Tödlicher Tesla-Unfall Ein Weckruf für die Zukunftsgläubigen

Der Tod eines Tesla-Fahrers zeigt, dass das selbstfahrende Auto noch nicht so zuverlässig funktioniert, wie viele Fahrer glauben. Für die Anhänger von Pionier Elon Musk sollte der Unfall ein Weckruf sein. Ein Kommentar.

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Der Tesla-Gründer entwirft gerne mitreißende Szenarien einer besseren Welt. Quelle: Reuters

Wenn Tesla-Gründer Elon Musk von der Zukunft spricht, entwirft er mitreißende Szenarien von einer besseren Welt. Einer Welt, in der die Menschheit zum Mars reist, in der eine Reise von Los Angeles nach San Francisco im Tunnel nur 30 Minuten dauert und in der seine emissionsfreien Elektroautos vollautonom fahren.

Einen Vorgeschmack auf diese verheißungsvolle Zukunft gab der Pionier seinen Kunden vor einem Jahr mit einem Update für sein Model S. Die Elektrolimousine könne danach – so das Versprechen des Herstellers – auf der Autobahn auch teilautonom fahren.

Der Autopilot machte weltweit Schlagzeilen. Tesla, so der Tenor, sei der Konkurrenz wieder einmal um Jahre voraus. Zwar mahnte Musk von Anfang an zur Vorsicht, weil das System sich noch in der Beta-Phase befinde. Doch viele seiner Anhänger stürzten sich ins Abenteuer.

Bald kursierten Videos im Internet. In einem nahm ein Tesla-Fahrer während der Fahrt Platz auf der Rückbank, obwohl Tesla empfiehlt, stets die Hände am Lenkrad zu behalten und im Notfall einzugreifen. Ein anderer testete den Autopiloten auf der Landstraße, obwohl der Hersteller das System für diese Fahrsituation nicht freigegeben hatte. Kurz: Die Hoffnung auf einen kleinen Blick in eine bessere Zukunft und das Vertrauen in Tesla ließen jede Warnung ungehört verhallen.

Einen Tesla-Fahrer hat das nun das Leben gekostet. Unter dem Titel „Ein tragischer Verlust“ verkündet der Hersteller in seinem Blog, dass die US-Verkehrssicherheitsbehörde derzeit einen tödlichen Unfall mit dem Model S untersucht.

Ein Sattelzug war an einer Kreuzung vor dem auf der Gegenspur herankommenden Tesla links abgebogen. Laut Tesla wurde der weiße Anhänger des Lastzugs angesichts strahlenden Sonnenscheins „weder vom Autopiloten noch vom Fahrer“ erkannt, weshalb „keine Bremsen aktiviert wurden“. Der Tesla prallte so ungebremst zwischen den Achsen gegen den Unterboden des Anhängers. Durch die Wucht des Aufpralls wurde laut Medienberichten das Dach des Fahrzeugs abgerissen.

Ein Schock, auch für zehntausende Tesla-Besitzer, aber vielleicht auch ein Weckruf zur rechten Zeit. Denn die teilautonomen Systeme, die derzeit in Serienfahrzeugen verbaut werden, sind noch nicht fehlerfrei. Fahrer dürfen sich darum nicht zurücklehnen und dem System das volle Vertrauen schenken – schon gar nicht in einem Tesla.


„Beta-Test auf offener Straße“

Denn die Kalifornier setzen bei der Weiterentwicklung ihrer selbstfahrenden Systeme vor allem auf die eigenen Kunden, wo andere professionelle Testfahrer beschäftigen. Das System, betont Musk, werde mit jedem gefahrenen Kilometer besser. Diesen „Beta-Test auf offener Straße“ würde man keinem anderen Hersteller durchgehen lassen. Immer wieder lästern die Entwickler der Konkurrenz darum hinter vorgehaltener Hand, dass das System von Tesla nicht ausgereift genug sei, um schon auf die Straße geschickt zu werden.

Tatsächlich ist die Sensorik des Tesla-Autopiloten seine größte Schwachstelle. Tesla ist technisch nicht weiter als die Konkurrenz, sondern arbeitet mit Kameras und Radar-Systemen, die bei anderen Serienherstellern ebenfalls Standard sind, beispielsweise in der S-Klasse von Daimler. Während das Google Car mit der teuren, aber hochpräzisen Lidar-Radartechnik unterwegs ist, verlässt sich der Tesla auf günstigere Sensorik des israelischen Start-ups Mobileye. Da reicht laut Medienberichten schon eine Motte auf der Linse, um das Tesla-System mächtig zu verwirren.

Tesla täte nach dem Unfall gut daran, nicht allein auf die Statistik zu verweisen. Es stimmt: Der Autopilot arbeitet wahrscheinlich zuverlässiger als jeder Mensch am Steuer. Dennoch ist am Ende der Hersteller in der Verantwortung, wenn die Systeme versagen.

Nicht umsonst versprechen Konkurrenten wie Volvo, ihre Autopiloten erst auf den Markt zu bringen, wenn die Systeme ausgereift sind. Das Versagen von Tesla besteht vor allem darin, seinen Kunden trotz etlicher Warnhinweise nicht klar genug gemacht zu haben, dass dies nicht der Fall war.

Dabei wird heute schon reichlich gewarnt: Wer den Autopiloten nutzt, muss mehrfach bestätigen, die Verantwortung zu übernehmen und immer die Hand am Lenkrad zu behalten. Während der Fahrt warnt das System akustisch, wenn es erkennt, dass die Hände des Fahrers das Lenkrad über einen längeren Zeitraum nicht berühren und verlangsamt im Zweifelsfall die Fahrt. Umso mehr verwundert dieser Unfall bei hoher Geschwindigkeit. Welche Umstände am Ende zum tragischen Tod des Tesla-Fahrers führten, müssen nun die US-Behörden herausfinden.

Für die Fans des kalifornischen Autopioniers sollte der Vorfall ein Weckruf sein, vorerst selbst die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen – insbesondere, wenn man am Steuer sitzt. Für die Angehörigen des toten Tesla-Fahrers ist das leider kein Trost mehr.

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