Übernahme von Qiagen Und ein weiterer deutscher Biotech-Pionier wird amerikanisch

Ein Labormitarbeiter führt im Qiagen-Standort Hilden Probenröhrchen zur Aufbereitung in ein Gerät des Biotech-Unternehmens ein. Quelle: dpa

Das US-Unternehmen Thermo Fisher übernimmt für rund zehn Milliarden Euro das Biotech-Unternehmen Qiagen aus Hilden bei Düsseldorf. Dabei galten die Gespräche bereits als gescheitert. Nun konnte Qiagen mit einem Coronavirus-Test punkten – für die Übernahme könnte das eine wichtige Rolle gespielt haben.

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Nun also doch: Der US-Laborspezialist Thermo Fischer übernimmt für über zehn Milliarden Euro das deutsche Biotechunternehmen Qiagen. Eines der ältesten deutschen Biotechs wechselt damit den Eigentümer. Qiagen, 1984 von Wissenschaftlern der Universität Düsseldorf gegründet, hat sich auf die Analyse von Erbgut spezialisiert. Unter Branchenkennern genießen die Produkte des Unternehmen aus Hilden bei Düsseldorf einen guten Ruf: Die Technologie von Qiagen kommt etwa in der Polizeiarbeit zum Einsatz, wenn es gilt, Spuren an Waffen zu sichern. Hauptanwendungsgebiet ist jedoch die Medizin: Qiagen-Geräte können das genetische Erbgut von Tumoren bestimmen und genau analysieren, um welche Mutation es sich beim jeweiligen Patienten handelt – Ärzte können dann etwa die Chemotherapien besser abstimmen. Qiagen brachte es zuletzt auf einen Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Dollar.

Jüngst liefen die Geschäfte allerdings schlechter als erwartet. Qiagen verfehlte mehrere Prognosen, der langjährige Vorstandschef Peer Schatz verabschiedete sich im Herbst. In dieser Schwächephase hatte Qiagen das Interesse mehrerer Aufkäufer geweckt – auch Thermo Fisher soll seinerzeit bereits unter den Interessenten gewesen sein. Ende 2019 erklärte Qiagen die Übernahmegespräche dann allerdings für beendet. Um dann nur zwei Monate später doch eine Einigung mit den Amerikanern zu erzielen.

„Der Zeitpunkt hat mich überrascht; schließlich waren die Übernahmegespräche noch 2019 beendet worden“, sagt Ulrich Huwald, Analyst beim Bankhaus M.M. Warburg. Die 10,4 Milliarden Euro hält Huwald für einen „ansehnlichen Kaufpreis“. Was genau Qiagen jetzt doch zum Verkauf bewegt hat, ist noch unklar.

Womöglich hat das Coronavirus für eine Beschleunigung gesorgt. Denn Qiagen hat einen Test entwickelt, mit dem potenziell Infizierte schnell feststellen können, ob sie das Virus in sich tragen oder nicht. In Europa und Asien ist der Test bereits auf dem Markt; in den USA wollte Qiagen Anfang dieser Woche die Genehmigungsunterlagen einreichen. Analyst Huwald vermutet: „Das könnte Thermo Fisher bewogen haben, noch etwas Geld draufzulegen.“ Jedenfalls spielt Qiagen technologisch dabei ganz vorne mit: „Unternehmen wie Qiagen oder Roche können mit ihren Geräten Hunderte Tests auf das Coronavirus gleichzeitig analysieren.“

Schon Ende vergangenen Jahres galt Thermo Fisher als Favorit für die Qiagen-Übernahme – die Produkte beider Unternehmen passen gut zueinander. Um den Kaufpreis schnell wieder hereinzuholen, dürfte bei Qiagen nun eine größere Restrukturierung anstehen. Was das für die Arbeitsplätze bedeutet, ist noch offen. Thermo Fisher hat bereits angekündigt, ab dem dritten Jahr der Übernahme Kosten in Höhe von 150 Millionen Dollar einsparen zu wollen.

So wandert nun mit Qiagen schon wieder ein Stück Biotech-Know-how ab. Ohnehin haben sich die deutschen Biotechs in den vergangenen Jahren bereits verstärkt Richtung USA orientiert. Das Interesse heimischer Investoren an deutschen Biotech war auch nie besonders ausgeprägt: Über viele Jahre sorgten SAP-Gründer Dietmar Hopp, der derzeit völlig zu Unrecht in Fußballstadien geschmäht wird, sowie die früheren Hexal-Eigentümer Thomas und Andreas Strüngmann, für den Großteil des Geldflusses. In den USA erhalten deutsche Biotechs mittlerweile schneller und einfacher mehr Kapital. Bei Börsengängen ist mittlerweile die New Yorker Nasdaq die erste Wahl: Der Mainzer Krebsforschungsspezialist Biontech, die Rostocker Centogene und die Münchner Immunic ließen ihre Aktien lieber dort notieren als in Frankfurt.

Das Interesse der US-Investoren an deutschen Biotechs ist durchaus gewachsen – das spricht für die Qualität der Forschung, aber auch für einen weiteren Know-how-Abfluss.

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