Tönnies-Konzern Der spektakuläre Kampf um die neue Hackordnung

Der Kampf um den größten deutschen Fleischkonzern zwischen Unternehmenschef Clemens Tönnies und seinem Neffen Robert geht vor Gericht in die entscheidende Runde. Die acht wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Deutschlands Schlachtkönige
Unifleisch Quelle: AP
Attenberger Quelle: dpa/dpaweb
Färber Gruppe Quelle: dpa/dpaweb
Vogler Quelle: AP
Teterower Fleisch Quelle: AP
Hülshorst GmbH Quelle: AP
Westphal Schlachthof Quelle: AP

Wer streitet sich da eigentlich?

Vor dem Bielefelder Landgericht beginnt am Montag der Prozess, bei dem sich der Fleischfabrikant Clemens Tönnies, 58, und sein Neffe Robert, 36, gegenüber stehen. Clemens Tönnies führt das Unternehmen aus dem ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück seit 1994. Wie sein Neffe gehören ihm 50 Prozent der Anteile am Konzern. Clemens Tönnies ist bundesweit zumindest Fußball-Fans ein Begriff – er ist Aufsichtsratschef bei Schalke 04. Die andere Hälfte des Tönnies-Konzerns gehört Robert, dem Sohn von Clemens‘ Bruders Bernd. Bernd Tönnies hatte sich 1971 mit der Idee selbständig gemacht, als Schlachter alle verwertbaren Teile des Tierkörpers zu Geld zu machen statt wie bis dahin üblich als Metzger nur einen Teil des Fleischs etwa zu Wurst zu verarbeiten. Mitte der 80er Jahre beteiligte Bernd seinen Bruder Clemens mit 40 Prozent am mittlerweile florierenden Unternehmen.


Wie groß ist der Tönnies-Konzern?

Mit einem Umsatz von rund 5,6 Milliarden Euro und rund 8000 Beschäftigten ist Tönnies der mit weitem Abstand größte deutsche Fleischhersteller, ein großer Lieferant von Aldi sowie weiteren Discountern und den großen Wurstherstellern. Auch europaweit gehört der Konzern zu den Top 3 der Branche – und wächst offenbar weiter: Vor wenigen Wochen erst hat das Unternehmen die Zulassung erhalten, seine Ware auch auf dem US-Markt anbieten zu dürfen. „In den USA brauchen sie Fleisch für Barbecue, vor allem Rippchen“, sagte Clemens Tönnies. Größter Exportmarkt ist für den Konzern derzeit China. Erst vor wenigen Tagen hat der Fleischkonzern damit begonnen, aus dem Darmschleim der Schweine den Blutgerinnungshemmer Reparin herzustellen.


Um was streiten Onkel und Neffe?

Robert Tönnies will von seinem Onkel fünf Prozent der Anteile zurück. Die hatte er ihm vor einigen Jahren geschenkt. Als Roberts Vater Bernd 1994 an den Folgen einer Nierentransplantation starb, vermachte er Robert und seinem drei Jahre älteren Bruder Clemens jun. jeweils 30 Prozent der Anteile am Unternehmen, zusammen also 60 Prozent. Bis zum 30. Geburtstag hatten die Jungs beim Konzern nichts zu sagen. Vater Bernd hatte verfügt, dass bis dahin ihre Interessen von einem Testamentsvollstrecker vertreten werden sollen. Kurz vor seinem 30. Geburtstag schenkte Robert genau wie sein Bruder Clemens jun. dem Onkel fünf Prozent seiner Anteile, wodurch Neffen und Onkel auf jeweils 50 Prozent am Unternehmen kommen. In der Präambel der Schenkungsurkunde begründen die Brüder diesen Schritt dem Vernehmen nach mit ihrer Dankbarkeit gegenüber der Leistung des Onkels seit dem Tod des Vaters.

Ist dies der erste Prozess?

Nein, bereits im Mai hatte eine andere Kammer des Bielefelder Landgerichts in einem ersten Verfahren zwischen den beiden Parteien ein Urteil gefällt. Damals ging es um das Doppelstimmrecht, über das Clemens Tönnies verfügte und mit dessen Hilfe er in strittigen Situationen das letzte Wort im Unternehmen hatte. Robert hatte seinem Onkel dieses Recht streitig gemacht, dieses habe sich nicht auf den gesamten Konzern sondern lediglich auf eine Tochtergesellschaft bezogen. Die Richter gaben Robert Recht und nahmen Clemens Tönnies das doppelte Votum. Seitdem sind wichtige strategische Entscheidungen nur noch möglich, wenn sich beide Seiten einig sind. Ums operative Geschäft kümmern sich angestellte Geschäftsführer.

Warum verlangt Robert Tönnies nun die fünf Prozent zurück?

Wegen angeblichen „groben Undanks“ – ein schweres Geschütz. Neffe Robert argumentiert, der Onkel habe in aller Stille und ohne das Wissen der Neffen eine Art „Schattenreich“ neben dem Tönnies-Konzern aufgebaut. Erst nachdem sie dem Onkel zehn Prozent der Anteile geschenkt hatten, sei herausgekommen, dass dieser privat bei dem norddeutschen Wurstproduzenten Zur Mühlen („Böklunder“-Würstchen) eingestiegen war. Außerdem habe Clemens im großen Stil in Russland investiert und dort Schweinefarmen gestartet. Angeblich laufen Planungen zum Bau eines Schlachthofes. Mit alldem, so jetzt der Vorwurf, habe er dem gemeinsamen Konzern Konkurrenz gemacht all das mit Wissen des Testamentsvollstreckers, der sich auf Clemens‘ Seite geschlagen habe.

Im Streit um die Macht bei Deutschlands größtem Schlachtkonzern hat jetzt der Neffe von Großschlachter Clemens Tönnies vor Gericht einen Punktsieg gegen seinen Onkel erzielt.
von Peter Steinkirchner


Was hält Clemens Tönnies dem entgegen?

Zur Frage der Schenkung wird Clemens Tönnies wohl damit argumentieren, dass er sich mit seinem Bruder Bernd bereits Jahre vor dessen Tod geeinigt habe, ihn bei den Anteilen gleich zu stellen. Als einen Beleg will die Clemens-Seite nach Informationen der WirtschaftsWoche wohl eine Aktennotiz eines Notars aus dem Januar 1989 präsentieren. Außerdem sollen zwei Zeugen bestätigen, dass Bernd auch in der Folgezeit diese Absicht weiter verfolgt, aber nur nicht mehr umgesetzt habe. Zur Frage der Beteiligungen heißt es, die Neffen als Gesellschafter hätten darüber informiert sein können. Außerdem habe Clemens das Russland-Geschäft und die Zur-Mühlen-Übernahme bewusst nicht in den Konzern eingebracht, weil es sich in beiden Fällen um riskante Investments gehandelt habe.


Welche Kanzleien treffen bei diesem spektakulären Prozess aufeinander?

Robert Tönnies wird von dem Rechtsanwalt Mark Binz von der Stuttgarter Kanzlei Binz & Partner vertreten. Binz hat Erfahrung in so genannten Onkel-Fällen. Er stritt schon bei ähnlichen Verwandtschaftskonstellationen bei Haribo oder beim Electronik-Fachhändler EP. Clemens Tönnies hat erst vor wenigen Wochen seine Anwälte ausgetauscht. Noch im Prozess um das Doppelstimmrecht im Mai ieß sich der Schalke-Boss von Michael Hoffmann-Becking und Matthias Blaum von der Düsseldorfer Kanzlei Hengeler-Müller vertreten. Jetzt vertraut Clemens auf die Dienste der Frankfurter Kanzlei Noerr mit dem Münchner Noerr-Partner Tobias Bürgers.

Wie geht der Prozess aus?

Das wüssten vor allem die Beteiligten gern. Darf Clemens Tönnies die geschenkten Anteile behalten, bleibt es beim Patt. Dann besteht der Druck, sich zu einigen oder einer von beiden zieht sich zurück und verkauft womöglich seinen Anteil, um das Unternehmen nicht zu lähmen. Obsiegt der Neffe, hat er die Macht im Metzger-Konzern. Wie Clemens Tönnies in dem Falle verfahren wird, ist reine Spekulation. Kommt es nicht doch noch zu einer Einigung, könnte sich die endgültige Klärung der Machtverhältnisse über Jahre hin ziehen. Gegen das Urteil im Verfahren um das Doppelstimmrecht haben Clemens‘ Anwälte Berufung beim Oberlandesgericht Hamm eingelegt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%