Thyssen-Krupp Gabriel wirbt für Alternativen zu Tata

Außenminister Sigmar Gabriel ruft die Führung von Thyssen-Krupp auf, sich nicht auf eine Fusion der Stahlsparte mit Tata Steel zu versteifen. Es gebe Alternativen zu dem Plan – auch eine nationale Lösung sei denkbar.

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Die Arbeitnehmer machen gegen eine Fusion der Stahlsparte mit dem Konkurrenten Tata Front. Quelle: Reuters

Duisburg Der idyllische Ort will so gar nicht zum Ernst der Lage passen: Tief im grünen Süden Duisburgs, eingerahmt von der silbrig schimmernden Seenplatte, trafen sich am Freitag Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und knapp 30 Betriebsräte der dortigen Hüttenwerke sowie Vertrauensleute und Funktionäre der IG Metall. Thema: Die Zukunft der deutschen Stahlindustrie und des Stahlstandortes Duisburg, mit knapp 20.000 Beschäftigten trotz aller Rationalisierungswellen der vergangenen Jahrzehnte immer noch der größte in Europa.

Die Arbeitnehmervertreter fürchten das Schlimmste, seit Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger vor knapp zwei Jahren die Verhandlungen mit dem britisch-indischen Konkurrenten Tata aufgenommen hat, um die Stahlsparten der beiden Konzerne zu fusionieren. Damit will der Konzernchef die Trennung vom Stahl einleiten, um sich stärker auf das lukrativere Industriegeschäft zu konzentrieren. Die Beschäftigten von Thyssen-Krupp fürchten, dabei auf der Strecke zu bleiben.

Schließlich will Hiesinger nach einer Fusion nicht nur deutlich kostengünstiger produzieren, indem Einheiten zusammengelegt und Synergien gehoben werden. Übergeordnetes Ziel ist die Konsolidierung der europäischen Stahlbranche. Ein solcher Schritt bliebe nicht ohne Auswirkung auf die Standorte und die Zahl der Beschäftigten. Seit Monaten protestieren die Arbeitnehmer vehement gegen die Pläne des Thyssen-Krupp-Vorstandes.

Unterstützung bekamen sie am Freitag vom Vizekanzler Gabriel: „Wenn Du dich bei der Suche nach Alternativen nur in eine Richtung bewegst, besteht die Gefahr, dass Du in einer Sackgasse landest.“ Er habe den Eindruck, dass sich der Vorstand von Thyssen-Krupp genau darin befinde. Der SPD-Politiker forderte das Management des Essener Industriekonzerns auf, Alternativen zu Tata zu prüfen. „Es gibt nationale, internationale und auch welche im Konzern“, sagte er. Tue der Vorstand das nicht, „muss am Ende die Belegschaft die Zeche dafür zahlen.“

Angesprochen auf die derzeitigen Spekulationen einer deutschen Stahl AG, ein Zusammenschluss der Stahlsparte von Thyssen-Krupp, der Georgsmarienhütte von Stahlunternehmer Jürgen Großmann und der Salzgitter AG sagte Gabriel, „auch das ist eine denkbare Möglichkeit.“ Mehr wolle er aber dazu nicht sagen. „Ich halte nichts davon, sich dazu in der Öffentlichkeit zu äußern.“

Das Handelsblatt hatte gestern darüber berichtet, dass Großmann auf Dängen von Gewerkschaften und einigen Politikern derzeit hinter den Kulissen eine solche Variante auslote. Der frühere RWE-Chef dementierte auf Anfrage einen solchen Vorstoß. Allerdings bestätigten mehrere Quellen dem Handelsblatt, dass solche Gespräche stattgefunden hatten.

Gabriel forderte den Konzernvorstand von Thyssen-Krupp auf, im Strategieausschuss des Aufsichtsrats auch über Alternativen zu Tata zu sprechen. Dass das bislang nicht geschehen sei, halte er für einen Fehler. „Ich will nicht so tun, als hätte ich die bessere Strategie. Aber es wäre gut, die eine oder andere Alternative dagegenzuhalten.“ Er bot zudem die Hilfe der Bundesregierung an. „Wir können helfen und haben auch ein paar Ideen, den Standort abzusichern“, sagte Gabriel. „Das können wir aber nur, wenn wir die Strategie kennen.“


Betriebsratschef: „Tata ist ein totes Pferd“

Flankiert vom Duisburger IG-Metall-Chef Dieter Lieske und Thyssen-Krupp-Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath hatte Gabriel zuvor über eine Stunde lang konzentriert den Argumenten der Arbeitnehmervertreter zugehört. Vertreten waren nicht nur Betriebsräte von Thyssen-Krupp, auch Arcelor-Mittal und das Stahlwerk HKM produzieren hier.

Gabriel hat eine inhaltliche Nähe zum Thema Stahl in Deutschland, schließlich umfasst sein Wahlkreis auch die Stadt Salzgitter, Standort des zweitgrößten Stahlkochers in Deutschland nach Thyssen-Krupp. Die Salzgitter AG könnte eine zentrale Rolle bei der Zukunft der Stahlsparte von Thyssen-Krupp spielen – wenn es nach den Vorstellungen der IG Metall geht.

Denn während Vorstandschef Hiesinger die Fusion mit Tata vorantreibt, setzen sie auf mögliche Alternativen. „Alles ist besser als Tata“, heißt es unisono im Gewerkschaftslager. „Die Politik soll sich endlich bekennen, wo sie hin will“, sagt Dieter Lieske, erster Bevollmächtigter der Duisburger IG Metall. „Wir brauchen eine Lösung für den Stahl.“

Das sieht auch der Konzernbetriebsratschef von Thyssen-Krupp Wilhelm Segerath so: „Wenn man ein totes Pferd reitet, sollte man absteigen. Und Tata ist ein totes Pferd“, sagte er. „Wir sind bereit, über Alternativen zu reden, die Perspektiven zur Standort- und Beschäftigungssicherung bieten und ausreichend finanziert ist. Aber diese Alternativen müssen vom Vorstand kommen.“ Segerath drohte dem Management von Thyssen-Krupp indirekt mit Arbeitskampfmaßnahmen, sollte es zu einer Fusion mit Tata kommen. „Es lohnt sich für den Erhalt des Stahls zu kämpfen - und das werden wir auch tun.“

Der Zusammenschluss zu einer deutschen Stahl AG hat im Gewerkschaftslager viele Befürworter. Ziel sei es, die deutschen Standorte und damit die Beschäftigung weitgehend zu sichern und auch die Mitbestimmung nicht anzutasten, heißt es bei der IG Metall. „Das funktioniert nicht mit einem Tata-Deal.“

Dass auch der Stahlunternehmer Jürgen Großmann ins Spiel gebracht wird, gefällt allerdings nicht jedem. Sein Unternehmenskonglomerat, die Georgsmarienhütte Holding, gilt als finanziell angeschlagen und mit zwei Milliarden Umsatz als zu klein, um sich mit einen Koloss wie Thyssen-Krupp Stahl einzulassen. Allerdings könnte sein Vorstoß die Tür zu einer politisch gestalteten Lösung in Richtung einer deutschen Stahl AG öffnen.

Denn die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat Sitz und Stimme in der Krupp-Stiftung, mit 26 Prozent der größte Anteilseigner von Thyssen-Krupp. Das Land Niedersachsen hält 25 Prozent an der Salzgitter AG. Auch deshalb forderte Segerath den neuen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) erneut auf, endlich seinen Sitz in der Krupp-Stiftung einzunehmen. Der war nach dem Rückzug seiner Vorgängerin Hannelore Kraft (SPD) vakant geworden.

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