Stellenabbau bei Siemens Joe Kaeser in der Kritik

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Kürzungen könnten moderater ausfallen


IG-Metall-Hauptkassierer Jürgen Kerner hatte im Gespräch mit dem Handelsblatt kritisiert, die Kürzungen würden auch in anderen Bereichen das Vertrauen in die Führung unterminieren. „Wenn die Sozialpartnerschaft hier nicht mehr hält, wachsen auch in anderen Sparten wie der Bahntechnik die Sorgen, dass Zusagen nicht eingehalten werden“. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung drohte er sogar mit Streiks:  „Sollte der Vorstand bei seinen Plänen bleiben, werden wir mit den uns als Gewerkschaft zur Verfügung stehenden Mitteln weitermachen", sagte er. „Dann schließen wir auch einen Arbeitskampf, also Streiks, als letztes Mittel nicht aus.“

Was die IG-Metall besonders pikiert: Obwohl die Ergebnisse zurückgehen, erzielte Siemens in seiner Kraftwerkssparte zuletzt noch immer eine Umsatzrendite von gut acht Prozent. Gewinne und trotzdem Arbeitsplatzabbau – diese Konstellation birgt Zündstoff. Am Mittwoch und Donnerstag dürfte es deswegen wieder heiß hergehen. Da treffen sich die Betriebsräte von Siemens zu Ihrer alljährlichen Versammlung in Berlin. Etwa 600 Arbeitnehmervertreter werden erwartet. Am Donnerstag stößt auch Siemens-Personalchefin Janina Kugel dazu und wird die Kürzungspläne verteidigen müssen.

Normalerweise stehen bei der Veranstaltung Themen wie der Sozialbericht im Mittelpunkt. Doch diesmal wird der Stellenabbau in der Kraftwerkssparte das alles dominierende Thema sein. „Das wird ziemlich lebendig werden“, heißt es im Umfeld der Teilnehmer. Zudem ist am Rande der Betriebsräte-Versammlung eine Kundgebung geplant. Die IG-Metall rechnet mit etwa 2.500 Teilnehmern.

Siemens will mit den Arbeitnehmern so schnell wie möglich in Verhandlungen über die Einschnitte eintreten. Doch die haben keine Eile. Es gebe derzeit nicht einmal eine Verhandlungsbasis, heißt es bei der IG-Metall. Grundlage dafür wäre, dass das Siemens Management die Radikalität der angekündigten Maßnahmen abmildert, also auf die Schließung von ganzen Standorten und betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Schließlich hatte Siemens 2010 eigentlich eine unbefristete Standort- und Beschäftigungsgarantie ausgesprochen. Der Konzern will nun aber Ausnahmeregelungen nutzen.

„Mehrere Standorte zu schließen und betriebsbedingte Kündigungen in den Raum zu stellen, ist indiskutabel“, erklärte Hagen Reimer von der IG-Metall. Und weiter: „Herr Kaeser muss das Thema nun zur Chefsache machen und auf uns zugehen.“ Doch der Siemens-Chef überlässt die Verkündung von schlechten Nachrichten und die zähen Verhandlungen mit den Arbeitnehmern vorerst Personalchefin Kugel.

In Branchenkreisen hält man es für möglich, dass die Kürzungen nach den Detailverhandlungen etwas moderater ausfallen könnten, als bislang verkündet. Das war in vergleichbaren Fällen meist der Fall. Womöglich wird sich dann auch noch Kaeser direkt in die Verhandlungen einschalten.

Wie groß die Unruhe bei Siemens derzeit ist, zeigt sich gut an Standorten, die gar nicht direkt von den Kürzungsplänen betroffen sind. Bei einer Betriebsversammlung in der Niederlassung München zeigten die Beschäftigten dem Vorstand zuletzt symbolisch die rote Karte. Man habe den Eindruck, dass Siemens vor allem in den USA zukaufe und investiere während in der Heimat Arbeitsplatz um Arbeitsplatz abgebaut werde, klagte der Betriebsratsvorsitzende Günter Prietz. „Man hat das Gefühl, der Vorstand hat sich den Spruch von US-Präsident Trump zu eigen gemacht ‚America first‘.“

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