Dieselskandal VW-Chef Diess hat offenbar heimlich beim FBI ausgesagt

Der neue VW-Chef Herbert Diess hat einem Zeitungsbericht zufolge vor den US-Ermittlungsbehörden in Sachen Dieselskandal ausgesagt. Quelle: REUTERS

Medienberichten zufolge hat Konzernchef Diess im Dieselskandal beim FBI ausgesagt – und dabei Vorgänger Martin Winterkorn belastet. Er selbst soll nicht im Zentrum der Ermittlungen stehen.

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Nach dem Haftbefehl gegen den früheren Volkswagen-Chef Martin Winterkorn rückt die Rolle von Nachfolger Herbert Diess bei der Aufklärung des Dieselskandals in den Fokus. Der neue Konzernchef hat nach Aussagen aus Unternehmenskreisen in Sachen manipulierter Abgaswerte vor den US-Ermittlungsbehörden ausgesagt. Die Gespräche lägen allerdings schon einige Monate zurück, sagte ein hochrangiger Insider der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Einen Zusammenhang zwischen angeblich belastenden Aussagen des jetzigen VW-Chefs gegen Winterkorn und einer Zusage für freies Geleit an Diess wies der Eingeweihte zurück.

Die Bild-Zeitung hatte berichtet, Diess habe gegenüber US-Ermittlern von FBI und Justizministerium Aussagen gemacht, die diese für Winterkorn als belastend werteten. Nach Informationen der Zeitung soll der neue Vorstandschef um den 1. Mai herum persönlich in die USA gereist sein, um mit den US-Behörden zu sprechen. An dem Treffen habe auch der von den USA eingesetzte Aufseher über den Volkswagen-Konzern, Larry Thompson, teilgenommen. Der Insider sagte, es habe um den 1. Mai keinen Termin von Diess mit den US-Behörden und auch keine Aussagen gegeben. Wann genau der Besuch in den USA stattfand, wurde nicht bekannt. Volkswagen äußerte sich zunächst nicht.

Medienberichten zufolge hat Diess von den US-Justizbehörden zugesichert bekommen, dass er nicht im Fokus der Strafermittlungen steht. Deshalb drohe ihm derzeit keine Verhaftung. Die USA würden den Österreicher auch vorab informieren, sollte die Staatsanwaltschaft ihn wegen der Dieselmanipulation anklagen wollen oder gegen ihn einen Haftbefehl ausstellen. Auch dazu wollte sich VW nicht äußern. Aus dem Konzern hieß es, Diess reise ganz normal. Für einen Volkswagen-Chef sind regelmäßige Besuche im Ausland etwa von Automessen wichtig.

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von Andreas Macho

In der vergangenen Woche hatte die US-Justiz bekannt gemacht, dass sie schon Mitte März Anklage gegen den früheren VW-Chef Winterkorn wegen der Verschwörung zum Betrug erhoben hat. Mittlerweile hat sie gegen ihn Haftbefehl erlassen. Auch die deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Winterkorn wegen Betrugs. Wegen Marktmanipulation hat sie neben dem Ex-VW-Chef auch Diess und den früheren Finanzchef und jetzigen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch im Visier. Winterkorn war nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen vor zweieinhalb Jahren als Volkswagen-Chef zurückgetreten. Auf ihn folgte Matthias Müller, den Diess erst vor wenigen Wochen an der Konzernspitze ablöste.

Die angebliche Zusage freien Geleits werten Experten als Hinweis, dass Diess bei den US-Behörden nicht im Fadenkreuz steht. Der Österreicher hat in den USA aus Sicht deutscher Juristen kaum etwas zu befürchten, weil er erst Mitte 2015 in Wolfsburg als VW-Markenchef anfing und damit wenig über das Entstehen der Abgasmanipulation gewusst haben dürfte. Davor arbeitete Diess bei BMW. Der Manager nahm allerdings an einem kritischen Treffen am 27. Juli 2015 in der Wolfsburger Konzernzentrale teil. Die US-Behörden gehen laut Winterkorn-Anklage davon aus, dass das leitende VW-Management bei diesem Termin über die Abschalteinrichtung in Dieselautos informiert wurde. Unter Zustimmung Winterkorns sei vereinbart worden, die Schummelsoftware den US-Behörden nicht offenzulegen, hießt es in der Anklageschrift.

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Früheren VW-Angaben zufolge handelte es sich bei dem Treffen um eine Routine-Besprechung, den sogenannten "Schadenstisch". Einzelne Mitarbeiter hätten sich am Rande des Treffens über die Diesel-Thematik in Anwesenheit von Winterkorn und Diess beraten, erklärte VW lediglich. Diess hatte gerade erst Anfang Juli bei VW angefangen. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung soll der 60-Jährige die Zusage, unbehelligt reisen zu können, auch deshalb bekommen haben, weil er den US-Ermittlern seine Sicht über die Beratungen am "Schadenstisch" geschildert habe.

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