Unternehmensfusionen "Die Gefahr, übernommen zu werden, steigt"

Weltweit schließen sich mehr Unternehmen zusammen als je zuvor. Nur die deutschen Konzerne machen bisher kaum mit. Doch der Druck auf sie wird immer höher.

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Siemens-Dresser-Rand Quelle: dpa

Es sollte der richtig große Wurf sein. Schon lange hatte Siemens ein Auge auf das texanische Unternehmen Dresser-Rand geworfen, im September 2014 schlugen die Münchner zu. Knapp acht Milliarden Dollar war ihnen der Hersteller von Turbinen und Kompressoren für die Öl- und Gasindustrie wert – sehr viel Geld für scheinbar sehr viel Zukunft. Mit Dresser-Rand wollte Siemens vom Boom der umstrittenen Fracking-Technologie profitieren und den profitabelsten Geschäftszweig Öl und Gas stärken. Der Kauf werde „den Unternehmenswert deutlich steigern“, versprach Vorstandschef Joe Kaeser.

Geklappt hat das bisher nicht. Der Ölpreis hat sich seit dem Kauf halbiert, Förderunternehmen haben Investitionen zurückgestellt, Fracking lohnt sich kaum noch. Dresser-Rand hat im letzten Quartal vor der Übernahme Verluste gemacht und Hunderte Stellen abgebaut. Statt Kaeser für seine Weitsicht zu feiern, werfen ihm Aktionäre vor, falsch und zu teuer eingekauft zu haben. Der Siemens-Chef verteidigt sich, doch außer der Aussicht, dass Öl irgendwann wieder mehr kostet, fehlen Argumente.

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Vorhersehbar war das nicht. Doch Fehlgriffe wie Dresser-Rand sorgen dafür, dass deutsche Manager vor großen Übernahmen zurückschrecken. Während weltweit ein großer Deal dem nächsten folgt, halten sie sich zurück. Das ist oft sinnvoll. Doch in Branchen wie Pharma, Chemie und Telekommunikation entstehen durch Zusammenschlüsse neue Giganten, die den Wettbewerb beherrschen können. Wenn deutsche Unternehmen dauerhaft auf Zukäufe verzichten, drohen sie selbst zum Übernahmeziel zu werden. Der gerade abgeblasene Angriff der kanadischen Potash auf den deutschen Düngemittelhersteller K+S ist ein erster Vorbote.

Fusionen-Rekord

Das Volumen aller Fusionen und Übernahmen liegt in den ersten neun Monaten 2015 bei gut drei Billionen Euro und damit über dem bisherigen Rekordjahr 2007. Vor allem die Zahl sehr großer Transaktionen hat zugenommen. 45 Deals hatten ein Volumen von mehr als zehn Milliarden US-Dollar, das waren doppelt so viele wie in den ersten neun Monaten 2014. Besonders viel ist in den USA los, das Volumen aller Transaktionen liegt 45 Prozent über dem Vorjahr. Ein Ende ist trotz konjunktureller Unsicherheiten vorerst nicht in Sicht. So will der weltgrößte Bierbrauer Anheuser-Busch Inbev die britische SAB Miller übernehmen.

Volumen aller Fusionen und Übernahmen (in Milliarden Euro). Für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.

Die Bedingungen für Zukäufe sind gut. Zwar sind die Preise gestiegen, in den ersten neun Monaten waren Unternehmen durchschnittlich mit mehr als dem 15-Fachen ihres Ergebnisses vor Zinsen und Abschreibungen bewertet. Wegen der historisch niedrigen Zinsen vergeben Banken aber gerne und günstig Kredite. Da US-Firmen Käufe oft mit eigenen Aktien bezahlen, profitieren sie zudem von der guten Entwicklung des eigenen Kurses. Auch kommen Kaufpläne bei den eigenen Aktionären gut an. Bei zwei Dritteln der Unternehmen stieg der Aktienkurs nach Bekanntgabe eines Akquisitionsplans. Das macht Manager selbstbewusst, sie trauen sich größere Käufe zu.

Jedoch nicht in Deutschland. Der Gesamtwert der Transaktionen mit deutscher Beteiligung liegt mit 86 Milliarden Euro unter dem Vorjahr. „Deutsche Manager agieren sehr sorgfältig und risikobewusst und sind deshalb besonders sensibel für Unsicherheit und Volatilität“, sagt Berthold Fürst, der bei der Deutschen Bank das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Deutschland leitet. Zu Beginn des Jahres war die Zukunft Griechenlands unsicher, nun stehen Sorgen um China und die mögliche Erhöhung der Leitzinsen in den USA im Vordergrund.

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