Thyssen-Krupp & Co Stahlhersteller sehen leichten Hoffnungsschimmer

Autohersteller und Bauindustrie ordern kräftig, die Kapazitäten sind gut ausgelastet. Doch die grundlegenden Probleme wie die chinesischen Überkapazitäten oder verschärfte Klimaauflagen belasten die Branche weiterhin.

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Mehrere Tausend Stahlarbeiter werden am Mittwoch in Brüssel für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstrieren. Quelle: dpa

Düsseldorf Es gibt sie noch, die guten Nachrichten aus der deutschen Stahlindustrie. Abseits der vielen Krisenszenarien hat eine unverändert gut laufende Konjunktur in vielen Abnehmerbranchen die Nachfrage nach Blechen, Trägern und Rohren beflügelt. Angeschoben von der stark expandierenden Bauindustrie zogen die Bestellungen in den ersten acht Monaten deutlich um fünf Prozent an. Insbesondere die Bestellungen aus der Autoindustrie bleiben hoch, die allein rund ein Viertel der Produktion von Thyssen-Krupp und anderen Stahlherstellern abnimmt.

Der Maschinenbau als dritter großer Kunde rechnet seinerseits mit einer leicht anziehenden Produktion. „Vor diesem Hintergrund blicken wir vorsichtig optimistisch auf die Stahlkonjunktur im kommenden Jahr“, sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, am Montag in Düsseldorf. Die Nachfrage nach Walzstahl, dem mit Abstand wichtigstem Produkt, werde leicht zulegen. „Mit 40,2 Millionen Tonnen dürfte in etwa das hohe Niveau aus dem Jahre 2006 erreicht werden.“

Geht die deutsche Stahlindustrie damit besseren Zeiten entgegen? Mitnichten, wenn es nach der Einschätzung von Kerkhoff geht. „Ungeachtet der sehr hohen Kapazitätsauslastung bleibt die wirtschaftliche Lage der Stahlunternehmen in Deutschland ernst“, sagte er im Vorfeld der Jahrestagung Stahl in Düsseldorf. Denn an den grundlegenden Problemen, mit denen die Branche schon seit Jahren kämpft, hat sich in den vergangenen Monaten kaum etwas geändert. China exportiert immer noch kräftig seinen Billigstahl nach Europa, die Klimaschutzpläne aus Brüssel gefährden nach Ansicht der Stahlkonzerne deren internationale Wettbewerbsfähigkeit und eine Lösung für die gewaltigen Überkapazitäten ist ungeachtet vieler politscher Absichtserklärungen noch nicht in Sicht.

Vor diesem Hintergrund haben die europäischen Gewerkschaften an diesem Mittwoch zu einem Protestmarsch der Stahlarbeiter aufgerufen. Über 20.000 Stahlwerker werden erwartet, rund 12.000 davon allein aus Deutschland. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze und den langfristigen Erhalt der europäischen Standorte. Denn getrieben von Preisdruck und Billigimporten drehen alle Stahlkonzerne derzeit an der Optimierungsschraube, um die Effizienz der Produktion zu erhöhen und die Kosten zu senken. Der deutsche Marktführer Thyssen-Krupp will beispielsweise bis zum Frühjahr 2017 ein Konzept vorlegen, wie die Stahlsparte binnen der kommenden fünf Jahre rund eine Milliarde Euro einsparen kann. Das wird nicht ohne den Abbau von Arbeitsplätzen abgehen, die Gewerkschaften fürchten sogar die Schließung ganzer Standorte.

Sollte die EU-Kommission ihre Pläne zur Neuordnung des Emissionshandels ab 2021 umsetzen, dürfte das nach Ansicht mancher Konzernchefs die Zusatzbelastungen so in die Höhe treiben, dass sich eine Produktion in Europa kaum noch rechnen dürfte. Kerkhoff selbst geht von durchschnittlichen Kosten von einer Milliarde Euro jährlich zwischen 2012 und 2020 für die gesamte Branche aus. Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger erwartet allein für sein Unternehmen höhere Aufwendungen von bis zu 300 Millionen Euro Jahr für Jahr – Kosten, die die Stahlsparte von Thyssen-Krupp in nicht so gut laufenden Jahren tief in die roten Zahlern treiben würden.

„Für die betroffenen Branchen wie die Stahlindustrie wäre es eine katastrophale Entwicklung, wenn sich ein derart industriefeindlicher Ansatz durchsetzen würde“, sekundierte Verbandspräsident Kerkhoff. Er forderte wie Hiesinger, dass zehn Prozent der effizientesten Anlagen von solchen Auflagen befreit würden – wohl wissend, dass sich vor allem deutsche Stahlhütten darunter befinden würden.

Sollte die Bundesregierung nicht den nötigen Druck bei der EU-Kommission aufbauen, fürchtet Kerkhoff langfristig allein in Deutschland den Verlust von 380.000 Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie und den angrenzenden Branchen sowie einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 30 Milliarden Euro. „Wenn den Unternehmen durch steigende klimapolitische Belastungen und Dumping von außereuropäischen Wettbewerbern die Finanzkraft für Innovationen genommen wird, hat die Stahlindustrie langfristig keine Chance mehr in Europa“, sagte er. Daran ändert dann eine kurzfristig anziehende Nachfrage wichtiger Kundengruppen auch nicht mehr.                           

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