Streit um die Bierflasche Sind acht Cent Pfand zu wenig?

Bald 25 Cent Pfand? Getränkemarken wie Fritz Kola oder Spezi wollen den Pfand auf Mehrweg-Glasflaschen erhöhen. Quelle: imago images/Emmanuele Contini

Die Glaspreise sind explodiert, zu wenig Mehrwegflaschen werden zurückgebracht. Erste Brauereien und Getränkehersteller fordern: Der Pfandbetrag muss hoch. Doch das könnte einige Unternehmen finanziell ruinieren.

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Die Brauerei Riegele hat schon entschieden: Das Pfand soll hoch. Die Augsburger Brauerei, die auch die Limo-Mischung Spezi verkauft, will das Pfand auf eine Glasflasche auf 25 Cent erhöhen. Der Kasten mit Bier soll künftig fünf Euro Pfand haben, der Kasten Spezi sogar 10 Euro, sagte Brauereichef Sebastian Priller-Riegele der „Augsburger Allgemeinen“.

Ist das Pfand auf Mehrweg-Glasflaschen zu günstig?

Der Spezi-Hersteller ist nicht allein mit dieser Auffassung. „Ein höherer Pfandpreis sowohl auf Flaschen als auch auf Kisten ist unbedingt notwendig“, sagt Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer des Verbands Private Brauereien Bayern.

Unterstützung bekommen die Bayern aus dem Norden: Der Hamburger Getränkehersteller Fritz-Kola nimmt „Anlauf für den nächsten großen Schritt: Die Erhöhung des Pfands auf Glas-Mehrwegflaschen auf 25 Cent“, teilt das Unternehmen mit. „Die Glasmehrwegflaschen stehen immer häufiger sehr lange neben den Mülleimern“, sagt Fritz-Chef Mirko Wiegand. Nicht einmal für die Pfandsammler lohne es sich, die acht Cent einzusammeln. „Doch das Mehrwegsystem braucht die Flaschen zurück.“ Der Weg sei alternativlos, verkündete der Fritz-Chef in der „Lebensmittel Zeitung“. Und notfalls wolle Fritz die Pfanderhöhung auch „mit der Brechstange“ durchsetzen.

Veltins ist gegen die Pfanderhöhung

Um die Bierflasche ist damit ein Streit entbrannt. Denn nicht alle Getränkehersteller sehen es so wie Fritz und Riegele. Vor allem Großbrauereien wie Veltins stellen sich gegen die Forderungen. Viele scheuen den Aufwand einer Pfanderhöhung, und mehr noch, die Kosten. Wie genau die Umstellung ablaufen könnte, ist unklar. In der Vergangenheit sind deshalb viele Vorstöße, den Pfandbetrag zu erhöhen, schnell gescheitert. Diesmal könnte das anders sein – denn die Situation hat sich gravierend geändert.

Die Glasflaschen gehören zu einem offenen Mehrwegsystem. Jeder kann die gebrauchten Flaschen kaufen, spülen und Getränke darin abfüllen. Rund 50 Mal lassen sich die Glasflaschen wieder befüllen, sie gelten damit als extrem umweltfreundliche Getränkeverpackungen. Das Pfand soll den Verbrauchern einen Anreiz geben, ihr Leergut auch regelmäßig in den Handel zurückzubringen. Es gibt kein Gesetz, dass die Höhe des Pfandes festlegt, das System ist historisch gewachsen. Für einen Mehrweg-Kasten werden meist 1,50 Euro Pfand erhoben. Für die Glasflaschen lag der Pfandbetrag schon zu D-Mark-Zeiten bei 16 Pfennig, in Euro also acht Cent. Seit Jahrzehnten hat sich das nicht geändert. Wohl aber die Umstände beim Getränketransport: Die Rohstoffe, die Logistik, die Verpackungen, alles ist teurer geworden. Und ganz besonders gilt das für die Glasflaschen.

Viele Glashütten befinden sich in der Ukraine, hinzu kommen noch die hohen Energiekosten. Mussten die Brauereien und Getränkehersteller vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine nur 15 Cent für eine neue Mehrwegflasche bezahlen, sind es heute bereits über 30 Cent. „Die Schere zwischen Pfandpreis und Neubeschaffungswert geht durch gestiegen Energiekosten immer weiter auseinander. Wenn nun das Leergut nicht zurückgebracht wird, müssen Brauereien neue Flaschen zukaufen und bleiben folglich auf diesem Fehlbetrag sitzen“, sagt Lang von den Privaten Brauereien Bayern. „Wir verlieren bis zu 24 Cent an einer Flasche“, klagt Sebastian Priller-Riegele.

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von Jacqueline Goebel

Die Branche leidet darunter, dass vor allem im Sommer nicht genug Leergut verfügbar ist. Regelmäßig fordern die Brauereien und Getränkehersteller ihre Kunden dazu auf, leere Bierflaschen und Kästen wiederzubringen. Auch dieses Jahr stehe der Branche bei der Versorgung mit Flaschen „ein absoluter Härtetest bevor“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds. Wegen der hohen Glaspreise seien einige Brauereien schon gar nicht mehr in der Lage, neues Leergut einzukaufen. Andere bekämen einfach nicht die benötigten Mengen.

Aber er argumentiert auch: „Wenn sich das Pfand auf Mehrwegflaschen auf 25 Cent erhöht, dann würde das einen neuen Mindestpreis für die Glasflasche setzen.“ Selbst wenn sich die Situation in den Glashütten wieder entspanne, würden die Glasflaschen teuer bleiben.

„Lösung für die gesamte Getränkebranche“ wird gesucht

Ein noch größerer Streitpunkt ist die Frage, wie die Pfandumstellung genau ablaufen soll. Zwar könnten die Getränkehersteller eigentlich ihre Pfandbeträge frei bestimmen. Aber Alleingänge gelten als wenig erfolgsversprechend.

Der Mineralwasserbrunnen Rhodius hatte 2019 ebenso eine Pfanderhöhung angekündigt und war dann unter dem Protest des Handels wieder zurückgerudert. Denn die Händler hätten die Pfandautomaten in den Filialen umrüsten müssen. „Nur eine Lösung für die gesamte Getränkebranche“ könne zielführend sein, heißt es deshalb von der Großbrauerei Krombacher. Das wäre zum Beispiel machbar, wenn sich die Branche entscheiden würde, das Pfand gemeinsam zu einem Stichtag anzuheben. Ab diesem Tag würden dann 25 Cent statt 8 Cent für eine Flasche an den Pfandautomaten ausgezahlt werden.

Nur stellt sich die Frage: Wer zahlt die Differenz von 17 Cent pro Flasche? Die meisten Flaschen stehen nicht bei den Brauereien auf dem Hof herum, sondern befinden sich im Handel und bei den Verbrauchern im Keller oder in der Garage – die sie für acht Cent gekauft haben, sagt Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei Veltins. „Im Klartext stehen bei einer Stichtagslösung für die Brauwirtschaft Pfandbeträge in dreistelliger Millionenhöhe im Feuer, weil dann zurückkehrende Mehrwegkästen von Brauereien zu neuen Pfandsätzen vergütet werden müssen“, schimpft er. Holger Eichele vom Brauer-Bund warnt: „Die Brauereien müssten dafür ihre Pfandrückstellungen erhöhen.“ Kleinere Brauereien könnten sich dadurch bilanziell überschulden. „Das würden viele kleinere Betriebe, die angeschlagen aus der Corona-Krise kommen, gar nicht überstehen.“

Andere Lösungen sind kaum praktikabel. Die meisten Flaschen haben keine spezielle Kennzeichnung, es lässt sich also nicht nachverfolgen, wann sie mit welchem Pfand verkauft wurden. Alle Flaschen auszutauschen wäre nicht nachhaltig – die Flaschen und Kästen sind manchmal über ein Jahrzehnt im Einsatz.

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Der Brauer-Bund hat deshalb bereits eine Umfrage in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie Verbraucher auf eine Pfanderhöhung reagieren würden. Bislang kaufen drei Viertel der Deutschen Getränke in Mehrwegflaschen. 47 Prozent der Verbraucher geben an, dass sie Flaschen und Kästen bereits innerhalb einer Woche wieder zum Händler zurückgeben. Weitere 47 Prozent geben nach eigenen Angaben ihr Leergut immerhin innerhalb eines Monats zurück. Doch nur 22 Prozent der Befragten erklärten, dass ein höherer Pfand für sie ein Anreiz sein könnte, das Leergut schneller zurückzubringen. Eicheles Fazit: „Manche, die jetzt nach einer sofortigen Erhöhung des Pfandbetrags rufen, verbinden damit Erwartungen, die sich nicht erfüllen lassen.“

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