Truckbauer Navistar Der ideale Partner für VW

Volkswagen ist wieder auf Einkaufstour. Diesmal planen die Wolfsburger eine Beteiligung am US-Nutzfahrzeughersteller Navistar. Doch beide Unternehmen haben ein gemeinsames Problem aus der Vergangenheit.

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Um mit seinen Lkw auf dem US-Markt Fuß zu fassen, beteiligt sich Volkswagen am Truckhersteller Navistar. Quelle: Navistar

New York Vor gut 15 Jahren stand Navistar in den USA vor einem Problem, das Volkswagen nicht ganz unbekannt sein dürfte: Für das Jahr 2010 - damals noch weit in der Zukunft - waren schärfere US-Emissionsregeln für Lastwagen vorgesehen, die bestimmte Werte wie ausgestoßene Stickoxide stark begrenzten. Alle Konkurrenten setzten zur Lösung auf Katalysatoren für ihre Dieselmotoren – nur Navistar nicht. Deren Ingenieure hatten eine eigene, bahnbrechende Idee: Die Abgase sollten zum Motor zurückgeführt werden, ihn dort abkühlen und damit die Emissionen senken.

Das war beinahe der Anfang vom Ende für Navistar. Denn die „exhaust gas recirculation“ (EGR) sah auf dem Papier gut aus, bewährte sich aber in der Praxis nicht: Die Fahrleistung minderte sich, der Verbrauch der Fahrzeuge stieg an. Daraufhin gaben die Spediteure die Fahrzeuge massenweise zurück. Der US-Marktanteil von Navistar halbierte sich seit 2010 auf derzeit elf Prozent. Damit rutschte der Konzern auf den vierten Platz ab. Konkurrent Daimler dominiert mit seiner Marke Freightliner den US-Markt mit einem Marktanteil von 40 Prozent, gefolgt von Paccar und Volvo mit der Marke Mack.

Doch eine Beteiligung von Volkswagen könnte Navistar zu einer Rückkehr zu höheren Marktanteilen verhelfen. Der Wolfsburger Autokonzern will seine Lkw-Sparte ausbauen und stärker in den US-Markt einsteigen. 19,9 Prozent übernimmt VW an Navistar und wird gleichzeitig Motoren an die Amerikaner liefern.

Denn die letzte Expansion des US-Lastwagenmarkts ist an Navistar vorbeigegangen, nur die Konkurrenz sahnte ab. Der Aktienkurs sank in den vergangenen fünf Jahren – eine der besten Zeiten im Lkw-Geschäft – um 80 Prozent. Im Jahr 2012 begann dann auch die US-Börsenaufsicht mit einer Untersuchung der Firma: Sie habe Investoren mit der Behauptung absichtlich in die Irre geführt, Navistar könnte die damals neuen Emissionsvorschriften einhalten. Dazu kam eine Strafe der Umweltbehörde in Höhe von knapp 2.000 Dollar pro Motor, weil die Emissionsvorschriften nicht eingehalten wurden.

Das brachte das Fass zum Überlaufen. Navistar feuerte den damaligen Vorstandschef und ersetzte ihn mit Lewis Campell vom Mischkonzern Textron. Der arbeitete eng zusammen mit dem damaligen COO, Troy Clark, der von General Motors kam. Die beiden fällten eine gravierende Entscheidung: Sie stoppten die Produktion von EGR-Lastwagen und setzten auf die Katalysatoren-Lösung - so wie alle anderen Anbieter. Zusätzlich entließen sie ein Viertel der Belegschaft, die sich danach nur noch auf rund 14.000 belief.

Clark stieg 2013 zum Vorstandschef auf und versuchte den Neustart. Im vergangenen Jahr konnte er sich mit der US-Börsenaufsicht einigen. Navistar zahlte 7,5 Millionen Dollar, ohne ein Schuldgeständnis abgeben zu müssen. Auf einer Fachkonferenz zu Jahresanfang präsentierte Navistar einige Modelle, die ersten neuen Lastwagen seit sechs Jahren. „Wir arbeiten daran, eine großartige Lkw-Marke wieder auferstehen zu lassen und machen große Fortschritte“, sagte damals der Vorstandschef und nahm fast die VW-Beteiligung vorweg: „Eines Tages macht das einen attraktiven Partner aus uns“.


Den Lkw-Bauer drücken hohe Schulden

Dieser Tag scheint nun gekommen. Für VW ist Navistar ideal. Das Unternehmen ist fast ausschließlich in den USA, Kanada und Mexiko aktiv. Dazu verfügt es laut Analysten über eines der besten Händlernetze in Amerika. Ein Umstand, der sich mit besseren Produkten schnell zur höheren Umsatzzahlen führen könnte.

Allerdings ist das nicht einfach. Das größte Problem ist der Gesamtmarkt, der laut Clark 2016 um 20 Prozent einbrechen könnte. Die meisten Speditionen haben sich mit neuen, sparsamen Lastwagen eingedeckt. Die durch die Finanzkrise gerissene Nachfragelücke ist größtenteils gestopft. Auch ist es nicht einfach, verlorenen Boden wett zu machen. 80 Prozent der Nachfrage kommt von ein paar hundert Speditionen, die mit ihren riesigen Flotten nur ungern auf eine neue Marke umsatteln.

Navistar plagen zudem hohe Schulden von fünf Milliarden Dollar in der Bilanz. Noch vor wenigen Monaten verzinsten sich die Unternehmensanleihen mit fast 20 Prozent – ein klares Signal der Investoren, das sie einen Bankrott nicht ausschließen. Seitdem erholten sich sowohl der Aktien- als auch die Anleihenkurse. Investoren schätzen das Risiko bei Navistar inzwischen geringer ein. Trotzdem hat das Unternehmen mit seinen geringen Gewinnmargen keinen großen finanziellen Spielraum.

Der Einstieg von VW ist für Carl Icahn endlich eine gute Nachricht. Der Hedgefondsmanager - nicht mehr so ungeduldig wie in früheren Jahren - legt fast ausschließlich eigenes Geld an und zeigt mehr Geduld. Die allerdings strapaziert Navistar. An dem Unternehmen hält er 20 Prozent. Icahn fing 2011 an, Navistar-Aktien zu kaufen. Im Schnitt zahlte er fast 34 Dollar je Aktie. Das Angebot von VW liegt damit mehr als 50 Prozent unter dem von ihm gezahlten Preis. Für Icahn ist es also noch ein langer Weg zum Erfolg mit Navistar.

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