Textilindustrie Die Modelüge - wie deutsche Firmen produzieren lassen

Seite 9/10

Knast wegen Gründung einer Gewerkschaft

Die besten Arbeitgeber in der Modebranche
Platz 20: Tom Tailor Quelle: dapd
Platz 19: Zara Quelle: REUTERS
Platz 18: Mango Quelle: Screenshot
Platz 16: Gerry Weber Quelle: dpa/dpaweb
Ebenfalls Platz 16: C&A Quelle: dapd
Platz 15: Esprit Quelle: dpa
Platz 13: Peek & Cloppenburg Hamburg Quelle: Comfort Holding GmbH

Dabei spielt der Discounter seine Größe aus: "Mit 300.000 Stück kann ein Hersteller die Fabrik bequem einen Monat auslasten", sagt Arretz. "Wir bieten Planungssicherheit und erwarten, dass unsere Lieferanten faire Löhne zahlen und für Arbeitssicherheit sorgen." Arretz gibt sich aber gar nicht die Mühe, den Erfolg zu beschwören – er kann nicht garantieren, dass alle Kik-Lieferanten völlig fair arbeiten. Tatsächlich holt ihn immer wieder die Realität ein wie vor wenigen Tagen in Pakistan bei dem verheerenden Brand beim Kik-Lieferanten ALI Enterprises, bei dem fast 300 Menschen starben – trotz Audit. "Am 30. Dezember 2011 wurde die Fabrik auditiert", sagt Arretz, "hier ergab sich auch in Sachen Brandschutz keine Beanstandung."

Natürlich kann man einen Bogen um die Slums machen, Skandale ignorieren und die Sache auch so sehen: Der Boom in der Textilindustrie lässt die bengalische Wirtschaftsleistung seit zehn Jahren im Schnitt um sechs Prozent per annum wachsen. "Klar geht es uns heute besser als vor dem Boom", erzählt Nasra Akter, die mit elf Jahren als Näherin malochte und mit 17 wegen der Gründung einer Gewerkschaft im Knast landete.

Bangladesch brauche die Jobs in der Textilindustrie, die vom Land zugezogenen Familien Perspektiven biete. Natürlich kümmerten sich einige Modelabel darum, dass die Bedingungen besser werden – und helfen der heute 38-Jährigen, Cafés für Frauen einzurichten, in denen Näherinnen medizinisch versorgt werden und wo sie kostenlos Speisen und Getränke bekommen. Doch das sei Stückwerk. "Wir benötigen nicht immer mehr Aufträge, sondern die Hilfe der Großabnehmer aus dem Westen, damit die Arbeitsbedingungen wirklich besser werden", fordert Akter.

Wenige Lieferanten

"Den Königsweg zur sauberen Lieferkette gibt es nicht", sagt Achim Berg, Textilexperte der Beratung McKinsey in Frankfurt. "Mittelständlern wird es schwerfallen, ihre kleineren Aufträge bei guten Fabriken zu platzieren, denn dort kommen große Wettbewerber eher an Kapazitäten." Generell könne jeder das Risiko minimieren, indem er die Zahl der Lieferanten klein halte: "Die wenigen Lieferanten sollten sie zu Partnern aufwerten, mit denen sie wachsen, in die sie Zeit und Geld investieren."

Einfach wird das nicht – und billig erst recht nicht. Kontrolleurin Wippert müsste raus aus dem Radisson und rein in ein Büro vor Ort, wo sie nicht nur Nähte kontrolliert, sondern auch in Lohntüten schaut. TÜV-Prüfer Hagen bräuchte robustere Mandate, um schärfere Audits zu führen. Und es muss mehr Einkäufer geben wie Tchibo-Mann Groos, der Lieferanten Druck macht und die deutsche Politik ins Boot holt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%