Thyssenkrupp Traditionskonzern auf der Suche nach der Zukunft

Aufsichtsratschef Guido Kerkhoff will „ein grundlegend neues Thyssenkrupp“ bauen, mit einer schlanken Holding an der Spitze und deutlich eigenständigere Sparten. Quelle: dpa

Thyssenkrupp hat turbulente Zeiten hinter sich. Vor einem Jahr warf Vorstandschef Hiesinger das Handtuch. Seitdem sorgen Strategiewechsel bei dem Stahl- und Industriekonzern für Unruhe.

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Thyssenkrupp setzt sich weit in der Zukunft liegende Ziele. Im Jahr 2050 will Deutschlands größter Stahlhersteller „klimaneutral“ sein. Nicht nur die Hochöfen sollen dann keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen. Beim Betrieb von Thyssenkrupp-Produkten wie Aufzüge, Industrieanlagen, Autoteile oder U-Boote sollen die Klimaemissionen schon bis 2030 kräftig sinken.

Ob dann aber alle Unternehmensteile noch zum Traditionskonzern aus dem Ruhrgebiet gehören, ist völlig offen. Denn zwölf Monate nach dem jähen Abgang des langjährigen Konzernchefs Heinrich Hiesinger Anfang Juli 2018 steht Thyssenkrupp erst am Anfang eines tiefgreifenden Umbauprozesses mit ungewissem Ausgang.

Hiesingers Rückzug nach anhaltendem Streit mit Investoren um die Strategie des Industrieriesens hatte ein Jahr des Missvergnügens für Thyssenkrupp eingeleitet. Nach Hiesinger warf auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner entnervt das Handtuch. Die Suche nach Nachfolgern für beide zog sich hin. Schließlich übernahm Finanzchef Guido Kerkhoff das Vorstandsruder.

Kerkhoff wollte den kriselnden Konzern zunächst mit einer Aufteilung in zwei eigenständige Unternehmen für Werkstoffe und Industriegüter bringen. Die anfängliche Zustimmung an der Börse für den Spaltungsplan verflog allerdings schnell. Als dann sich dann auch noch die EU-Kommission bei der von Hiesinger eingefädelten Fusion der Thyssenkrupp-Stahlsparte mit dem Konkurrenten Tata Steel quer stellte, blies Kerkhoff das Projekt „aus eins mach zwei“ wieder ab.

Jetzt will Kerkhoff „ein grundlegend neues Thyssenkrupp“ bauen, mit einer schlanken Holding an der Spitze und deutlich eigenständigere Sparten. Die lukrative Aufzugssparte soll teilweise an die Börse, für andere Geschäfte sollen Partner ins Boot geholt werden. Kosten sollen sinken und konzernweit 6000 Stellen entfallen. Wieder reagierte die Börse auf den neuen Kerkhoff-Plan mit Kursanstiegen, und wieder gingen die Aktiengewinne verloren.

Ein Kernstück des neuen Thyssenkrupp soll das alte bleiben. Während der aufgegebene Teilungsplan auch als Anfang vom Ende des Stahls bei Thyssenkrupp gedeutet wurde, spielt er jetzt wieder eine zentrale Rolle. „Unser Stahlgeschäft steht vor großen Herausforderungen“, bekannte Kerkhoff unlängst. Und die muss Thyssenkrupp jetzt alleine meistern. Finanzielle Spielräume soll deshalb der Börsengang des profitablen Aufzugsgeschäfts bringen.

Hinzu kommt, dass sich die Lage für die Stahlindustrie verschlechtert hat. „Der Abwärtstrend in der Stahlkonjunktur hat sich verstärkt“, stellte die Wirtschaftsvereinigung Stahl fest. Die Rohstahlproduktion sei diesem Jahr um bislang 5 Prozent gesunken. Und Besserung ist kurzfristig nicht in Sicht. Der Abschwung beim Stahl sei wohl nicht nur eine Folge der zunehmenden Importe, meint der Konjunkturexperte Roland Döhrn vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung RWI in Essen. „Mir scheint eher das Problem zu sein, dass die großen Stahlverwender Automobilbau und Maschinenbau schwächeln“, sagte Döhrn.

Der Großkunde Autoindustrie könnte den Stahlherstellern aber noch mehr Probleme bereiten. Durch den Übergang zur E-Mobilität könnten Teile der Automobilproduktion ins Ausland verlagert werden. Ihnen den Stahl hinterher zu liefern, mache keinen Sinn. „Deshalb könnte es für die Stahlhersteller in Deutschland ungemütlich werden“, befürchtet der Ökonom.

Kerkhoff will sich von solchen Aussichten nicht irritieren lassen. Beim Konzernumbau gelte die Devise „jetzt oder nie“, hat er vor Mitarbeitern betont.

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