Auf in die nächste Fabrik. Rostige Ventilatoren drehen bei Florence Fashions im Zentrum von Dhaka ihre Runden an den Fenstern. Das bringt ein bisschen Durchzug ins stickige Innere des Betonklotzes. Junge Mädchen kauern auf Holzschemeln, nähen Hemden und friemeln sie in die Verpackung. Florence Fashions wirbt damit, auch für die deutschen Händler Metro und New Yorker zu nähen. Beide Unternehmen dementieren "direkte Lieferbeziehungen", schließen aber nicht aus, dass es sich um Zulieferer des Lieferanten handelt. Die Branche schämt sich für ihre bengalischen Werkbänke – in der Nachrecherche mauern die Pressestellen so lange, wie es geht.
Obwohl die Fenster vergittert sind, ist die Fabrik eine der besseren dieser Recherche. Aber auch hier wird jeder Westnase übel. Die Ventilatoren blasen keine frische Luft, sondern den Gestank der Straße in die Fabrik. Der Gehweg vis-à-vis ist eine Müllhalde, die Obdachlose auf der Suche nach Essensresten umgraben. Fabrikmanager Moazzem Hussain empfängt die schwitzenden Männer aus dem Westen denn auch lieber in einem klimatisierten Büro.
Schlimmer geht’s immer: Purple Apparels in Kanchpur südlich von Dhaka etwa hat nie ein Sozial-Audit absolviert. "Wir haben vor, die Prüfung abzulegen", sagt Einkäufer Mizan Rahman, "aber vorher müssen wir noch einiges investieren." Es fehlt an Feuertreppen in der stickigen Hinterhoffabrik, Fenster sind vergittert. Trotzdem nähte die Fabrik erst kürzlich Blusen und T-Shirts der Marke Designers.
"Code of Conduct"
Empfänger war laut Lieferschein Fulltrade International. Dabei handelt es sich um einen Importeur der Metro Group – und um eine Marke, die über Real-Supermärkte vertrieben wird. Gegenüber der WirtschaftsWoche räumt der Handelsriese später – nach einer "spontanen Inspektion der Firmen vor Ort" – indirekte Lieferbeziehungen zu Florence Fashion sowie Purple Apparels ein, spricht aber von Einzelfällen. Inzwischen gebe es keine Geschäftsbeziehungen mehr zu den entsprechenden Produzenten; Hersteller, die nicht Metro-Standards entsprächen, würden "ausgelistet".
BSCI steht für die Business Social Compliance Initiative und ist ein Verband von Importeuren, Textilherstellern und -händlern, der Lieferanten in Billiglohnländern auf Mindeststandards verpflichtet. Dazu zählt auch ein Verbot von Kinderarbeit. In puncto Arbeitszeit und Überstunden orientiert sich der Verband an den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation, die den Vereinten Nationen untersteht. Die meisten Lieferanten werden nur einmal geprüft, unterschreiben die Selbstverpflichtung der BSCI und den "Code of Conduct" der Abnehmer, deren PR-Leute mit dem Wisch Journalisten einseifen wollen: Seht her – wir sind sauber. "In Wahrheit werden wir von den Lieferanten nach Strich und Faden belogen und betrogen", klagt der Einkäufer eines Modekonzerns.