Tesla-Zahlen Warum Elon Musk in der Fabrik schläft

Tesla will bis 2018 die Produktion von Elektroautos auf 500.000 pro Jahr verfünffachen. Elon Musk plant den ganz großen Wurf, um die Konkurrenz abzuschütteln. Doch es gibt da ein riesiges Problem.

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Elon Musk muss verstärkt Überzeugungsarbeit leisten, um Investoren bei Laune zu halten – und zu finden. Quelle: AP

San Francisco Sein Schreibtisch steht am Ende der Fertigungslinie, und in einem Konferenzraum hat er einen Schlafsack deponiert, den er auch „regelmäßig nutzt“. Milliardär und Firmengründer Elon Musk lässt nichts unversucht, um die Probleme anzugehen, die dem Autobauer Tesla im ersten Quartal 2016 das Ergebnis verhagelt haben. Statt wie versprochen 20.000 Autos konnten nur rund 15.000 ausgeliefert werden.

Musk nimmt die Schuld auf sich, sprach von schweren Versäumnissen und Selbstüberschätzung, die dazu geführt hätte, dass man zu viele technische Spielereien auf einmal in das neue Tesla Model X einbauen wollte. Die Quittung kam in Form von elend langen Produktionsverzögerungen des Elektro-SUV bis hin zu Rückrufaktionen. Nun werfen noch zwei von Musks wichtigsten Produktionsmanager das Handtuch und gehen zu einer Zeit, in der nichts dringender  gebraucht wird als eine reibungslose Fertigung.

Also fährt der Milliardär jetzt persönlich Sonderschichten im Werk im kalifornischen Fremont und schaut sich Autos vor der Auslieferung an. Der Meister ist immer da, wenn es brennt, soll die Geste zeigen, solche groben Schnitzer passieren nicht noch einmal. Musk muss das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen. Denn der Mann, der mit seiner Firma Space X auch zum Mars fliegen möchte, will nicht nur den Produktionsrückstand wieder wettmachen, sondern auch noch eines seiner ehrgeizigsten Ziele früher als geplant erreichen. Bereits 2018 will er 500.000 Tesla pro Jahr produzieren, kündigte er am Mittwoch an, nicht erst 2020, wie zuvor versprochen. Die enorme Nachfrage nach dem angekündigten Model 3 habe zu dieser Revision geführt. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr wurden gerade einmal 50.000 Tesla verkauft. Das Ziel für das laufende Jahr liegt bei 80.000 bis 90.000 Model S und Model X zusammen.

Die Begeisterung der Aktionäre über diese Ankündigung hält sich allerdings in Grenzen. Man kennt das mittlerweile: Musk will zum Mars, Musk will eine unterirdische Super-Rohrpost für Menschen bauen, jetzt will er eben in zwei Jahren die Autoproduktion verfünffachen. Das Problem dabei: Tesla hat noch nie seine ursprünglichen Terminplanungen eingehalten. Das Model X etwa kam mit fast zwei Jahren Verspätung und dann fehlerbeladen. Nachbörslich zog die Tesla-Aktie zwar um gut fünf Prozent auf knapp 230 Dollar an. Aber das machte gerade die Tagesverluste aus dem Börsenhandel wett.

Denn die kurzfristigen Probleme werden immer sichtbarer, und das Schielen auf immer neue Wunder in ferner Zukunft verliert seinen Charme. Es ist der enorme Kapitalbedarf, den der Aufbau einer Autoproduktion erfordert, der verunsichert. In Zahlen: Der Nettoverlust nach Bilanzstandard GAAP stieg im 1. Quartal 2016 gegenüber Vorjahr weiter auf nunmehr 282 Millionen Dollar und liegt damit weit über allen Befürchtungen. „Die Verfünffachung der Produktion in zwei Jahren ist eine echte Herausforderung“, schreibt Musk seinen Aktionären. Aber das sei „unser Ziel und wir arbeiten hart daran“.


Analysten bleiben skeptisch

Ein Chef-Schreibtisch am Fließbandende reicht da nicht aus. Zusätzliches Kapital lautet die Zauberformel, aber Details dazu gab es im Analystengespräch nicht. Anzahlungen von Kunden in Höhe von über einer Milliarde Dollar für 325.000 Model 3 haben die dünne Kapitaldecke noch einmal gestreckt. Eine im ersten Quartal gezogene Kreditlinie von 430 Millionen Dollar konnte damit teilweise (350 Millionen Dollar) zurückbezahlt werden. Aber es sind nur noch 1,44 Milliarden in der Kasse, irgendwann muss angesichts der anhaltend roten Zahlen frisches Geld her. Vielleicht über eine massive Kapitalerhöhung. Doch stecken die Aktionäre weiteres Geld in das Unterfangen?

Der Geschäftsverlauf alleine ist jedenfalls für die Finanzierung nicht ansatzweise stark genug. Bei 1,6 Milliarden Dollar, um 45 Prozent über Vorjahr lag der Umsatz in dem von Musk bevorzugten Messwert des „non GAAP“-Umsatzes. Dabei werden Leasingumsätze und Fahrzeuge mit garantierten Rückkaufwerten komplett mitgerechnet. Nimmt man dagegen den Wert nach dem offiziellen Bilanzierungsstandard GAAP liegt das Plus nur bei 22 Prozent (1,15 Milliarden Dollar).

Die Investitionsausgaben im Quartal lagen dafür um 47 Prozent unter dem vierten Quartal 2015. In die Batteriefabrik Gigafactory und das Werk in Fremont fließen momentan weniger Geld als zuvor. Das kann angesichts des angekündigten Kapazitätsaufbaus in Fremont aber nur als Atempause gesehen werden, zum Beispiel um das Kostenbild im Vorfeld einer baldigen Kapitalbeschaffung zu schönen. Denn tatsächlich wird zum Jahresende eine um 50 Prozent höhere Gesamtinvestitionssumme von 2,25 Milliarden Dollar angepeilt als die bisherige Schätzung von 1,5 Milliarden. „Das wird natürlich unseren Plan beeinflussen 2016 Cash-Flow-positiv zu werden“, räumt Finanzvorstand Jason Wheeler im Aktionärsbrief ein. Also heißt es für die Aktionäre weiter zu warten.

55.000 Tesla müssen in der zweiten Jahreshälfte produziert und verkauft werden, damit nur die Untergrenze der Versprechungen des charismatischen Gründers Musk erreicht wird. Wenn er nicht mal das schaffen sollte, wird ihm kaum einer mehr glauben, dass es 2018 eine halbe Million sein werden. Das wären für den Aktienkurs und den Gang an den Kapitalmarkt keine guten Aussichten. Jim Chanos von Kynikos Associates, ein in den USA bekannter „Shortseller“, bekräftigte am Mittwoch auf CNBC in einem Interview nochmal seine negative Meinung zu Tesla. „Das ist eine Firma, die nicht ein Quartal richtig voraussagen kann wie viel abgesetzt wird“, so Chanos, „Aber jeder ist begeistert davon, was sie in 2020 oder 2025 machen werden“.

Das geht direkt gegen Visionär Musk. Er sei weiter „short“ in Tesla, so Chanos. Das bedeutet, er leiht sich Aktien des Unternehmens von anderen Aktionären und verkauft sie an der Börse, in der Erwartung sie später billiger zurückzukaufen und die geliehenen Stücke dann zurückgeben zu können. Die Differenz ist sein Gewinn. Aktuell liegt Tesla knapp 50 Prozent von seinem Jahrestief im Februar, aber die Aktie liegt immer noch über 20 Prozent unter ihrem Höchstkurs und damit nach gängiger Börsenlehre im Bereich, wo ein großer Rückschlag möglich ist.

Den muss Musk verhindern. Auch wenn es noch mehr schlaflose Nächte im Konferenzzimmer am Fließband bedeutet.

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