Thyssen Der Stahlkonzern und sein Milliardengrab

Es sieht weiter schlecht aus: Thyssen-Krupp bekommt seine Probleme im brasilianischen Stahlwerk einfach nicht in den Griff. Das einstige Vorzeigeprojekt hat sich mittlerweile zum Milliardengrab entwickelt.

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Beim Abstich wird der Himmel über dem Hüttenwerk Krupp Mannesmann (HWK) in Duisburg von hellem Feuerschein erleuchtet. Quelle: dpa

Frankfurt Die Stahlmanager von Thyssen-Krupp waren stolz, die Probleme mit dem Stahlwerk in Brasilien in den Griff bekommen zu haben. So stolz, dass sie Investoren und Analysten Mitte Oktober nach Rio de Janeiro einluden, die illustre Gruppe über das Werksgelände führten - und mutige Zukunftsprognosen wagten.

Die Produktion im 5,2 Milliarden Euro teuren Stahlwerk funktioniere einwandfrei, selbst die Anfangsschwierigkeiten bei der Kokerei bekomme Thyssen-Krupp in den Griff, verkündete Hans Fischer, Spartenvorstand fürs amerikanische Stahlgeschäft. Fischers Auftritt überzeugte die Investoren: Alles läuft nach Plan, vor allem die Kokerei, wie Stahlanalyst Ingo-Martin Schachel von der Commerzbank anschließend berichtete.

Auf der heutigen Aufsichtsratssitzung werden die Mitglieder des Gremiums allerdings andere Informationen erhalten. Das Prestigeprojekt hat sich wegen schwerer baulicher Mängel zum Milliardengrab entwickelt. Die Stühle von Bereichsvorstand Fischer sowie die weiterer für das Projekt zuständiger Manager wackeln, erfuhr das Handelsblatt aus Konzernkreisen. Fischer habe die Probleme nicht im Griff, hieß es.

Zwar soll die Kokerei, ein Kernstück des hochmodernen, integrierten Stahlwerks, wie geplant im Frühjahr in Betrieb gehen. Doch nach wie vor greifen die einzelnen Werksteile des Großprojekts nicht ineinander. Neben der Kokskohle, die für die Stahlproduktion benötigt wird, soll in der Kokerei Gas zur Stromgewinnung im werkseigenen Kraftwerk produziert werden. Die Energie braucht Thyssen-Krupp teilweise für den Betrieb der Hütte, rund die Hälfte wird extern verkauft. Auf dieses lukrative Zusatzgeschäft muss der Konzern nun verzichten. Den Schaden beziffern Branchenkenner auf über eine halbe Milliarde Euro.

Das Missmanagement begann bereits bei der Planung. Damals entschied sich der alte Vorstand unter Ekkehard Schulz gegen den konzerneigenen Kokereispezialisten Uhde und für die chinesische Citic. Die Asiaten hatten zwar noch nie eine Kokerei gebaut, aber sie waren billiger als Uhde. Die Entscheidung rächte sich: Citic unterliefen bei der Konstruktion gravierende Fehler. "Ihre volle Leistung wird die Kokerei wohl nie erreichen", sagen Insider. Tochterfirma Uhde muss die Kokerei neu aufrüsten.

Die Probleme in Brasilien lähmen den gesamten Konzern. Mit den Erlösen aus Brasilien wollte Vorstandschef Heinrich Hiesinger in stabile Geschäfte investieren - zum Beispiel in den Aufzug- oder Anlagenbau. Der Konzern verlangt nun Schadensersatz von Citic. Die Chinesen haben zwar zugestimmt. Doch "über die Höhe konnte bislang keine Einigung erzielt werden", heißt es aus Konzernkreisen.

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