Strabag-Vorstand im Interview „Unerträglich, wie lange das dauert in Deutschland“

Brückenbau des österreichischen Baukonzerns Strabag Quelle: imago images

Strabag-Vorstand Jörg Rösler fordert, öffentliche Bauprojekte künftig im Ganzen auszuschreiben. Die bisherige Praxis, Aufträge für einzelne Gewerke getrennt zu vergeben, bremse die Sanierung der maroden Infrastruktur.

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Diese Woche ist wichtig für den Baukonzern Strabag. Das Unternehmen gibt in den nächsten Tagen die vorläufigen Zahlen für 2022 bekannt, am 15. Februar beginnt die Verhandlung über die Anfechtungsklage des zypriotischen Strabag-Aktionärs Rasperia. Der Anteilseigner, der 27,8 Prozent an dem Unternehmen hält, gehört zum Imperium des russischen Oligarchen Oleg Deripaska. Rasperia will vor dem Landesgericht Klagenfurt die Abberufung eines von Rasperia entsendeten Aufsichtsrats durch die außerordentliche Strabag-Hauptversammlung vom Mai vergangenen Jahres für nichtig erklären lassen. Strabag-Vorstand Jörg Rösler spricht im Interview darüber – und über die politischen Rahmenbedingungen für den Baukonzern.

WirtschaftsWoche: Herr Rösler, wie wichtig ist es für die Strabag, im Streit mit Rasperia und letztlich Deripaska zu gewinnen?
Rösler: Die 2022 erfolgten Schritte sind Konsequenzen der Sanktionen von EU, Großbritannien und Kanada gegen Herrn Deripaska. Für das Verfahren sehen wir uns gut gerüstet. Wichtig ist, dass die Strabag keinen Schaden nimmt. Aber Aktienpakete kann man nicht aufkündigen.

Strabag geht demonstrativ auf größtmögliche Distanz zum drittgrößten Anteilseigner. Und wie steht es um das Engagement im russischen Markt?
Wir sind dabei, uns vom russischen Markt zu verabschieden. Es geht dort um knapp 500 Mitarbeiter.

Das ist vergleichsweise wenig angesichts von 73.000 Mitarbeitern insgesamt. Als Deripaska 2007 bei der Strabag einstieg, prognostizierte Altaktionär Hans Peter Haselsteiner: „Das ist unser Türöffner nach Russland.“
So ist es aber nicht gekommen. Der Umfang des Geschäfts blieb im kleinen Rahmen. Seit dem vergangenen Jahr nehmen wir dort keine neuen Aufträge mehr an. Aber weder die Rasperia-Klage noch der russische Markt gehören zu meinen Zuständigkeiten bei der Strabag.

Strabag-Vorstand Jörg Rösler Quelle: Stefan Gergely

Obwohl Ihr Wirkungsradius ja enorm gewachsen ist vor wenigen Wochen. Sie sind von der deutschen Strabag-Tochter in Köln in die Zentrale nach Wien gewechselt und verantworten dort seit Anfang des Jahres die Geschäfte in Deutschland, Benelux, Skandinavien und der Schweiz. Das ist ziemlich genau die Hälfte der Konzernleistung. Wie schwierig wird diese Mission für Sie? Der deutsche Markt ist der wichtigste für die Strabag, und da stehen alle Signale akut auf Krise – etwa im Wohnungsbau.
Der Wohnungsbau in Deutschland ist stark zurückgegangen. Das politische Ziel der Fertigstellung von 400.000 Wohnungen ist 2023 und auch 2024 nicht zu schaffen. Aber unser Unternehmen betrifft das nur in kleinem Umfang, bei unserer Tochter Züblin in Stuttgart. Dort rechnen wir im Segment Wohnungsneubau, der aber nur rund ein Fünftel der Züblin-Jahresleistung von über vier Milliarden Euro ausmacht, in diesem Jahr inflationsbereinigt zwar mit einem Rückgang der Leistung von 15 bis 20 Prozent. Andere Züblin-Bereiche wie der Ingenieurbau oder Wirtschaftsbau können das voraussichtlich gut ausgleichen.

Wie kann der Wohnungsbau in Deutschland wieder auf Touren kommen?
Die Vorschläge der Bauindustrie und der Wohnungswirtschaft liegen auf dem Tisch – man muss sie jetzt umsetzen. Sechs bis sieben Jahre darf es künftig einfach nicht mehr dauern, einen Bebauungsplan zu entwickeln. Bezahlbaren Wohnraum fast ohne öffentliche Förderung zu bauen ist nicht möglich. Mit der Einführung von Mietpreisdeckeln bremsen zudem manche Städte die Investitionsbereitschaft. Und nicht nur Umweltstandards und Materialmangel treiben die Preise, auch die baurechtlichen und gesetzlichen Vorschriften werden immer komplexer. Ein Fahrstuhlschacht, der heute doppelwandig sein muss, kostet eben auch deutlich mehr.
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Wichtig für die Strabag ist der Straßenbau und sind damit öffentliche Aufträge. Wie abhängig ist die Strabag davon?
Im Konzern kommen insgesamt rund 63 Prozent der Aufträge von der öffentlichen Hand, im Segment Verkehrswegebau Deutschland rund 70 Prozent. Wir hatten bei der Strabag aber nie eine Monokultur, sondern sind sehr diversifiziert in allen Geschäftsfeldern tätig, nicht nur im Straßenbau. Das macht uns äußerst resilient, wie man an unserer stabilen Geschäftsentwicklung seit Jahren sehen kann. Zudem sind wir hierzulande sehr dezentral unterwegs: Unsere über 14.000 Mitarbeiter im Verkehrswegebau Deutschland arbeiten für 200 Niederlassungen. Auch Kleinstaufträge von 5000 Euro gehören dort durchaus zum Tagesgeschäft.

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