Thyssenkrupp Hiesingers Abschied ist eine Zeitenwende

Seit 2011 war Heinrich Hiesinger Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp. Jetzt hat er den Aufsichtsrat um Auflösung seines Vertrages gebeten. Quelle: REUTERS

Der Rücktritt des Thyssenkrupp-Chefs ist ein Triumph aktivistischer Aktionäre. Für deutsche Topmanager wird es ungemütlich.

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Heinrich Hiesinger will nicht mehr. Das hat der Chef von Thyssenkrupp seinem Aufsichtsrat mitgeteilt. Dass er irgendwann gehen würde, schien möglich. Schließlich hatten an dem Konzern beteiligten Investoren ihr Missfallen über das Wirken des Topmanagers zuletzt immer lautstarker kundgetan. Der seit fünf Jahren beteiligte Investor Cevian hatte zuletzt energisch Verbesserungen eingefordert, der US-Fonds Elliott vor wenigen Wochen öffentlich Hiesingers Ablösung gefordert. Erst vor wenigen Tagen erklärte ein Insider, dass es schwer sei, sich diesem Druck dauerhaft zu widersetzen.

Dass Hiesinger aber gerade jetzt geht, ist dann doch sehr überraschend. Schließlich wollte der Konzern in wenigen Tagen detailliert darlegen, wie er strategisch weiter voranzukommen dachte - nachdem er endlich den scheinbar größten Ballast abgeworfen hatte. Denn tatsächlich hatte Hiesinger gerade erst einen Erfolg erzielt. Zwei Jahre hatte er mit dem indischen Konkurrenten Tata wegen einer Zusammenlegung des Stahlgeschäfts in Europa herumverhandelt. Nach etlichen Wendungen und Verzögerungen sind die Verträge nun unterschrieben. Hiesinger, dem Kritiker schon lange vorwarfen, dass er mehr an Kleinigkeiten herumdoktere statt die großen Probleme des Konzerns entschlossen anzugehen, konnte endlich einen richtig großen Wurf präsentieren.

Mit dem ist aber nicht garantiert, dass bei dem Traditionsunternehmen von nun alles gut oder jedenfalls besser läuft. Von seinen Vorgängern hatte Hiesinger gigantische Altlasten übernommen, zeitweise galt der Konzern sogar als Pleitekandidat. Davon ist heute keine Rede mehr. Doch von echter Zukunftsfähigkeit ist der von Hiesinger propagierte „integrierte Technologiekonzern“ immer noch ein ganzes Stück entfernt. Die meisten Geschäftszweige dümpeln so dahin, selbst das zur Vorzeigesparte deklarierte Aufzugsgeschäft ruckelt bei den wichtigsten Kennzahlen den Wettbewerben hinterher. Die besten Ergebnisse lieferte zuletzt ausgerechnet – der Stahl.

Unbefriedigend sind die Ergebnisse schon lange. Doch scheinbar musste sich der Chef trotzdem keine Sorgen um seinen Job machen. Denn tatsächlich schienen die Mechanismen der angeblich längst überholten Deutschland AG bei Hiesinger noch ganz gut zu funktionieren. Das galt im Jahr 2011 schon für die Umstände seines Wechsels von Siemens (damaliger Aufsichtsratschef: Gerhard Cromme) zu Thyssenkrupp (damaliger Aufsichtsratschef: Gerhard Cromme). Bis zuletzt hat ihn sein Aufsichtsratschef Ulrich Lehner gegen alle Kritik in Schutz genommen. Und selbst die Arbeitnehmer willigten zuletzt in die von ihnen lange bekämpfte Stahlfusion ein. Der seit 2013 an dem Konzern beteiligte Investor Cevian schien sich an dieser Allianz die Zähne auszubeißen. Und erkennen zu müssen, dass es bei deutschen Unternehmen eben nicht nur darum geht, den Wert im Sinne der Aktionäre zu maximieren. Sondern auch um - manchmal reichlich diffuse - andere Interessen.

Diese Auffassung hat nun einen heftigen Schlag abbekommen. Aktivistische Investoren werden nun auch in Deutschland den Druck erhöhen. In den USA haben sie schon etliche Chefs gestürzt und einschneidende Maßnahmen durchgesetzt. Bei Thyssenkrupp dürfte mit Hesingers Abschied sicher keine Ruhe einkehren. Dem Konzern könnte nun eine weitgehende Zerschlagung bevorstehen. Denn nichts verachten Aktivisten derzeit mehr als Konglomerate, die angeblich hohe, tatsächlich aber oft bescheidene Synergien zusammenkitten. Bei Thyssenkrupp gehört seit Jahrzehnten zusammen, was nach der strengen Logik der Börse nicht zwangsläufig zusammengehört.
In vielen Konzernen ist die Botschaft schon angekommen. Dass etwa Siemens-Chef Joe Kaeser gerade seinen Konzern zerlegt, folgt sicher nicht nur eigener Einsicht. Sondern auch der Angst vor unerbetener Einmischung. Die, das muss spätestens jetzt jedem klar sein, ist mehr als berechtigt.

Hiesinger schmeißt hin

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