Thyssen-Krupp Stürzt Ekkehard Schulz über Amerika-Desaster?

Nach den massiven Verlusten durch das Großprojekt in Brasilien wächst der Unmut über den früheren Thyssen-Krupp-Chef Ekkehard Schulz. Der Stahlmanager kann sich seines Aufsichtsratssitzes nicht mehr sicher sein.

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Der einstige Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz, steht jetzt als Aufsichtsratsmitglied stark unter Druck. Quelle: dpa

Essen Das neue Stahlwerk von Thyssen-Krupp in Brasilien ist nicht nur ein Milliardengrab, es ist auch ein Karrierekiller. In den vergangenen fünf Jahren haben sich zwei Generationen von Managern an dem Großprojekt abgearbeitet - und sind gescheitert. Im März 2009 mussten die Vorstände Jürgen Fechter und Karl-Ulrich Köhler gehen. Am vergangenen Freitag nun traf es die nächste Führungskraft: Hans Fischer muss nach nur einem Jahr seinen Posten als Bereichsvorstand für das amerikanische Stahlgeschäft räumen. Allen drei Managern werden Fehler beim Bau und Hochfahren des Stahlwerks in Brasilien angelastet, die die milliardenteuren Mehrausgaben nach sich zogen, unter denen der Industriekonzern heute leidet.

Fischer trägt wie Köhler und Fechter Schuld an der Misere in Übersee, aber nur zum Teil. Geplant und durch die Entscheidungsgremien geschleust wurden die neuen Werke in Brasilien und den USA vom früheren Vorstandschef Ekkehard Schulz und seinem Intimus Ulrich Middelmann. Oberster Kontrolleur war damals Aufsichtsratschef Gerhard Cromme.

Während Middelmann seit dem altersbedingten Abschied vor anderthalb Jahren keine Rolle im Konzern mehr spielt, nimmt Schulz eine wichtige Position ein. Mit den Stimmen der Krupp-Stiftung - des Hauptaktionärs - wurde er nach der Hauptversammlung im Januar 2011 direkt in den Aufsichtsrat berufen. Wurde der schnelle Wechsel anfänglich begrüßt, so wächst im Konzern spätestens seit vergangener Woche der Unmut über Schulz. "Warum muss Fischer gehen, das eigentliche Mastermind für das Brasilien-Projekt darf aber im Aufsichtsrat bleiben?" fragte eine Führungskraft.

Am vergangenen Freitag hatte Thyssen-Krupp mit der Vorlage der Bilanz für das Geschäftsjahr 2010/11 einmal mehr einräumen müssen, dass der Konzern die Probleme in Brasilien nicht in den Griff bekommt. Satte 2,1 Milliarden Euro musste das Unternehmen auf Steel Americas abschreiben. Die Sparte umfasst neben Brasilien auch Weiterverarbeitungswerke im Süden der USA.


Schwere Hypothek für Hiesinger

Beim Großprojekt nahe der Metropole Rio de Janeiro war schon der Start verkorkst. Das Management um Schulz bemühte sich, die Kosten für das Projekt von Beginn an kleinzurechnen. Im ersten Entwurf aus dem Jahr 2005 lagen die Ausgaben bei 1,3 Milliarden. Bald war schon von drei Milliarden Euro die Rede. Letztlich taxierte Thyssen-Krupp die Investitionen auf 5,2 Milliarden Euro.

Der Vorstand hatte die Investitionen bewusst niedrig anzusetzen, heißt es dazu in Konzernkreisen. Denn der Vorsitzende der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz, habe Bedenken gegen die Expansionspläne gehabt. Ihm war es wichtiger, eine solide Dividende zu erhalten. Erst nach intensiven Diskussionen stimmte er dem Bau zu, auch weil die Kosten überschaubar zu sein schienen.

Um zu sparen, engagierte der Konzern etwa für den Bau der Kokerei nicht die Konzerntochter Uhde, sondern die Citic-Gruppe aus China. Die Asiaten lieferten im wahrsten Sinne des Wortes Schrott ab. Die Kokerei musste umfangreich nachgerüstet werden. Die fehlende Kokskohle und das Gas muss Thyssen-Krupp nachkaufen. Die Gesamtausgaben für die Kokerei bezifferte Vorstandschef Heinrich Hiesinger vor Führungskräften auf insgesamt 1,5 Milliarden Euro - das ist das Sechsfache des ausgehandelten Kaufpreises.

Schulz hat seinem Nachfolger Hiesinger eine schwere Hypothek hinterlassen. Da Steel Americas auch in diesem Jahr erhebliche Verluste ausweisen wird, kann Hiesinger weniger Geld in den Ausbau des Technologie-Bereichs investieren. Wie wichtig das ist, zeigte sich im abgelaufenen Geschäftsjahr. Der Bereich rund um den Aufzugs- und Anlagenbau erwirtschaftete mit 1,9 Milliarden Euro einen Rekord beim operativen Gewinn.


Mitarbeiter sind frustriert

Nicht nur die Mitarbeiter der Technologie-Sparte sind frustriert wegen der Probleme in Brasilien, auch unter der Stahlbelegschaft wächst die Wut. Unter Schulz seien wichtige Investitionen in die Duisburger Stammhütte verzögert worden, klagte ein Betriebsrat.

Schulz wird sich überlegen müssen, welche Konsequenzen er zieht. Denn die Kritik an dem Multiaufseher mit Mandaten bei Lanxess, Bayer, MAN, RWE und Thyssen-Krupp nimmt zu. Noch lästern viele Aufsichtsräte und Manager nur hinter vorgehaltener Hand. Spätestens mit der Hauptversammlung am 20. Januar wird das vorbei sein. Dort wird sich alles um das Brasilien-Debakel drehen. Die Rolle von Schulz als Aufseher über die Folgen seiner früheren Entscheidungen dürften einige Aktionäre kritisch hinterfragen.

Diese Frage wird sich auch Schulz selbst stellen. Schließlich steht er im Konzern für Gradlinigkeit und Verantwortungsbewusstsein. "Hat er einen Fehler erkannt, zieht er Konsequenzen", heißt es in seinem Umfeld. Das hat er schon einmal getan: Als er mithalf, Köhler und Fechter ihrer Posten zu entheben.

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