Kartellamtschef Mundt erklärt zur Causa Tönnies schmallippig: „Der Vorgang ist uns bekannt.“ Er werde „sehr sorgfältig prüfen, ob die Unternehmen tatsächlich auf diesem Wege ihre Zahlungspflicht umgehen können“. Offensichtlich habe der Gesetzgeber 2013 aber nur „einige Schlupflöcher zur Umgehung von Bußgeldern beseitigt“.
Der düpierte Wettbewerbshüter muss eine Lawine neuer Fälle fürchten. „Wenn das Vorgehen von Böklunder und Könecke erfolgreich ist, wird das in die Beratungspraxis einziehen“, sagt Taylor-Wessing-Jurist Wissel. Schon jetzt, so Maaß und Scheffler von Heisse Kursawe, „sind Anwälte im Interesse ihres Mandanten verpflichtet, ihm bei einem Kartellfall die Chancen einer Umstrukturierung aufzuzeigen“.
Mundt fordert bereits Unterstützung aus Berlin. Die Regelungslücken müssten „dringend geschlossen werden“.
Abhilfe schaffen für die Zukunft würde eine Angleichung des deutschen ans europäische Kartellrecht. Denn für die EU-Kommission, die internationale Kartelle verfolgt, gilt der Grundsatz der wirtschaftlichen Einheit und der gesamtschuldnerischen Haftung im Konzern. Die Muttergesellschaft ist Maßstab für die Bemessung des Bußgeldes und haftet für die Zahlung.
Fall Tönnies wird zum Pyrrhus-Sieg
Der Bundesrat hatte das 2013 gefordert. Der Bundestag verwies das Kartellamt stattdessen aber auf die Möglichkeit, „Vermögensverschiebungen durch dinglichen Arrest“ zu vermeiden. Das funktioniert allerdings nicht. Einen dafür notwendigen frühzeitigen Hinweis, dass eine Abspaltung geplant ist, wird Mundt niemand geben. Sobald aber die Abspaltung realisiert ist, ist es zu spät für die Sicherungsmaßnahme.
Mundts Hoffnung: Ein Jahr nach dem Inkrafttreten der achten GWB-Novelle Mitte 2013 wollte der Bundestag deren Anwendung überprüfen und entscheiden, ob „gesetzlicher Nachbesserungsbedarf besteht“. Das dürfte das Kartellamt nun mit halbjähriger Verspätung einfordern.
Möglich also, dass der Fall Tönnies zum Pyrrhus-Sieg für die deutsche Wirtschaft wird. Schwenkt Berlin wegen Mundts drohender Niederlage im Wurstkartell auf EU-Kartellrecht um, sinkt der Flucht-Spielraum für künftige Kartellanten auf null.
Tönnies selbst ist vermutlich fein raus. Allerdings kann er sich mit dem Firmen-Umbau nur Bußgeldern, nicht aber zivilrechtlichen Ansprüchen entziehen. Denn gegenüber den Gläubigern einer ab- oder aufgespaltenen Gesellschaft haften alle an dem Vorgang beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner. Falls die Wurstkartellopfer – Aldi und Co. – also Schadensersatz fordern, müssen die neuen Böklunder- und Könecke-Gesellschaften, verhandeln. Und zahlen.