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Technologiekonzern Siemens präsentiert alarmierende Zahlen

Die globale Wirtschaftskrise macht dem Technologiekonzern Siemens schwer zu schaffen. Besonders bedenklich: Auch in Schwellenländern wie China schwächelt der Konzern – und das recht deutlich.

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Eine Wand aus Waschmaschinen des Geräteherstellers Siemens Quelle: dapd

Etwa 24 Milliarden Euro setzte Siemens zuletzt in aufstrebenden Ländern wie China, Indien und Brasilien um. Das ist in etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes des Konzerns, und das Geschäft in Schwellenländern soll weiter kräftig wachsen. Um zehn Milliarden Euro will Konzernchef Peter Löscher den Umsatz in diesen Ländern mittelfristig steigern. Das kündigte er im Juni an – Teil eines Sieben-Punkte-Plans für die künftige Entwicklung des Unternehmens.

Fraglich, ob das gelingt. Bei der Vorlage der Geschäftszahlen für die Monate von April bis Juni musste Löscher heute einräumen, dass das Geschäft auch in Asien und Südamerika deutlich an Fahrt verliert. In Brasilien sinke die Produktion, in Indien stagniere sie, und in China werde die Konjunktur wohl erst im kommenden Jahr wieder in Schwung kommen.

Siemens, der Konzern wie kein anderer von der schrittweisen weltweiten Umstellung auf grüne Energien und der Urbanisierung in Schwellenländern profitieren will, spürt derzeit kräftigen Gegenwind. Von „steinigen Wegen“ und „unsicherem Terrain“ sprechen Löscher und seine Vorstandskollegen in letzter Zeit immer häufiger. Die Hoffnungen auf eine Stabilisierung hätten sich nicht erfüllt, sagte Löscher heute, „die Unsicherheiten in Europa nehmen eher wieder zu.“

Zurückhaltung bei Investitionen

Bereits im April hatte Löscher die Erwartungen für den Gewinn des laufenden Geschäftsjahres von sechs Milliarden Euro auf 5,2 bis 5,4 Milliarden Euro nach unten korrigiert. Es sei „deutlich ehrgeiziger geworden“, dieses Ziel zu erreichen, so Löscher nun heute. Manche Analysten erwarten nunmehr lediglich einen Gewinn von gut fünf Milliarden Euro für das Geschäftsjahr, das am 30. September endet.

Die Stärken und Schwächen des Siemens-Konzerns
Stärke 1: Solide Kapitalstruktur mit geringen Schulden - damit ist Siemens gut für einen Abschwung gerüstet. Die Nettofinanzverschuldung sank im Geschäftsjahr 2010/11 um zehn Prozent auf knapp fünf Milliarden Euro – bei Zahlungsmitteln in Höhe von 12,5 Milliarden Euro. So gut stand der Konzern seit Jahren nicht da. Quelle: dpa
Im Verhältnis zum Eigenkapital machen die Nettoschulden nur knapp 16 Prozent aus. Rechnet man die Finanzdienstleistungssparte heraus und addiert die Pensionsverpflichtungen hinzu, ergibt sich sogar ein Nettofinanzguthaben von 1,5 Milliarden Euro. Daher verwundert es nicht, dass die Ratingagenturen dem Siemens-Konzern Bonitätsnoten im Investmentgrade-Bereich zugestehen: Standard & Poor’s und Fitch vergeben ein Rating von A+, Moody’s von A1. Quelle: dapd
Aber auch die europäischen Konkurrenten weisen starke Bilanzen auf: Während Siemens – inklusive der Finanzsparte – eine Konzerneigenkapitalquote von 31 Prozent hat, kommen die beiden Unternehmen Philips und ABB ohne Finanztöchter sogar auf noch höhere Werte von 47 und 41 Prozent. Der US-Konzern General Electric hingegen erreicht inklusive der Finanzsparte lediglich eine Eigenkapitalquote von 16 Prozent. Bei Philips haben sich die Nettofinanzschulden im Jahr 2011 zwar erhöht. Ende September lagen sie bei 1,2 Milliarden Euro nach nur 80 Millionen im Vorjahr. In Relation zum Eigenkapital waren das aber nur neun Prozent. Quelle: dpa
Stärke 2: Neue Aufträge sorgen für stabile Umsätze. Die Zahlen sind beeindruckend: Zum Ende des Geschäftsjahres 2010/11 hatte Siemens einen Rekordauftragsbestand von 96 Milliarden Euro in den Büchern. In den Monaten davor waren neue Aufträge von 86 Milliarden Euro hinzugekommen. Damit stieg der Eingang im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent und wuchs damit doppelt so schnell wie der Umsatz. Getrieben wurde das Auftragswachstum vor allem von den beiden größten Geschäftsbereichen Industrie und Energie. Quelle: dpa
Siemens profitierte in der Industriesparte vom kurzzyklischen Geschäft und vom größten Auftrag für Züge, den der Konzern jemals verzeichnet hat. In der Energiesparte legten sogar alle Divisionen zu. Siemens rechnet damit, etwa 40 Milliarden Euro der Aufträge bereits im laufenden Geschäftsjahr in Umsatz ummünzen zu können. Das bedeutet: Selbst wenn der Konzern 2012 keine neuen Aufträge mehr an Land ziehen würde, wäre schon mehr als der halbe Jahresumsatz in trockenen Tüchern. Zuletzt hat der Konzern einen Umsatz von 73,5 Milliarden Euro erzielt. Quelle: Reuters
Die hohen Auftragsbestände sind ein gutes Polster. Denn Finanzchef Joe Kaeser (rechts) hat vor Kurzem angedeutet, dass sich die schwache Konjunktur in Europa auf das Neugeschäft auswirkt. Ein ähnlich hoher Auftragseingang dürfte 2012 daher kaum zu erreichen sein. Quelle: Reuters
Stärke 3: Hohe Liquidität ermöglicht Milliarden-Investitionen. Siemens hatte gegenüber den Konkurrenten zuletzt einen entscheidenden Vorteil – den hohen operativen Cash-Flow. Zwar ging dieser im Vorjahresvergleich etwas zurück. Gleichwohl hat das Unternehmen mehr Spielraum für Investitionen als seine wichtigsten Konkurrenten. Kein vergleichbarer Konzern schafft es, so viel Umsatz in tatsächlichen Mittelzufluss umzumünzen wie der bayerische Traditionskonzern. Die Cash-Flow-Umsatzrendite von Siemens lag zuletzt bei elf Prozent. Quelle: dapd

Dank eines noch komfortablen Auftragspolsters steigerte Siemens den Umsatz zwischen April und Juni um zehn Prozent auf 19,5 Milliarden Euro. Der Gewinn aus fortgeführtem Geschäft kletterte im dritten Geschäftsquartal auf 1,23 Milliarden Euro. Im Vorjahresquartal waren es 763 Millionen Euro gewesen. Allerdings war das Ergebnis damals durch zwei außergewöhnliche Belastungen massiv reduziert worden.

Um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal sank der Auftragseingang zwischen April und Juni. Weltweit bestellen Unternehmen und Regierungen immer weniger Kraftwerke, Hochgeschwindigkeitszüge und Industriemotoren. Man spüre in der ganzen Welt eine Zurückhaltung bei Investitionen, so Löscher. Ob sich die Lage im kommenden Jahr entspannt, vermag der Siemens-Chef nicht zu sagen.

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