
Die Bilder haben sich ins Gedächtnis eingebrannt: Vermummte Randalierer in schwarzen Kapuzenpullis, die Steine, Böller und Molotow-Cocktails in Menschenmengen werfen und wahllos Autos auf den Straßen Hamburgs anzünden. Nach den Gewalttätern vom G20-Gipfel wird seither europaweit gefahndet. Eine Spur haben sie dabei hinterlassen. Auf vielen der schwarzen Anoraks prangte immer wieder ein Logo: Das weiße Label der Outdoor-Marke The North Face, das sich auf Fotos von schwarzen Hoodies oder Outdoor-Jacken abhob.
The North Face? Bisher ist das Label dafür bekannt, bei Wanderern und Naturfreunden hoch im Kurs zu stehen. In Europa wachsen die Erlöse, die Marke ist bei Studenten und Großstädtern besonders beliebt. The North Face ist neben Columbia die mit Abstand umsatzstärkste Outdoor-Marke weltweit und hält Rivalen wie Jack Wolfskin auf Abstand. Wie kommt ausgerechnet das Natur-Label dazu, in der Linksradikalenszene beliebt zu sein? Und könnte die Liebe der militanten Linken für das Unternehmen zum Image-Problem werden?
In der deutschen Niederlassung in München will das Management über das Thema nicht reden. Anfragen der Presse werde man nur nach Absprache mit den Anwälten beantworten, heißt es dort zunächst. Dann will sich zum Thema doch offiziell niemand äußern. Es sind schließlich Momente wie diese, an denen eine Marke zu kippen droht – und sich manchmal nie wieder vom Image-Schaden erholt.
Die Linksautonomen greifen dabei nicht nur zu The North Face, andere beliebte Marken in der Szene tragen genretypischere Namen wie Mob Action oder Other Brands. North Face selbst wurde vor mehr als 50 Jahren vom kalifornischen Bergsteiger Doug Tompkins ersonnen, der später auch das Label Esprit gründete. Tompkins polterte gerne selbst gegen das System. Es gebe keinen Zweifel, dass es für „den Kapitalismus keine Zukunft gibt. Er ist ja auch nur ein relativ junges Phänomen“, sagte er einmal.
Der Gründer ist vor zwei Jahren gestorben, The North Face hatte er schon davor längst verkauft. Das Label ist heute Teil des Verbundes Vanity Fair Corp., zu dem auch Marken wie Wrangler und Lee gehören. Was die radikale Linke – wie auch andere Demonstranten – zum Label anzieht: Die Kleidung ist wetterfest, in linken Blogs und auf Webseiten wird sie schon seit Jahren als „gut geeignet für die nächste Antifa-Demo“ von Gleichgesinnten gelobt.





„Konkrete Konsumentengruppen können Modemarken in politische Ecken zwängen, selbst wenn sie keinerlei extremen Ideologien folgen“, konstatiert Uwe Scheuer, Markenspezialist beim Analysten Sunny Planet. Das abschreckendste Beispiel, wohin das führen kann, ist in der Branche bis heute die britische Traditionsmarke Lonsdale geblieben. Noch in den 1990er Jahren litt diese unter einem massiven Negativ-Image, weil sie zur Kultmarke der rechtsradikalen Szene in Deutschland wurde. Die Neonazis trugen gerne Lonsdale-Kapuzenpullover unter ihren offenen Bomberjacken, sodass nur die Buchstaben „NSDA“ des Logos zu sehen waren, eine Anspielung auf die NSDAP.
Erst nachdem Lonsdale von Sports Direct übernommen wurde, distanzierte sich die Marke öffentlich von Rechtsradikalen und startete Anti-Rassismus-Kampagnen. Ein Sprecher gibt aber zu, dass sich die Marke bis heute nicht ganz von dieser Rufschädigung erholt habe.
Um ihr Image aufzubessern, unterstützt Lonsdale seither Initiativen gegen Rechtsradikale, darunter auch linksorientierte Fußball-Clubs wie SV-Babelsberg 03 und Roter Stern Leipzig. Das hat die Marke indes zurück ins extreme Lager bugsiert, nur an das entgegengesetzte Ende des Spektrums. Denn diese „klare Positionierung gegen Rechts“ verschaffe der Marke große Beliebtheit in der linken Szene, sagt der Sprecher des Online-Händlers Black Mosquito, der sich selbst als anarchistischer linksradikaler Versandhandel beschreibt.
Noch sehe sich die Marke Lonsdale nicht in der Pflicht, sich vom Linksextremismus zu distanzieren, sagte der Sprecher des Unternehmens weiter. Es gebe ja noch keine konkreten Vorwürfe. Bei The North Face wird man sich in den kommenden Tagen gut überlegen, ob und wie man zur Causa militante Linke doch noch irgendwie positionieren will. In der jüngeren Unternehmensgeschichte wurden die Amerikaner bisher nur ein Mal politisch aktiv: Ende April sprach sich das Management gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump aus.