




Der Mann, der Deutschlands Vorzeigekonzern Bayer eine empfindliche Niederlage beigebracht hat, wirkt nervös. Ständig tippt Rajeev Nannapaneni auf seinem Blackberry herum oder nestelt an seiner Kleidung. Der hibbelige 35-jährige Chef des kleinen, unscheinbaren Medikamentenherstellers Natco aus dem indischen Hyderabad kokettiert gerne damit, dass er es früher noch nicht mal auf die Reihe bekam, Basketball zu spielen – so unkoordiniert waren seine Bewegungen.
Gegen Bayer ist dem Zappelphilipp allerdings ein großer Wurf gelungen. Nannapaneni setzte im März bei der indischen Patentbehörde durch, dass Natco künftig das Bayer-Nierenkrebsmittel Nexavar auch produzieren und auf den indischen Markt bringen darf – obwohl die Leverkusener über ein gültiges Patent verfügen, das sie noch für acht Jahre vor Konkurrenz schützt.
Ohne je einen Cent in die Forschung investiert zu haben, verdient Nannapaneni nun an dem Bestseller mit – weltweit brachte es Nexavar 2011 auf 725 Millionen Euro Umsatz. Viele Patentjuristen sehen die Teilenteignung von Bayer zumindest in der Nähe eines Rechtsbruchs. Gerade mal sechs Prozent seiner Nexavar-Einnahmen zahlt Natco an die Deutschen als Lizenzgebühr.
170 Dollar im Monat statt 5500
Doch Nannapaneni plagt kein schlechtes Gewissen. Es ficht ihn nicht an, dass die Entscheidung gegen Bayer möglicherweise gegen ein internationales Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums verstößt. Der Ökonom und Historiker verweist lieber darauf, dass er Nexavar in einer völlig anderen Preisklasse anbietet als Bayer: Umgerechnet etwa 170 Dollar verlangt Natco für eine Monatsration, Bayer will 5500 Dollar. Kaum ein Inder könne sich ein so teures Mittel leisten, befand Indiens Patentbehörde und pocht darauf, dass ein Hersteller seine Arznei breiten Kreisen der Bevölkerung zugänglich machen muss.
Der Druck, den die Behörde damit entfaltet, zeigt Wirkung. Als erster Konzernboss sprach sich Andrew Witty von GlaxoSmithKline im Frühjahr gegen die Hochpreispolitik der westlichen Pharmakonzerne in Schwellenländern aus. Natürlich müssten Innovationen vernünftig belohnt werden, sagte Witty. Das heiße aber nicht, dass ein Hersteller deswegen automatisch höhere Preise verlangen dürfe. Bislang wurden dem britischen Pharmariesen, der zwei Prozent seines Umsatzes in Indien erwirtschaftet und gerade weitere Großinvestitionen ankündigte, dort weder Patente aberkannt, noch wurde er zur Abgabe von Lizenzen gezwungen.