Takata Skandal um tödliche Airbags trifft Malaysia hart

Fehlerhafte Airbags des Herstellers Takata haben weltweit mindestens 15 Autofahrern das Leben gekostet. Malaysia ist besonders betroffen. Angehörige der Opfer machen auch die nationalen Behörden dafür verantwortlich.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
In Malaysia wurden die Airbags teilweise kostenlos ausgetauscht. Quelle: AP

Kuala Lumpur Eigentlich war es ein harmloser Unfall. Das Auto rammte einen Laternenpfahl und rutschte in einen Graben. Doch auf dem Fahrersitz sank Nida Fatin Mat Asis trotzdem sofort leblos in sich zusammen, aus Mund und Nase heftig blutend. Ihr Ehemann, wie Nida Mediziner, war nicht nur schockiert, sondern zugleich ratlos. Denn er selbst war kaum verletzt, das gemeinsame Baby hatte keinen Kratzer abbekommen.

Erst der Obduktionsbericht sollte Aufklärung bringen: Im Schädel der jungen Malaysierin steckte ein kleines Metallteil, das nachweislich vom Airbag des Fahrzeugs stammte. Wie eine Gewehrkugel war es offenbar durch ihren Mund geschossen und hatte ihr Gehirn zertrümmert. Und Nida ist nicht die einzige. Allein in Malaysia werden vier weitere tödliche Unfälle auf einen Produktionsfehler des japanischen Herstellers Takata zurückgeführt. Hinzu kommen elf Todesfälle in den USA.

Die derzeit laufende Rückrufaktion - eine der größten der Automobilgeschichte - betrifft auch andere Länder. Aber nach bisherigen Erkenntnissen sind nur in den USA und in Malaysia Menschen wegen des Problems ums Leben gekommen. Warum das asiatische Land überproportional betroffen ist, lässt sich nicht sicher sagen. Die Familien der Betroffenen sehen den Grund unter anderem in schwammigen gesetzlichen Regelungen und im mangelhaften Krisenmanagement des in Malaysia führenden Autounternehmens Honda.

Den Vorwürfen zufolge informierte Honda seine Kunden nicht rechtzeitig über das Problem und sorgte nicht schnell genug für Ersatzteile oder andere Lösungen. Dabei ereigneten sich die tödlichen Airbag-Unfälle allesamt in Kleinwagen des Modells „Honda City“. Vermutlich sorgten Defekte in den Gasgeneratoren der Luftkissen dafür, dass Metallsplitter herausgeschleudert wurden. Experten vermuten, dass das feucht-heiße Klima in Malaysia diese Explosionen begünstigt haben könnte - wenngleich es im ähnlich tropischen Nachbarland Thailand bisher keine tödlichen Fälle dieser Art gegeben hat.

Im Schädel der 29-jährigen Nida steckte laut Obduktionsbericht eine zerbrochene Komponente der Aufblasvorrichtung - Durchmesser: 2,6 Zentimeter, Länge: 2 Zentimeter. Die meisten Zähne der Frau seien zerschmettert gewesen, die Nase gebrochen. Die Verletzungen des Gehirns hätten wahrscheinlich zum sofortigen Tod geführt, hieß es.


Wie scharfe Munition im Auto

Laut Ehemann Abdullah Shamshir Abdul Mokti hatten er und seine Frau keine Nachricht darüber erhalten, dass mit dem gebraucht gekauften Wagen etwas nicht in Ordnung gewesen sei. „Als Moslem habe ich ihren Tod als Schicksal akzeptiert. Aber gleichzeitig bin ich der Meinung, dass sie ein Opfer von fahrlässiger Tötung durch multinationale Konzerne ist“, sagt Shamshir. „Ich mache Honda und Takata dafür verantwortlich. Dies ist kein Einzelfall. Wir haben fünf Todesfälle in Malaysia, fünf in hohem Maße vermeidbare Todesfälle.“

Beim ersten Unfall dieser Art in dem asiatischen Land wurden im Juli 2014 eine schwangere Frau und ihr ungeborenes Kind getötet. Am 14. April dieses Jahres traf es die junge Ärztin Nida. In den folgenden Monaten kamen drei weitere Personen ums Leben, die letzte am 24. September.

Norazlin Haron starb am 26. Juni bei einem an sich ebenfalls eher harmlosen Unfall in einem Vorort der Hauptstadt Kuala Lumpur. Nach Angaben ihrer Schwester Nor'ain Haron hatte sie wegen der Rückrufaktion wenige Wochen zuvor versucht, den Airbag austauschen zu lassen. Ihr sei jedoch gesagt worden, sie solle im Juli wieder kommen, wenn die erforderlichen Teile wieder verfügbar wären. Nach dem Unfall sei im Wagen ihrer Schwester ein zerbrochener Gasgenerator gefunden worden, der vermutlich ihren Brustkorb und ihre Lungen durchstochen habe, sagt Nor'ain.

„Es ist so, als hätte man scharfe Munition im Auto“, sagt Norazlins Schwägerin Roslinya Latip. „Honda tut nicht genug. Man bekommt einen als „dringend“ gekennzeichneten Brief, aber dann gibt es keine Ersatzteile und keinen Plan B. Was soll das?“ In einem ersten Schreiben des Unternehmens waren die Kunden zu einem „Produkt-Update“ „eingeladen“ worden. In späteren Hinweisen mit dem Stempel „dringend“ wurden die Autobesitzer über „Maßnahmen zum Austausch von Airbags“ informiert - allerdings ohne Erklärungen zur Rückrufaktion oder den möglichen Gefahren.

Malaysische Verbraucherschützer sehen hier aber auch die Behörden in der Pflicht. - Dass es zu den fünf Todesfällen kommen konnte, liegt der Malaysian Association of Standard Users zufolge auch an den laxen Gesetzen des Landes zur Verkehrssicherheit. Die Organisation fordert daher eine neue staatliche Stelle ähnlich der Straßenverkehrssicherheitsbehörde in den USA sowie ein klares Haftungsrecht zum Schutz der Autobesitzer.

Nach Angaben der malaysischen Honda-Niederlassung sind inzwischen etwa 60 Prozent der fehlerhaften Airbags ausgetauscht. Die Familien von Nida und Norazlin verhandeln derzeit mit dem Unternehmen über Ausgleichszahlungen.

Das tut auch Rabiah Ibrahim, die knapp mit dem Leben davonkam. - Bei einem kleineren Unfall am 3. Mai wurde sie von einem herausschießenden Teil des Airbag-Mechanismus am Hals getroffen. Auch sie habe nichts über eine Rückrufaktion für ihren 2010 gebraucht gekauften Wagen gewusst, sagt sie. „Ich bin dankbar, dass ich eine zweite Chance im Leben bekommen habe, aber Honda sollte zur Verantwortung gezogen werden.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%