Textilindustrie Die Modelüge - wie deutsche Firmen produzieren lassen

Seite 4/10

Rostige Ventilatoren

So sauber sind unsere Modelabels
Eine Frau mit einer Zara-Tasche Quelle: REUTERS
Ein Laden von Tommy Hilfiger Quelle: AP
Platz 12: PrimarkEs ist gar nicht einfach, den H&M-Herausforderer aus Irland zu kontaktieren. Primark hat weder in Deutschland noch im Rest der Welt eine Pressestelle, an die Journalisten ihre Anfragen richten können. Erst nach einer knappen Woche melde sich eine externe PR-Agentur und beantwortet einige Fragen zu Recherchen der WirtschaftsWoche: Dass eine Primark-Bestellung bei einem Zulieferer landete, der westlichen Standards nicht entspricht, sei ein Einzelfall gewesen. Ein lizenzierter Lieferant habe die Order ohne Kenntnis und Einverständnis der Iren an diese Fabrik ausgelagert. Was eigentlich gar nicht passieren darf, denn über seine Homepage verpflichtet nagelt sich der irische Discounter auf „ethischen Handel“ und höchste Sozialstandards bei Lieferanten fest. Dies wird allerdings nicht nur durch die Recherchen der WirtschaftsWoche konterkariert – zumal der Hersteller insgesamt bei Details merkwürdig mauert: Primark will weder die Zahl der Lieferanten oder die der internen Auditoren kommunizieren, noch die wichtigsten Lieferländer und den Anteil der Direktimporte nennen.Transparenz -Kontrolle -Verantwortung - Quelle: Screenshot
Ein New Yorker-Store in Braunschweig Quelle: Screenshot
Menschen vor einer Ernsting's Filiale Quelle: Presse
Das Logo der Modekette Tom Tailor Quelle: dapd
Eine Verkäuferin reicht in einem Esprit-Store in Düsseldorf eine gepackte Einkaufstasche über die Kasse Quelle: dpa

Auf in die nächste Fabrik. Rostige Ventilatoren drehen bei Florence Fashions im Zentrum von Dhaka ihre Runden an den Fenstern. Das bringt ein bisschen Durchzug ins stickige Innere des Betonklotzes. Junge Mädchen kauern auf Holzschemeln, nähen Hemden und friemeln sie in die Verpackung. Florence Fashions wirbt damit, auch für die deutschen Händler Metro und New Yorker zu nähen. Beide Unternehmen dementieren "direkte Lieferbeziehungen", schließen aber nicht aus, dass es sich um Zulieferer des Lieferanten handelt. Die Branche schämt sich für ihre bengalischen Werkbänke – in der Nachrecherche mauern die Pressestellen so lange, wie es geht.

Obwohl die Fenster vergittert sind, ist die Fabrik eine der besseren dieser Recherche. Aber auch hier wird jeder Westnase übel. Die Ventilatoren blasen keine frische Luft, sondern den Gestank der Straße in die Fabrik. Der Gehweg vis-à-vis ist eine Müllhalde, die Obdachlose auf der Suche nach Essensresten umgraben. Fabrikmanager Moazzem Hussain empfängt die schwitzenden Männer aus dem Westen denn auch lieber in einem klimatisierten Büro.

Schlimmer geht’s immer: Purple Apparels in Kanchpur südlich von Dhaka etwa hat nie ein Sozial-Audit absolviert. "Wir haben vor, die Prüfung abzulegen", sagt Einkäufer Mizan Rahman, "aber vorher müssen wir noch einiges investieren." Es fehlt an Feuertreppen in der stickigen Hinterhoffabrik, Fenster sind vergittert. Trotzdem nähte die Fabrik erst kürzlich Blusen und T-Shirts der Marke Designers.

Raus aus der Armut. Die Entwicklung des BIP in Bangladesch

"Code of Conduct"

Empfänger war laut Lieferschein Fulltrade International. Dabei handelt es sich um einen Importeur der Metro Group – und um eine Marke, die über Real-Supermärkte vertrieben wird. Gegenüber der WirtschaftsWoche räumt der Handelsriese später – nach einer "spontanen Inspektion der Firmen vor Ort" – indirekte Lieferbeziehungen zu Florence Fashion sowie Purple Apparels ein, spricht aber von Einzelfällen. Inzwischen gebe es keine Geschäftsbeziehungen mehr zu den entsprechenden Produzenten; Hersteller, die nicht Metro-Standards entsprächen, würden "ausgelistet".

BSCI steht für die Business Social Compliance Initiative und ist ein Verband von Importeuren, Textilherstellern und -händlern, der Lieferanten in Billiglohnländern auf Mindeststandards verpflichtet. Dazu zählt auch ein Verbot von Kinderarbeit. In puncto Arbeitszeit und Überstunden orientiert sich der Verband an den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation, die den Vereinten Nationen untersteht. Die meisten Lieferanten werden nur einmal geprüft, unterschreiben die Selbstverpflichtung der BSCI und den "Code of Conduct" der Abnehmer, deren PR-Leute mit dem Wisch Journalisten einseifen wollen: Seht her – wir sind sauber. "In Wahrheit werden wir von den Lieferanten nach Strich und Faden belogen und betrogen", klagt der Einkäufer eines Modekonzerns.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%