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Thyssen-Krupp Das tragische Ende einer eisernen Ära

Mehr als zehn Jahre führte er Thyssen-Krupp, jetzt zieht er die Konsequenz aus dem Fehlschlag in Brasilien: Ex-Vorstandschef Ekkehard Schulz legt seine Mandate nieder. Persönliche Fehler sieht er allerdings nicht.

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Ekkehard Schulz auf einer Pressekonferenz im Jahr 2009: Damals noch als Vorstandsvorsitzender von ThyssenKrupp. Quelle: dpa

Frankfurt Ex-Vorstandschef Ekkehard Schulz zieht sich bei Thyssen-Krupp zurück. Er werde an diesem Mittwoch auf der Kuratoriumssitzung der Krupp-Stiftung sein Mandat als Kurator niederlegen, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Zudem wolle er „sehr zeitnah“ auch aus dem Aufsichtsrat ausscheiden. „Mit diesen Schritten übernehme ich die politische Verantwortung für die Großinvestitionen in Amerika“, zitiert ihn die „FAZ“. Er sei sich beruflich aber keiner Fehler bewusst. Schulz hatte Thyssen-Krupp als Konzernchef von 1999 bis Januar 2011 geführt und ging danach in den Aufsichtsrat.

Im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2010/11 musste Thyssen-Krupp 2,9 Milliarden Euro abschreiben - vor allem wegen Problemen mit neuen Stahlwerken in den USA und Brasilien. Schulz' Nachfolger auf dem Konzernchefsessel, Heinrich Hiesinger, gab einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro nach einem Gewinn von 927 Millionen Euro im Vorjahr bekannt. Unter der Führung von Schulz waren die Kosten für die beiden neuen Stahlwerke in den USA und Brasilien auf rund zehn Milliarden Euro explodiert.

Vor allem das Projekt in Brasilien ist nicht nur ein Milliardengrab, es ist auch ein Karrierekiller. In den vergangenen fünf Jahren haben sich zwei Generationen von Managern an dem Großprojekt abgearbeitet - und sind gescheitert. Im März 2009 mussten die Vorstände Jürgen Fechter und Karl-Ulrich Köhler gehen. Am vergangenen Freitag traf es dann die nächste Führungskraft: Hans Fischer muss nach nur einem Jahr seinen Posten als Bereichsvorstand für das amerikanische Stahlgeschäft räumen. Allen drei Managern werden Fehler beim Bau und Hochfahren des Stahlwerks in Brasilien angelastet, die die milliardenteuren Mehrausgaben nach sich zogen, unter denen der Industriekonzern heute leidet.

Fischer trägt wie Köhler und Fechter Schuld an der Misere in Übersee, aber nur zum Teil. Geplant und durch die Entscheidungsgremien geschleust wurden die neuen Werke in Brasilien und den USA vom früheren Vorstandschef Ekkehard Schulz und seinem Intimus Ulrich Middelmann. Oberster Kontrolleur war Aufsichtsratschef Gerhard Cromme.


Probleme in Brasilien nicht im Griff

Während Middelmann seit dem altersbedingten Abschied vor anderthalb Jahren keine Rolle im Konzern mehr spielt, nahm Schulz zuletzt eine wichtige Position ein. Mit den Stimmen der Krupp-Stiftung - des Hauptaktionärs - wurde er nach der Hauptversammlung im Januar 2011 direkt in den Aufsichtsrat berufen. Wurde der schnelle Wechsel anfänglich begrüßt, so wuchs im Konzern spätestens seit vergangener Woche der Unmut über Schulz. "Warum muss Fischer gehen, das eigentliche Mastermind für das Brasilien-Projekt darf aber im Aufsichtsrat bleiben?" fragte eine Führungskraft.

Am vergangenen Freitag hatte Thyssen-Krupp mit der Vorlage der Bilanz für das Geschäftsjahr 2010/11 einmal mehr einräumen müssen, dass der Konzern die Probleme in Brasilien nicht in den Griff bekommt. Satte 2,1 Milliarden Euro musste das Unternehmen alleine auf Steel Americas abschreiben. Die Sparte umfasst neben Brasilien auch Weiterverarbeitungswerke im Süden der USA.

Beim Großprojekt nahe der Metropole Rio de Janeiro war schon der Start verkorkst. Das Management um Schulz bemühte sich, die Kosten für das Projekt von Beginn an kleinzurechnen. Im ersten Entwurf aus dem Jahr 2005 lagen die Ausgaben bei 1,3 Milliarden. Bald war schon von drei Milliarden Euro die Rede. Letztendlich taxiert Thyssen-Krupp die Investitionen auf 5,2 Milliarden Euro.

Der Vorstand hatte die Investitionen bewusst niedrig anzusetzen, heißt es dazu in Konzernkreisen. Denn der Vorsitzende der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz, habe Bedenken gegen die Expansionspläne gehabt. Ihm war es wichtiger, eine solide Dividende zu erhalten. Erst nach intensiven Diskussionen stimmte er dem Bau zu, auch weil die Kosten überschaubar zu sein schienen.

Um zu sparen, engagierte der Konzern etwa für den Bau der Kokerei nicht die Konzerntochter Uhde, sondern die Citic-Gruppe aus China. Die Asiaten lieferten im wahrsten Sinne des Wortes Schrott ab. Die Kokerei musste umfangreich nachgerüstet werden. Die fehlende Kokskohle und das Gas muss Thyssen-Krupp nachkaufen. Die Gesamtausgaben für die Kokerei bezifferte Vorstandschef Heinrich Hiesinger vor Führungskräften auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro - das ist das Sechsfache des ausgehandelten Kaufpreises.


Schwere Hypothek für Hiesinger

Schulz hat seinem Nachfolger auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden, Heinrich Hiesinger, eine schwere Hypothek hinterlassen. Da Steel Americas auch in diesem Jahr erhebliche Verluste ausweisen wird, kann Hiesinger weniger Geld in den Ausbau des Technologie-Bereichs investieren. Wie wichtig das ist, zeigte sich im abgelaufenen Geschäftsjahr. Der Bereich rund um den Aufzugs- und Anlagenbau erwirtschaftete mit 1,9 Milliarden Euro einen Rekord beim operativen Gewinn.

Nicht nur die Mitarbeiter der Technologie-Sparte sind frustriert wegen der Probleme in Brasilien, auch unter der Stahlbelegschaft wuchs zuletzt die Wut. Unter Schulz seien wichtige Investitionen in die Duisburger Stammhütte verzögert worden, klagte ein Betriebsrat.

Schulz musste sich überlegen, welche Konsequenzen er zieht - und entschied sich nun für den Abgang. Der Druck auf den Multiaufseher mit Mandaten bei Lanxess, Bayer, MAN, RWE und Thyssen-Krupp war zuletzt zu hoch. Noch lästerten viele Aufsichtsräte und Manager nur hinter vorgehaltener Hand. Spätestens mit der Hauptversammlung am 20. Januar wäre das vorbei gewesen. Dort hätte sich alles um das Brasilien-Debakel gedreht - und um die Frage, welche Verantwortung Schulz zu tragen hat.

Im Konzern steht er für Gradlinigkeit und Verantwortungsbewusstsein. "Hat er einen Fehler erkannt, zieht er Konsequenzen", heißt es in seinem Umfeld. Das hat er schon einmal getan: Als er mithalf, Köhler und Fechter ihrer Posten zu entheben.

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