstumsrate der deutschen Bekleidungs- und Textilienbranche 2013.

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