
Griechenland will Geld. Mehr als zwei Milliarden Euro fordern die Griechen vom Essener Thyssenkrupp-Konzern zurück, weil sie bei dessen früherer Tochter Hellenic Shipyards U-Boote gekauft haben und sich dabei über den Tisch gezogen fühlen. In Essen heißt es dagegen kühl, die geltend gemachten Ansprüche „erscheinen unbegründet“. Auch sonst verfolgt die Führungsriege des Ruhrpott-Stahlriesen das griechische Drama gelassen: „Vernachlässigbar“ sei das Thema, „wir machen nur 0,048 Prozent unseres Umsatzes in Griechenland“.
Die relative Ruhe an dieser Front erleichtert es Hiesinger und seiner Mannschaft, sich auf ihre eigentlichen Probleme zu konzentrieren. Der beharrliche Schwabe hat den schwerkranken Traditionskonzern zwar aus dem Gröbsten herausgeholt und die Milliardenverluste eingedämmt. Doch jetzt muss er dem trägen Konglomerat aus Stahl, Autoteilen, Industrieanlagen, U-Booten, Aufzügen und Rolltreppen das Geldverdienen beibringen.
Im vergangenen Geschäftsjahr, das am 30. September 2014 endete, gab es erstmals nach drei Jahren wieder einen Nettogewinn. Doch der lag mit 210 Millionen Euro nur bei 0,5 Prozent des Umsatzes von 41,3 Milliarden Euro – eine extrem bescheidene Rendite. Und die frei verfügbaren erwirtschafteten Mittel ohne Einnahmen durch Unternehmensverkäufe (Free Cash-Flow vor Desinvestitionen) lagen bei minus 254 Millionen Euro. Die Essener geben also in ihrem operativen Geschäft unter dem Strich nach wie vor mehr Geld aus, als sie einnehmen.
Die zweite Bewährungsprobe für Hiesinger
Hiesinger steht vor seiner zweiten Bewährungsprobe. „Wir sind noch nicht über den Berg“, sagte der Vorstandschef erst Anfang des Jahres. In seiner längerfristigen Planung hat der 55-jährige Ingenieur 2015 als „Wendepunkt“ vorgesehen, nun soll der Sprung aus der Sanierungs- in die Wachstumsphase gelingen. Entsprechend hoch schraubt Hiesinger die Anforderungen, die seine Managertruppe nun erfüllen soll (siehe Kurztextgalerie).
Die Aufzugssparte etwa gilt in Essen mit einer Umsatzrendite von 10,5 Prozent vor Steuern und Zinsen als Ertragsperle, liegt aber hinter Konkurrenten wie Kone, Otis oder Schindler. 15 Prozent schaffen die Besten; Hiesinger erwartet, dass seine Leute das toppen. Die Mischsparte Industrielösungen (Planung und Bau von Fabriken, Schiffbau, Energiespeichersysteme) soll den Umsatz um ein Drittel auf acht Milliarden Euro steigern. Von der Division Legierungen, Kunst- und sonstige Werkstoffe erwartet Hiesinger gar, dass sie die operative Umsatzrendite auf drei bis vier Prozent mehr als verdoppelt – woran selbst Insider zweifeln. „Das ist im Materialhandel zurzeit nicht machbar“, heißt es in Aufsichtsratskreisen.
Welche Kennzahlen ThyssenKrupp-Chef Hiesinger verbessern will
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 4,3 Prozent
Ziel: 6-8 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 10,5 Prozent
Ziel: 15 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatz
aktuell*: 6 Mrd. Euro
Ziel: 8 Mrd. Euro
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Umsatzrendite (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 1,6 Prozent
Ziel: 3-4 Prozent
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Zielgröße: Gewinn (vor Zinsen und Steuern; Ebit)
aktuell*: 200 Mio. Euro
Ziel: 500 Mio. Euro, Kosten einsparen
*Geschäftsjahr 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014
Offenbar hält Hiesinger die Ziele auch selbst für so ambitioniert, dass er nicht sagt, bis wann er sie erreichen will. „Die Welt ist zu volatil geworden, als dass man die Ergebnisziele mit konkreten Zeitfenstern koppeln könnte“, heißt es aus der Zentrale.
Andere Unternehmen indes trauen sich, präzisere Aussagen zu. Deutsche-Post-Chef Frank Appel etwa will den Gewinn vor Steuern und Zinsen von zuletzt knapp drei auf fünf Milliarden Euro steigern – bis 2020. Das entspricht einem Plus von durchschnittlich acht Prozent pro Jahr.