Der Druck auf alte Geschäftsmodelle dürfte zu weiteren Deals führen. Das gilt für Autozulieferer, die deutlich sparsamere Motoren und Ausrüstung für Elektroautos liefern müssen. Auch staatliche Eingriffe fördern die Neuordnung ganzer Branchen. Neben den Energieversorgern trifft das vor allem die Banken. So hat die Deutsche Bank angekündigt, sich 2016 von der Postbank zu trennen. Auch um den Verkauf des verbliebenen Staatsanteils an der Commerzbank gibt es immer wieder Spekulationen.
Auch die Unsicherheit über die Weltkonjunktur kann das deutsche Fusionsgeschäft etwas beleben. Seit dem Höchststand sind die Aktienkurse um 20 Prozent gefallen. Noch haben die Verkäufer ihre Preiserwartungen nicht angepasst. Wenn das jedoch geschieht, könnten auch deutsche Vorstände erkennen, dass sie sich aller Sparsamkeit zum Trotz einen größeren Einkauf leisten können. Einige Unternehmen kommen als Käufer besonders infrage:
- Evonik Klaus Engel, Chef des Essener Chemiekonzerns, will zukaufen: „Wir wollen bei der Konsolidierung der Branche nicht an der Seitenlinie stehen.“ Bis zu zehn Milliarden Euro könnte Evonik aus eigener Kraft mobilisieren und damit das Geschäft mit Spezialchemikalien stärken. Im Visier hat Engel Wettbewerber wie Clariant (Schweiz), DSM (Niederlande), Croda (England) oder Arkema (Frankreich). Mittelfristig könnte auch eine Übernahme von Lanxess ein Thema sein.
- Axel Springer Die Fusion mit dem TV-Konzern ProSiebenSat.1 kam ebenso wenig zustande wie die Übernahme der britischen „Financial Times“. Doch in der sich durch die Digitalisierung radikal wandelnden Medienbranche gehen weltweit Konzerne zusammen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass die Liaison von Berlinern und Münchnern erneut aufs Tapet kommt. Damit Verlagschefin Friede Springer die Kontrolle behalten kann, will sich Springer in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umwandeln.
Die zehn größten IT-Übernahmen weltweit nach Kaufpreis
Im Jahr 2010 schluckte Microsoft die norwegische Suchmaschine Fast. Das 1997 gegründete Unternehmen ist auf Suchmaschinenprogramme für Firmenkunden spezialisiert. Der Kaufpreis soll 1,2 Milliarden US-Dollar betragen haben.
Quelle: Statista
2006 übernahm Google Youtube für 1,65 Milliarden US-Dollar. Youtube, damals noch ein defizitäres Start-Up-Unternehmen, war für Google zu diesem Zeitpunkt der teuerste Kauf in der achtjährigen Firmengeschichte.
2014 überrasche Facebook Branchenkenner mit dem Kauf von von Oculus VR. Zwei Milliarden US-Dollar zahlte Facebook für den Hersteller von VR-Brillen, die speziell für PC-Spiele ausgelegt sind. Mit dem Unternehmen hat Mark Zuckerberg großes vor. „Oculus hat die Chance, die sozialste Plattform überhaupt zu werden“, sagte er anlässlich der Übernahme.
Nur ein Jahr nach der Youtube-Übernahme kaufte Google für sage und schreibe 3,1 Milliarden US—Dollar den Anzeigenriesen Doubleclick. Auch Microsoft, AOL und Yahoo waren interessiert, hatten allerdings das Nachsehen. Schon vor dem Zukauf hatte Google die führende Stellung im Geschäft mit der Internet-Werbung inne. Mit der Übernahme konnte Google diese Position noch weiter ausbauen.
Ähnlich viel wie für Doubleclick zahlte Google für den Kauf Nest Labs: 3,2 Milliarden US-Dollar. Die Firma, die smarte Thermostate und Rauchmelder herstellt hat für Google ein ganz besonderes Potenzial: Sie ermöglicht Google das Sammeln von Daten in der analogen Welt.
Nur einen Monat, nachdem Google Microsoft Doubleclick vor der Nase weg kaufte, legte Microsoft 2007 nach und kaufte für 6,3 Milliarden US-Dollar Aquantive – einen Wettbewerber Doubleclick. Für Microsoft war das bis dato der größte Zukauf der Firmengeschichte. Letztendlich war es ein Flop für Microsoft.
Im Jahr 2013 kaufte Microsoft für 5,4 Milliarden US-Dollar die Handysparte von Nokia. Bereits seit 2011 hatten beide Unternehmen zusammengearbeitet – Nokia war der wichtigste Hersteller für Smartphone mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows Phone.
2011 tätigte Microsoft den bis dato teuersten Kauf seiner Firmengeschichte: Für 8,5 Milliarden US-Dollar übernahm Microsoft den Online-Telefondienst Skype. Rentiert hat sich das bis heute nicht. Skype fehlt es an zahlenden Kunden.
Im August 2011 kündigte Google an, den Mobilfunk-Pionier Motorola Mobility zu übernehmen. Insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar zahlte Google dafür. Interessant seien für Google nach eigenen Angaben vor allem das 17.000 Eintragungen umfassende Patentportfolio Motorolas gewesen. Die Liasion hielt nicht lange. 2014 verkaufte Google das Unternehmen für knapp drei Milliarden US-Dollar an Lenovo.
Im Februar 2014 kündigte Facebook an, den Messanger-Dienst Whatsapp zu übernehmen. Der damalige Kaufpreis: 19 Milliarden US-Dollar. Facebook hat Whatsapp wegen des schnell Nutzerzuwachs übernommen. Mittlerweile hat Whatsapp 700 Millionen Nutzer weltweit.
- SAP Wenn sich ein Dax-Konzern mit Großübernahmen auskennt, ist es SAP. Der Weltmarktführer für Software zur Unternehmenssteuerung hat etliche Akquisitionen gestemmt. Gut möglich, dass die Walldorfer diesen Weg weitermarschieren: Vorstandschef Bill McDermott hat dem Konzern Mitte 2014 einen entschiedeneren Schwenk in Richtung internetbasierte Software (Cloud Computing) verordnet. Weil es dabei vor allem auf Tempo ankommt, könnte sich SAP weitere Cloud-Spezialisten einverleiben. Wegen der großen Nachfrage sind entsprechende Anbieter jedoch nur sehr teuer zu haben.
- Salzgitter Der Stahlkonzern ist bereits mit 25 Prozent am Hamburger Kupferproduzenten Aurubis beteiligt. Vorstandschef Heinz Jörg Fuhrmann sagte erst kürzlich, dass er sich eine Komplettübernahme gut vorstellen könne. Dafür gäbe es eine wirtschaftliche Logik: Industrielle Prozesse könnten gemeinsam entwickelt werden.
- Continental Der Zulieferer aus Hannover hat 2014 den US-Kautschukproduzenten Veyance für 1,4 Milliarden Euro übernommen. Weitere Zukäufe sollen folgen. Dabei dürften Unternehmen im Fokus stehen, deren Produkte Antriebe sparsamer machen oder vom Trend zum Elektroauto profitieren.
- United Internet Einen Fuß hat das Unternehmen bereits in der Tür des Mobilfunkdiscounters Drillisch. Über 20 Prozent der Anteile hat sich der in Montabaur ansässige Internetdienstleister bereits im Frühjahr gesichert. Gut möglich, dass United Internet seine Anteile weiter aufstockt und den Konkurrenten ganz übernimmt. Denn Drillisch besitzt etwas, was United Internet auch gerne hätte. Bis zu 30 Prozent der Netzkapazitäten des Mobilfunknetzbetreibers Telefónica darf Drillisch für eigene Mobilfunkprodukte nutzen. Dies war eine der Auflagen der EU-Kommission, als sie die Fusion zwischen Telefónica und E-Plus genehmigte.
- Rheinmetall Die Düsseldorfer wollen ihr Rüstungsgeschäft um Produkte erweitern, die sich leichter exportieren lassen als die im heutigen Kerngeschäft dominierenden Panzer und die Munition. Im Visier sind die U-Boote von ThyssenKrupp, Teile der Rüstungselektronik von Airbus sowie Atlas Elektronik, das bei Tauchrobotern führende Joint Venture von Thyssen und Airbus. Die Verkäufer verlangen gut drei Milliarden Euro – fast das Doppelte von dem, was Rheinmetall zahlen will. Doch die Rheinländer pokern, dass die Bundesregierung die sensible Technik in deutscher Hand sehen will und sie als einziger Käufer übrig bleiben.