Türkei Universität Aachen erstellte Pläne für Panzerfabrik

Die Türkei plant den Aufbau einer eigenen Panzerfertigung. Deutschland soll dabei helfen. Die Universität Aachen erstellte eine Studie. Der Rüstungskonzern Rheinmetall spielt die Pläne herunter.

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Türkei: Universität Aachen erstellte Pläne für Panzerfabrik Quelle: dpa

Die Universität RWTH Aachen hat eine Machbarkeitsstudie für eine umstrittene Panzerfabrik in der Türkei erstellt, in die der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall involviert ist. Das ergeben gemeinsame Recherchen des Magazin „stern“ mit dem Recherchezentrum CORRECTIV und der türkischen Exilredaktion Özgürüz.

Der türkische Unternehmer Ethem Sancak plant mit seiner Firma BMC auf einer Fläche von 222 Hektar in Karasu an der Schwarzmeerküste ein Werksgelände für die Fertigung von Autos, Bussen und Motoren – und auch Panzern. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall ist über ein Joint Venture mit BMC verbunden.

Die Pläne haben in Deutschland bereits zu Protesten geführt. Präsident Recep Tayyip Erdogan hält bis heute deutsche Journalisten und Menschenrechtler eingesperrt. Eine Panzerfertigung mit deutscher Hilfe passt da nicht ins Bild. Rheinmetall spielt das Vorhaben inzwischen herunter. Man habe für Karasu „keine Werksplanungen entwickelt oder entwickeln lassen“, beteuerte der Konzern jetzt. Doch dem „stern“ sowie CORRECTIV liegen detaillierte Unterlagen zu dem Werksgelände in Karasu vor – auch aus dem Hause Rheinmetall. Auf einer Folie aus dem Jahr 2017 nennt Rheinmetall es das „BMC Karasu Projekt“. Eine Halle wird auf den Folien mit „MBT“ abgekürzt. MBT steht für Main Battle Tank, also Kampfpanzer.

In die Planungen für den Fabrikbau war zumindest zeitweise das Werkzeugmaschinenlabor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) aus Aachen eingebunden. Von Mai bis September 2016 arbeitete die RWTH an einer Machbarkeitsstudie für das Werk in der Türkei. Der Auftrag sei von einer Vermittlungsfirma gekommen, nicht von Rheinmetall, sagt ein Sprecher der Hochschule auf Anfrage. Es sei zunächst auch nur um „Spezialfahrzeuge“ gegangen. Erst später meldeten sich Vertreter von BMC. Und nun war auch vom Bau von Panzern die Rede. Man habe den Auftrag daraufhin „frühzeitig mit einer eingeschränkten Präsentation der Ergebnisse beendet“, sagt der Sprecher. Es sei „ein Fehler“ gewesen, dass man die Studie erstellt habe, räumt er ein.

Schlüsselstaat Türkei

Irgend jemand hat mit der Hochschule also ein veritables Versteckspiel getrieben. Rheinmetall kann Fragen zu der RWTH-Studie nach eigenen Angaben „nicht nachvollziehen“. Aber gewiss ist, dass der Konzern seit 2015 mit BMC über eine mögliche gemeinsame Produktion von Panzern in der Türkei im Gespräch war. Bereits am 17. März 2016 kündigte Rheinmetall-Chef Armin Papperger ein Joint Venture zum Bau militärischer „Fahrzeugsysteme“ in der Türkei an – also rund zwei Monate vor dem Auftrag an RWTH.
Dabei ist bis heute nicht ganz klar, inwieweit bei dem Karasu-Projekt deutsche Exportvorschriften beachtet werden. In der Hochschule hatte man sich immerhin, so ihr Sprecher, „vom vermittelnden Unternehmen bestätigen lassen, dass dies geprüft wurde“.

„Wenn wir mit Partnern in der Türkei einen türkischen Panzer entwickeln und bauen, dann ist die Bundesregierung daran nicht beteiligt“, sagte Firmenchef Papperger im März in einem Interview.
Das Unternehmen halte sich „strikt“ an die deutschen Rüstungsexportregeln, versichert Papperger. In der Tat ist es bis heute erlaubt, ohne Genehmigung Experten für die technische Unterstützung bei der Rüstungsproduktion in Ländern wie der Türkei zu entsenden. Es ist eine Gesetzeslücke, die die Bundesregierung bis heute nicht schließen will.

Die Große Koalition in Berlin hat eigentlich einen härteren Kurs gegenüber Ankara angekündigt. Aber in Sachen Rheinmetall spielt sie das Versteckspiel bisher mit. Weder Kanzlerin Angela Merkel noch einer ihrer Minister haben das Vorgehen des Unternehmens in der Türkei bisher kritisiert. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir übte deshalb jetzt harte Kritik: „Der Umgang mit Rheinmetalls Türkei-Plänen ist ein Paradebeispiel für die Doppelzüngigkeit der Bundesregierung“, sagte Özdemir dem „stern“. Während Außenminister Sigmar Gabriel „lautstark ein Ende der Rüstungsexporte in die Türkei“ fordere, schauten er und seine Koalition bei dem Rheinmetall-Vorhaben „stillschweigend zu“.

Die Autoren sind Redakteure des Recherchezentrums Correctiv. Die Redaktion, mit der unsere Zeitung kooperiert, finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: Mit gründlicher Recherche Missstände aufzudecken und unvoreingenommen darüber zu berichten. Wenn Sie Correctiv unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied.

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