Urteil EuGH erklärt Abgas-Software in Dieselwagen für illegal

Dieses Urteil könnte die Rechte für Besitzer älterer Diesel-Wagen stärken: Der EuGH erklärt eine umstrittene Software zur Schönung von Abgaswerten bei Zulassungstests für illegal.

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Das Urteil des EuGH dürfte für die Branche richtungsweisend sein. Quelle: dpa

Fünf Jahre nach Beginn des VW-Diesel-Skandals hat der Europäische Gerichtshof eine umstrittene Software zur Schönung von Abgaswerten bei Zulassungstests für illegal erklärt. Das Urteil fiel am Donnerstag in Luxemburg. Es könnte die Rechte für Besitzer älterer Diesel-Wagen deutlich stärken. (Rechtssache C-693/18)

Ein Hersteller dürfe keine Abschalteinrichtung einbauen, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen verbessert, erklärte das Gericht. Auch die Verminderung von Verschleiß oder Verschmutzung des Motors könne eine solche Abschalteinrichtung nicht rechtfertigen.

Im September 2015 war aufgeflogen, dass Volkswagen mit spezieller Software Abgaswerte bei Zulassungstests manipuliert hatte. Die Folge waren Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe und eine Klagewelle, die immer noch läuft. Hintergrund des EuGH-Verfahrens ist ein Fall aus Frankreich, wo gegen einen Hersteller wegen arglistiger Täuschung ermittelt wird. Dieser wird in den Gerichtsakten nur mit „X“ bezeichnet. Volkswagen hat jedoch bestätigt, dass es um seine Fahrzeuge geht.

Im Kern ging es um die Bewertung der Software, die erkennt, ob ein Auto für Zulassungstests im Labor geprüft wird. Während der Tests läuft mit voller Stärke die sogenannte Abgasrückführung, die den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide verringert. So werden im Labor Schadstoffgrenzwerte eingehalten. Im Normalbetrieb wird die Abgasrückführung dann aber gedrosselt. Der Effekt ist mehr Motorleistung, aber eben auch mehr Stickoxid.

Der EuGH hatte im Wesentlichen zwei Fragen zu klären: Handelt es sich bei der Software um eine „Abschalteinrichtung“? Diese sind laut EU-Recht grundsätzlich verboten, es gibt aber Ausnahmen, unter anderem, wenn die Abschalteinrichtung nötig ist, „um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen“ oder „den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“. Die zweite Frage war also: Fällt diese Software unter die Ausnahme?

Die zuständige Generalanwältin Eleanor Sharpston hatte letztere Frage in ihrem Gutachten zum Fall im Frühjahr eindeutig verneint. Der EuGH folgte dieser Einschätzung nun.

9000 Verfahren laut VW betroffen

An diesem Donnerstag steht noch eine weitere wegweisende Entscheidungen zur Aufarbeitung des Dieselskandals an: Am Nachmittag äußert sich dann der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals zur Verjährung bei Schadenersatz-Klagen gegen Volkswagen (Az. VI ZR 739/20).

Dabei geht es um die Frage, ob vom VW-Abgasskandal betroffene Diesel-Besitzer noch 2019 oder 2020 auf Schadenersatz klagen konnten. Der Kläger in dem Musterfall dürfte wohl leer ausgehen. Denn in seinem Fall steht unstreitig fest, dass ihm bereits 2015 klar war, dass auch sein Auto mit der illegalen Abgastechnik ausgestattet war. Seine Klage beim Stuttgarter Landgericht ging erst 2019 ein.

Die Verjährungsfrist beträgt normalerweise drei Jahre und läuft ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Betroffene davon erfahren hat. Der Dieselskandal war im Herbst 2015 bekanntgeworden. Und die obersten deutschen Zivilrichter dürften aller Voraussicht nach entscheiden, dass dem Mann eine Klage schon damals zumutbar war. Das hatte sich in der Verhandlung am Montag abgezeichnet. Damit wäre die Verjährung mit Ende 2018 eingetreten.

Laut VW sind noch rund 9000 Verfahren offen, in denen erst 2019 oder 2020 geklagt wurde. Die einzelnen Fälle sind aber unterschiedlich gelagert. Denn anders als hier ist oft umstritten, was die Kläger 2015 schon wussten. Der Vorsitzende Richter hat deshalb bereits eine weitere Verhandlung zur Verjährung im kommenden Jahr angekündigt.

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