Überschalljets für Geschäftsflieger Unter fünf Stunden für einen Flug nach Sydney

Seit dem Aus für die Concorde scheint der Traum vom Überschallflugzeug ausgeträumt. Jedoch nicht für Geschäftsflieger: Unternehmen entwickeln Maschinen, die später nur ein Viertel der aktuellen Flugzeit brauchen könnten.

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Seit dem letzten kommerziellen Überschallflug der Concorde vor elf Jahren hat sich die Welt der Luftfahrt in jeder Hinsicht weiter entwickelt. Die Fluggeschwindigkeit ist jedoch ist gleich geblieben. Gesetzt wurde auf Kostensenkungen durch große Maschinen mit höherer Kapazität. 2003 konnte die damals größte Boeing 747-400 416 Fluggäste befördern. Ein aktueller Airbus A380 fasst 525 Reisende.

Der Traum von der Überschallgeschwindigkeit wird aber nicht nur von entnervten Passagieren auf den schier endlos langen Interkontinentalstrecken weitergeträumt. Denn eine Handvoll Unternehmen widmet sich hartnäckig dem Ziel von Passagierflügen schneller als der Schall – wenn auch nur für Geschäftsflieger.

Ganz vorn dabei ist der texanische Milliardär Robert Bass, der in den letzten zehn Jahren mehr als 100 Millionen Dollar in die Entwicklung seines Unternehmens Aerion in Reno (US-Bundesstaat Nevada) gesteckt hat. Der 66-jährige Gründer des Finanzinvestors Oak Hill ist überzeugt, dass es einem Markt gibt für ein 100 Millionen Dollar teures Flugzeug, mit dem ein paar Superreiche in knapp vier Stunden von London nach New York düsen können.

„Für ein sehr schnelles Flugzeug gibt es eine hohe Nachfrage“, sagt Aerion-Vorstandschef Doug Nichols, der früher bei Boeing gearbeitet hat. Die immense Zeitersparnis sei das entscheidende Verkaufsargument. Marktforscher Rolland Vincent schätzt das Potenzial für die kommenden 20 Jahre auf mehr als 600 Exemplare. Aerion hat laut Nichols bereits 50 Vorverträge mit einer Anzahlung von 250.000 Dollar geschlossen. „Unser Ziel ist ein Überschalljet, der den Pazifik überqueren kann“, sagt er, „denn in Asien sehen wir einen besonders großen Markt“.

Ein solches Fluggerät wäre nicht nur wesentlich teurer als die besten Privatjets wie der Bombardier Global 6000 für 60 Millionen Dollar, sondern wäre auch im Betrieb erheblich kostspieliger. Der gewaltige Kerosinbedarf bei Überschallflügen würde selbst Milliardäre abschrecken, wie Kritiker zu bedenken geben. „Ein Geschäftsflugzeug wird wegen der Privatsphäre gekauft, und natürlich wegen der Zeitersparnis – aber beides muss durch den Preis gerechtfertigt sein“, sagt Vorstandschef Patrick Margetson-Rushmore vom Charterunternehmen London Executive Aviation. Es sei schlicht falsch, dass Geld dabei keine Rolle spiele.

Kosten scheute die Tochter Gulfstream des US-Rüstungskonzerns General Dynamic jedenfalls nicht, als sie mit der G650 für 65 Millionen Dollar das bislang schnellste Geschäftsflugzeug vorstellte. Mit Mach 0,925 verpasst dieser Flieger die Schallmauer nur knapp – und die Kundschaft steht Schlange. Wer jetzt bestellt, wird frühestens 2017 beliefert.

Aus dem Stand auf unglaubliche Mach 5

Ein Jahr später soll der Überschall-Hoffnungsträger S-512 von Spike Aerospace aus Boston auf den Markt kommen. Besonderheit: Um die Belastung des Rumpfes bei den angepeilten Mach 1,6 zu minimieren wird auf Fenster verzichtet. Die Innenwände des Passagierraumes sind Bildschirme, die unter anderem ein Livebild der Umgebung übertragen sollen.

Etihad setzt auf fliegende Hotelzimmer
Im Kampf um eine äußerst zahlungskräftige Kundschaft setzt die arabische Fluggesellschaft Etihad Airways auf Suiten mit Bett, Bad und Butler. Zielgruppe sind Reiche, denen es in der ersten Klasse noch zu eng ist. Quelle: Presse
Die Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten setzt damit ihren letzten Luxusangeboten wie persönliche First-Class-Köche und Kindermädchen noch eins drauf. Etihad-Chef James Hogan räumte ein, dass die Einführung der ersten Mehrraum-Suiten in den modernen Passagierflugverkehr auch als PR-Gag aufgefasst werden könnte. Natürlich erzeuge das Aufmerksamkeit, aber man wolle damit auch Geld verdienen. „Das ist offensichtlich ein Hallo-Effekt bei der Positionierung von Etihad als Premium-Fluglinie“, sagte er. „Aber wir würden das nicht machen, wenn wir nicht das Gefühl hätten, damit Geld verdienen zu können. Das ist ein erstklassiger Markt, auf dem es Nachfrage gibt.“ Quelle: AP
Bei Etihad können Einzelpersonen oder Paare demnächst in den A380-Modellen eine dreiteilige Suite im Oberdeck buchen, die fast zwölf Quadratmeter groß ist. Ledersitze, eine gekühlte Minibar und ein Fernseher gehören zum Inventar, ebenso eine Dusche. Ein in London ausgebildeter Butler solle sich um das Wohlbefinden der Gäste kümmern. Quelle: AP
Der erste derart ausgerüstet A380 werde vermutlich im Dezember den Flugbetrieb aufnehmen - auf der Strecke von Abu Dhabi nach London. Später werde das Angebot auf Sydney und New York erweitert, sagte der Finanzvorstand Peter Baumgartner. Der Flug von Abu Dhabi nach London in der Luxussuite werde mit gut dem Vierfachen des Preises in der normalen Ersten Klasse zu Buche schlagen - an die 21.000 Dollar (etwa 15.000 Euro). Quelle: AP
Etihad ist die kleinste von drei äußerst schnell wachsenden Golf-Fluggesellschaften. Sie wurde 2003 gestartet und hat mittlerweile 96 Flugzeuge, die im vergangenen Jahr 11,5 Millionen Passagiere beförderten. Ihr Golf-Rivale Emirates bietet inzwischen Passagieren der ersten Klasse Duschen in ihren Airbus A380 an. Quelle: AP

Boeing und Lockheed Martin arbeiten seit 2010 an einer Dämpfung des ohrenbetäubenden Überschallknalls, der beim Durchbruch der Schallmauer entsteht. Seit 1973 wurde wegen dieses Effekts der Überschallbetrieb von der Flugaufsicht FAA in den USA nur über Wasser erlaubt. Schnell folgten andere Länder, was als ein Grund für den mangelnden Verkaufserfolg der Concorde gilt. „Wir halten einen ruhigen Überschallbetrieb ohne Knall mittlerweile für erreichbar“, sagt Projektleiter Peter Coen von der Nasa. Allerdings sei kaum vor 2025 mit entsprechenden Konstruktionen zu rechnen.

Und derzeit werden weitere technische Grenzen verschoben. Die Raketentechniker von Reaction Engines im englischen Oxford haben mittlerweile die entscheidende Kühlung für ein leichtes Triebwerk namens Sabre im Griff, das ein Flugzeug aus dem Stand auf unglaubliche Mach 5 beschleunigen kann. Ursprünglich galt diese Entwicklung einem wiederverwendbaren Raumfahrzeug.

Ein so ausgerüstetes Flugzeug würde die Strecke Brüssel-Sydney in vier Stunden und 40 Minuten absolvieren – derzeit sind dafür im besten Fall 21 Stunden einzuplanen. Wie der 69-jährige Firmengründer Alan Bond versichert, der seit 30 Jahren an dem Projekt arbeitet, überhitzt der ultrastarke Flugmotor dabei nicht.

Reaction Engines rechnet mit der Marktreife in frühestens 15 Jahren, hat aber erst kürzlich von der britischen Regierung 60 Millionen Pfund für ein vierjähriges Triebwerksprogramm erhalten. „Wenigstens zeigt das“, sagt Bond, „dass wir nicht mehr für Verrückte gehalten werden”.

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