Wenigstens bei der Bewertung der Dividende ist Hiesinger einer Meinung mit seinem Großinvestor. „Die Dividende kann uns mittelfristig nicht zufrieden stellen“, sagte Hiesinger bei der Vorstellung des Jahresergebnisses. „Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung, der auch unsere bilanziellen Erfordernisse berücksichtigt.“
Ansonsten gehen die Vorstellungen gravierend auseinander – und der Vorstandschef auf Distanz zu Cevian. Hiesinger setzt darauf, dass Thyssenkrupp sich kontinuierlich weiterentwickelt und will die höchst unterschiedlichen Sparten – Stahlerzeugung, Aufzüge, Automobilzulieferung, Industriedienstleistungen und Materialhandel – zusammenhalten. Cevian geht die Politik der kleinen, aber stetigen Schritte nicht schnell genug, weshalb die Schweden nun verstärkt über Abspaltungen nachdenken.
ThyssenKrupp in Zahlen
2013/2014: 41,3 Milliarden Euro
2012/2013: 39,8 Milliarden Euro
Quelle: Geschäftsberichte
2013/2014: 1,333 Milliarden Euro
2012/2013: 0,517 Milliarden Euro
2013/2014: 3,2 Prozent
2012/2013: 1,3 Prozent
2013/2014: 0,195 Milliarden Euro
2012/2013: -1,576 Milliarden Euro
2013/2014: -0,254 Milliarden Euro
2012/2013: -0,625 Milliarden Euro
2013/2014: 0,11 Euro je Aktie
2012/2013: 0,00 Euro je Aktie
Vorschlag an die Hauptversammlung
2013/2014: 3,488 Milliarden Euro
2012/2013: 5,038 Milliarden Euro
2013/2014: 3,199 Milliarden Euro
2012/2013: 2,512 Milliarden Euro
Die ertragsschwache Stahlsparte steht dabei aber – anders als bislang oft vermutet – nicht im Zentrum der Überlegungen. Cevian, so heißt es in Finanzkreisen, habe erkannt, dass für diese derzeit ohnehin kein attraktiver Preis zu erzielen sein wird. In Zeiten globaler Überkapazitäten und drohender Mehrbelastungen wegen schärferer CO2-Abgaben dürfte sich die Lage auch so schnell nicht signifikant verbessern.
Hiesinger erwartet Konsolidierung in Stahlbranche
Hiesinger hatte zum Jahreswechsel in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ gesagt, dass er angesichts der angespannten Lage in der Stahlindustrie ohnehin nicht mit Übernahmen rechne. Der Vorstandschef deutete allerdings an, dass er sich vorstellen könne, die Stahlsparte in ein gemeinsames Konsortium mit anderen Stahlherstellern einzubringen. „Wir gehen davon aus, dass es irgendwann zu einer Konsolidierung in der europäischen Stahlindustrie kommen wird“, sagte Hiesinger im Interview. „Wenn sich die Chance zur Konsolidierung bietet, werden wir uns daran beteiligen.“ Wann das sein wird, ließ er offen.
„Klassische Übernahmen“ – und damit auch lukrative Angebote – erwartet der Vorstandschef jedenfalls nicht. „Es wird vermutlich eher Zusammenschlüsse geben, bei denen sich die Anteilsverteilung dann aus den Wertverhältnissen ergibt. Wann das sein wird, ist unklar. Deshalb konzentrieren wir uns weiter auf uns selbst und steigern unsere Leistungsfähigkeit.“
Autozulieferbereich und Aufzugsparte im Visier
Dass diese Aussicht Cevian zufriedenstellen kann, darf getrost bezweifelt werden. Wenn Thyssenkrupp die Stahlsparte in ein Joint Venture einbringen würde, wäre kein großes Geld zu erlösen. Deshalb denken die Portfoliomanager der Schweden offenkundig über den Verkauf ganz anderer Sparten nach – wie den Automobilzulieferbereich oder die Aufzugsparte. Das wären echte Filetstücke, mit denen sich gut Kasse machen ließe. Ein weiterer Vorteil: Beide verarbeiten zwar Stahl, von dem sie einen Gutteil derzeit von ihrer Konzernschwester beziehen können, sie könnten aber dennoch relativ leicht aus dem Unternehmensverbund herausgelöst werden.
Ein Angebotsengpass herrscht auf dem Stahlmarkt beileibe nicht. Eine Abspaltung dieser Sparten würde das Gesicht von Thyssenkrupp jedoch tiefgreifend verändern: Die Aufzugsparte ist die Ertragsperle des Ruhrkonzerns. 2014/15 hat sie mit ihren Aufzügen und Rolltreppen sowie zugehörigen Servicedienstleistungen 794 Millionen Euro und damit fast die Hälfte des bereinigten operativen Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Konzerns in Höhe von 1,676 Milliarden Euro erwirtschaftet.