




ThyssenKrupp ist ein Mythos, aber auch ein Museumsstück der deutschen Industrie. Über dem Essener Traditionskonzern thront die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die 25,3 Prozent an dem Stahl- und Technologieriesen hält. Vorsteher der Stiftung ist Berthold Beitz, der 99-jährige Testamentsvollstrecker von Alfried Krupp. Beitz darf drei Vertreter in den ThyssenKrupp-Aufsichtsrat entsenden, was ihm den entscheidenden Einfluss sichert. Symbol für Macht ist die Villa Hügel über dem Essener Baldeney-See, das ehemalige Wohnhaus der untergegangenen Industriellenfamilie Krupp, heute ein Museum. Daneben sitzt die Stiftung mit Beitz.
2013 wird das Schicksalsjahr für ThyssenKrupp. Der Konzern ist angeschlagen wie lange nicht, das Eigenkapital geschmolzen, ein Neuanfang überlebensnotwendig. Kann der unter dem künftigen Aufsichtsratschef Ulrich Lehner gelingen? Antworten auf 13 brennende Fragen.
1) Ist Lehner der richtige Chefaufseher?
Der langjährige Chef des Düsseldorfer Waschmittelkonzerns Henkel (Persil, Pattex) soll nach dem Willen von Krupp-Stiftungschef Beitz den bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme ablösen. Der war wegen diverser Skandale und Kartellverfahren vorvorigen Freitag zurückgetreten. Beitz kennt Lehner seit Jahrzehnten.
Doch Zweifel an dessen Fähigkeit zum grundlegenden Neuanfang sind angebracht. Lehners Reputation als Wächter des Top-Managements, etwa bei der Deutschen Telekom, ist beschädigt. Schweizer Staatsanwälte ermitteln gegen den Rheinländer wegen des Verdachts der „Veruntreuung von Unternehmensvermögen“, weil er als Mitglied des Verwaltungsrates des Baseler Pharmakonzerns Novartis dem damaligen Chef Daniel Vasella eine Abfindung in Höhe von 60 Millionen Euro durchwinkte. Das schwächt Lehner in einer Zeit, in der ThysssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger Arbeitsplätze abbauen will.
Hinzu kommt, dass Lehner seit 2008 dem ThyssenKrupp-Aufsichtsrat angehört und insbesondere die milliardenteuren Fehlinvestitionen in Brasilien und den USA mit durchgewinkt hat.
Rostiger Stahl
Umsatz* (in Mrd. Euro): 14,7
Auftragseingang**: -10%
* Geschäftsjahr 2010/11; ** 3. Quartal 2011/12zum Vorjahr; Quelle: ThyssenKrupp
Umsatz* (in Mrd. Euro): 7,0
Auftragseingang**: + 5%
Umsatz* (in Mrd. Euro): 1,5
Auftragseingang**: + 461%
Umsatz* (in Mrd. Euro): 4,0
Auftragseingang**: - 12%
Umsatz* (in Mrd. Euro): 5,2
Auftragseingang**: - 15%
Umsatz* (in Mrd. Euro): 1,4
Auftragseingang**: + 90%
Umsatz* (in Mrd. Euro): 6,1
Auftragseingang**: - 15%
2) Kommt der Abschied vom Stahl?
Konzernchef Hiesinger hat angekündigt, die Keimzelle des 202 Jahre alten Konzerns, die Stahlproduktion, vorbehaltlos unter die Lupe zu nehmen. Dazu hat er die Prüfung „aller Optionen“, so ein Manager, angeordnet. Das heißt, 2013 wird voraussichtlich eine weitreichende Entscheidung fallen: für einen Börsengang, für einen vollständigen oder teilweisen Verkauf oder für eine Weiterführung mit Fusion.
Die Stahlproduktion von ThyssenKrupp befindet sich im Tief. Elf Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Sparte in Deutschland im vergangenen Geschäftsjahr 2011/12, 14 Prozent weniger als zuvor. Der Profit brach um 80 Prozent auf den Minibetrag von 188 Millionen Euro ein. Die Stahlpreise sind auf Talfahrt, da China nicht mehr so stark kauft wie früher. Das eigentliche Brot-und-Buttergeschäft, die Herstellung von Flachstahl für Karosseriebleche für die Automobilindustrie, bisher sicherer Abnehmer, schwächelt.
Das trifft ins Herz von ThyssenKrupp, das Stahlwerk in Duisburg-Bruckhausen mit 20.000 Beschäftigten. Die Eisenbahnwaggons mit den Blechrollen stehen bis zum Horizont. Im Stahlwerk herrscht immenser Modernisierungsbedarf, weil ThyssenKrupp neuen Werken in Alabama (USA) und bei Rio de Janeiro in Brasilien den Vorzug gab.
Dass die Aufgabe der Stahlproduktion für ThyssenKrupp kein Tabu ist, steht fest. Bereits 2001, zwei Jahre nach der Fusion der Ruhrgebiets-Stahlkocher Thyssen und Krupp, wollte der damalige Vorstandschef Cromme die Sparte an die Börse bringen. Doch der Gang aufs Parkett fiel dem Druck der Arbeitnehmervertreter zum Opfer.
Beitz, Lehner und Hiesinger werden dieses Jahr endgültig entscheiden müssen.