WirtschaftsWoche:Nach Vorstandschef Heinrich Hiesinger hat nun auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner das Handtuch geworfen. Die Thyssenkrupp-Aktie legte am Dienstag zeitweise um acht Prozent zu. Was sagt uns das?
Ingo Schachel: Der Kapitalmarkt vertritt die Auffassung, dass durch den Rücktritt von Herrn Lehner eine Person das Unternehmen verlässt, die sich sehr klar gegen Veräußerungen ausgesprochen hat. Mit der Neubesetzung des Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden spekuliert der Markt darauf, dass das zukünftige Management dem Thema offener gegenübersteht.
Warum ist eine Zerschlagung des Konzerns so attraktiv für die Anleger?
Der Kapitalmarkt findet eine Zerschlagung nicht aus einer fundamentalpolitischen Überzeugung besser als zusammenhängende Unternehmen. Man sieht es bei der Metro oder bei Siemens, wo es ebenfalls Abspaltungen gab – und die Kursentwicklung nicht gut war. Bei Thyssenkrupp aber sehen viele Investoren ein großes Potenzial in der Veräußerung des Aufzugssegments. Im Falle eines Zusammenschlusses – etwa mit dem finnischen Aufzughersteller Kone – gibt es ein großes Synergiepotenzial.
Wie sehen Investoren die Fusion der Stahlsparte mit Tata Steel?
Diese war richtig und notwendig. Aber es gibt Kritik am Wertverhältnis: Von der sehr guten Performance von Thyssenkrupp Steel Europe hätte man ein besseres Wertverhältnis für Thyssenkrupp rechtfertigen können.
Das steckt hinter Cevian
Der schwedische Finanzinvestor Cevian verwaltet für internationale Anleger derzeit ein Vermögen von rund 13 Milliarden Euro. Die Beteiligungsgesellschaft hat sich vor allem auf europäische Industrieunternehmen spezialisiert, die sie an der Börse für unterbewertet hält. „Gesunde Unternehmen, die übersehen, missverstanden oder bei den Investoren in Ungnade gefallen sind“ - so beschreibt Cevian seinen Schwerpunkt selbst.
Für Cevian gehört es zur Firmenpolitik, sich aktiv in die Geschäfte einzumischen und wichtige strategische Weichenstellungen zu beeinflussen. Finanzexperten sprechen in solchen Fällen auch von „aktivistischen Investoren“.
Cevian wurde 2002 von Christer Gardell und Lars Förberg gegründet. Die Firma hat neben dem Sitz in Stockholm Büros in Zürich und London. Der Anlagefokus ist auf fünf bis sieben Jahre ausgerichtet, in denen der Aktienkurs der Beteiligungen möglichst stark steigen soll.
Bei Thyssenkrupp kaufte sich Cevian Ende 2013 ein. Inzwischen hält der Investor gut 15 Prozent der Anteile und ist damit hinter der Krupp-Stiftung zweitgrößter Aktionär. Vom Dienstleistungs- und Baukonzern Bilfinger gehören Cevian fast 30 Prozent. Seine Milliardenbeteiligung am Lkw-Bauer Volvo verkaufte Cevian Ende 2017.
Ist Thyssenkrupp jetzt Freiwild für aktivistische Aktionäre?
Dass Thyssenkrupp mit Cevian und Elliott gleich zwei aktivistische Aktionäre auf einmal im Unternehmen hat, ist schon viel. Aktivistische Aktionäre haben es in der Vergangenheit geschafft, Einfluss auf strategische Entscheidungen zu nehmen. Sie wollen schlankere Strukturen, höhere Effizienz. Vieles von dem, was wir in den letzten Wochen bei Thyssenkrupp gesehen haben, sind typische Entwicklungen.
Die Mitarbeiter von Thyssenkrupp wollen eine Zerschlagung mit allen Mitteln verhindern.
Bei manchen Firmen, die aus einem Konglomerat herausgekommen sind, gibt es da eine andere Sichtweise. Für Mitarbeiter kann es auch motivierend sein, Teil eines flexibleren und unabhängigeren Unternehmens zu sein.