Commerzbank-Analyst Ingo Schachel sieht den Deal ebenfalls auf gutem Weg: „Die Pensionsrückstellungen waren bisher das größte Problem einer Fusion. Wenn das ausgeräumt ist, sehe ich keine größeren Schwierigkeiten.“ Doch auch die Kartellbehörden müssten der Fusion erst zustimmen. Von ihnen erwartet Schachel keine Widerstände: „ArcelorMittal produziert doppelt so viel Stahl wie Thyssen und Tata zusammen. Insofern sehe ich keinen Grund, warum die Kartellbehörden den Zusammenschluss untersagen würden.“ Werksschließungen hält auch Schachel für unwahrscheinlich: „Strukturell halte ich keine wesentliche Schließung von Standorten für notwendig. Die Profitabilität der Werke ist insgesamt gut.“
Alte Sünden, neue Probleme bei Thyssenkrupp
In den vergangenen Jahren war der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp in eine Vielzahl von Bestechungs- und Kartellfällen verwickelt.
Etliche Offsore-Gesellschaften nutzte die Thyssenkrupp-Tochter Marine Force International (MFI), um Gelder zu dubiosen Beratern zu lotsen, die wiederum Aufträge mit U-Booten in Ländern wie der Türke, Griechenland und Indonesien sicherten.
Über Jahre hatten sich Mitarbeiter des Thyssenkrupp-Konzerns mit anderen Unternehmen bei Preisen und Mengen abgesprochen. Der Essener Konzern musste ein Bußgeld in Höhe von 200 Millionen Euro zahlen.
Bei einem Waffengeschäft in der Türkei sollen Manager des Bremer Rüstungsunternehmens Atlas Elektronik, ein Gemeinschaftsunternehmen von Thyssenkrupp und Airbus, türkische Amtsträger bestochen haben. Vor diesem Hintergrund fand sogar eine Razzia in der Essener Zentrale von Thyssenkrupp im Sommer diesen Jahres statt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager von Thyssenkrupp und Airbus, weil sie die Zahlung von Bestechungsgeldern nicht verhindert haben sollen.
Alternativen zur Stahlhochzeit treten mit diesen Aussichten wieder in den Hintergrund. So kochte erst im Sommer abermals die Diskussion um eine sogenannte Deutsche Stahl AG hoch. Spekuliert wurde über einen möglichen Zusammenschluss der Stahlkocher Georgsmarienhütte, Salzgitter und der Stahlsparte von Thyssenkrupp. Die Unternehmen selbst wiesen die Spekulationen zurück oder ließen sie unkommentiert.
Ein „Plan B“ ist unwahrscheinlich
Unwahrscheinlicher wird nun auch die „Plan B“ genannte Möglichkeit, dass Thyssenkrupp seine Stahlsparte abspalten und an die Börse führen könnte. „Ein Börsengang der Stahlsparte wäre sicher umsetzbar. Thyssen hat allerdings keinen Grund, hier in Aktionismus zu verfallen, solange andere strategische Optionen noch greifbar sind“, sagt Analyst Schachel.
Doch auch wenn in den kommenden Tagen das Problem mit der britischen Pensionsbehörde ausgeräumt werden könnte, wird eine endgültige Fusion der Stahlriesen wohl noch Jahre dauern. „Die Verträge von Tata mit dem englischen Pensionsfonds müssen von Thyssen erst noch geprüft werden. Vor allem die Frage, ob Thyssen haftet, ist noch zu klären“, sagt Analyst Obst. Zudem müssten laut Obst noch die Synergien zwischen den Unternehmen herausgearbeitet werden. „Vor 2021 wird eine Fusion sicher nicht gelingen“, sagt der Analyst.