Textilindustrie Die Modelüge - wie deutsche Firmen produzieren lassen

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Nachhaltigkeit

Wie grün sind die Dax-Konzerne?
WeGreen Ranking Quelle: dpa
InfineonDen letzten Platz im Nachhaltigkeits-Vergleich der DAX-Konzerne belegt der Halbleiterhersteller Infineon. Grund dafür ist vor allem, dass das Unternehmen auf die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts verzichtet. Unter anderem wegen der mangelnden Transparenz gibt es deshalb nur die Note 4,7. "Schlecht" heißt damit das Ergebnis. Der Tipp der Studienleiter: Eine verbesserte Nachhaltigkeitskommunikation wäre ratsam, um so offen und transparent mit den eigenen Herausforderungen und Problemen umzugehen. Quelle: dpa
ThyssenKrupp Quelle: dapd
Deutsche Bank Quelle: dapd
Fresenius Medical Care und Fresenius SE & Co. KgaA Quelle: dpa
RWE Quelle: dpa
Commerzbank Quelle: dpa

Als Frau Wippert am Pool des Restaurants "German Club" die Geschichte von Sumi hört, lächelt sie nicht mehr. Mit dem rauen Alltag hat sie sich wie viele Expats noch nicht beschäftigt. Sie weiß nicht, wie die Arbeiter leben, die sie in der Fabrik ausbildet. Sie weiß auch nicht, ob sie wirklich ein Viertel mehr verdienen als der Otto-Normal-Bengale, wie Olymps Lieferant Interfab behauptet. Olymp-Chef Mark Bezner verlangt keine Einsicht in die Bücher, das sei nicht üblich: "Bei uns gilt das Vertrauen in den ehrbaren Kaufmann."

Härter agiert Tchibo-Mann Groos, und das schon, bevor er mit Westerwelle an Bord des Regierungsfliegers ging. Groos setzte Importeure vor die Tür und arbeitet nun mit eigenen Mitarbeitern in Dhaka. Sie kontrollieren die Lieferanten darauf, ob sie jene Nachhaltigkeit schaffen, die Tchibos PR-Leute in Broschüren versprechen. Bei Tchibo ist Nachhaltigkeit seit einigen Jahren Teil des Risikomanagements. Die Eigentümerfamilie Herz lässt sich über Fortschritte berichten. 2006 war Tchibo wegen der Arbeitsbedingungen bei bengalischen Lieferanten in die Schlagzeilen geraten.

Mit der Strategie, eine kleine Revolution im Textilgewerbe anzuzetteln, macht sich Tchibo in Dhaka nicht nur Freunde. Als Groos wegen fehlender Bausicherheit Verträge mit großen Lieferanten kündigt, überwacht der bengalische Geheimdienst seine Mitarbeiter. Groos sagt das nicht, aber er darf es denken: Die Politik hat kein Interesse an höheren Mindestlöhnen. Denn in Dhaka ist es ein offenes Geheimnis, dass Textilfabrikanten Parlament und Parteien steuern und notfalls mit Schmiergeld dafür sorgen, dass Standards niedrig und die Margen hoch bleiben.

Früher haben sich Einkäufer wie Groos nur hinter den vier Buchstaben BSCI versteckt. Die meisten tun das heute noch. Aber wer kontrolliert im Alltag, dass die Fertigung sauber ist und auch so bleibt?

Konzert der Autohupen

Dhaka, im August. Westerwelle ist weg, der Monsunregen noch da. Die Wolkenbrüche verwandeln die Gossen in Kanäle. Der Alltag ist brutal und laut, ein Konzert der Autohupen, begleitet vom Fortissimo der schrillen Rikscha-Klingeln. In diesem Gewimmel lebt Bernd Hagen seit anderthalb Jahren, langsam gewöhnt er sich daran. Für den Nürnberger gibt es viel zu tun, er arbeitet für den TÜV Rheinland und misst die Welt nach deutschen Standards. Meist geht es um Qualitätssicherung: Im Labor piepsen Apparate, wenn ein T-Shirt Schadstoffe enthält. In Fabriken schauen die Prüfer, ob Schlips und Kragen sauber vernäht sind. Für Tagessätze von 400 Dollar schickt Hagen sie auch zu Sozial-Audits – mit dem BSCI-Bogen, auf dem Fragen stehen wie: "Bekommt jeder Arbeiter wenigstens den Mindestlohn?" – "Zahlen Sie allen Arbeitern die Überstunden aus?"

Naiv wäre ein Fabrikant, der hierauf wahrheitsgemäß mit Nein antwortet – pfiffig jener, der seine Lügen mit gefälschten Büchern dokumentieren kann. Der Prüfer darf nicht in alle Unterlagen schauen, und die Audits erfolgen nur nach Anmeldung. Am Ende des Tages zählt das Kreuzchen. Und wer den Test bestanden hat, den lässt der TÜV für drei Jahre in Ruhe.

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