US-Waffenlobby propagiert Schalldämpfer Töten, aber bitte mit Gehörschutz

Die Waffen-Lobby der USA macht sich mit Erfolg dafür stark, neben Pistolen und Sturmgewehren auch Schalldämpfer weitgehend zu legalisieren. Sie wirbt dafür mit einem medizinischen Argument, das absurder nicht sein könnte.

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Gentlemen töten geräuscharm - aus Filmen kennt man die Wirkung von Schalldämpfern. Die US-Waffenlobby will sie nun salonfähig machen. Quelle: dpa

New York Wenn die Waffen schweigen, bedeutet das Frieden. Oder, dass ein Schalldämpfer benutzt wurde. Wir kennen das aus Agenten-Filmen: Ein Mann (sorry, oder eine Frau) schleicht durchs Dunkel, hält eine Pistole mit einem fetten Aufsatz auf Augenhöhe vor sich und erledigt den feindlichen Spion mit einem kaum hörbaren Schuss.

In der Realität geht es nicht ganz so leise ab. Schüsse sind trotz Schalldämpfer deutlich hörbar, aber eben – wie der Name – sagt, gedämpft. Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass Leute, die leise schießen wollen, einen schlechten Grund dafür haben. Aber der gesunde Menschenverstand hat in der Waffen-Debatte der USA einen schlechten Stand. Wie die Nachrichtenagentur Reuters in einem umfangreichen Report aufzeigt, versucht die Waffenlobby dort mit Erfolg, den Erwerb von Schalldämpfern zu erleichtern. Ihr Hauptargument: Es gilt, das Gehör des Schützen zu schützen. Das ist freilich auch mit Ohrenschützern möglich. Neben der großen Waffenlobby (NRA) gibt es inzwischen eine eigene „Amerikanische Schalldämpfer-Vereinigung“.

Der Verkauf von Schalldämpfern war in den USA seit den 1930er-Jahren streng reguliert. Anlass waren die Kriege zwischen kriminellen Banden, die sich vor allem im Alkohol-Schmuggel gebildet hatten. Außerdem schränken Bundesstaaten zum Teil den Gebrauch der Geräte ein. Seit 2011 hat die Lobby aber in 16 Staaten eine Legalisierung für den Einsatz bei der Jagd erreicht und in 13 Staaten durchgesetzt, dass Polizeibehörden den Einsatz nicht mehr verhindern können. Weitere zwölf Staaten, wo sie neue Gesetze durchbringen will, stehen noch auf ihrer Liste.

Die Geräte kosten zwischen 200 und 2.000 Dollar. Wer einen Dämpfer haben will, muss laut Bundesgesetz 200 Dollar zahlen und sich registrieren lassen; die Gesetze des Bundes und einzelner Staaten gelten nebeneinander. Bis er eine Erlaubnis bekommt, dauert es bis zu neun Monaten. Diesen Prozess will die Waffen-Lobby nun per Gesetz deutlich verkürzen lassen. Während Waffen-Gegner strengere Überprüfungen für alle Käufer anstreben, wollen die NRA und ihre Verbündeten die Kontrollen bei den Dämpfern zurückfahren. Den Gesetzesvorschlag hat der republikanische Abgeordnete Matt Salmon aus Arizona eingebracht, der nach 50 Jahren Schusswaffengebrauch offenbar einen Hörschaden hat. Es ist zum Glück unwahrscheinlich, dass er auf absehbare Zeit damit durchkommt.


Schalldämpfer erleichtern Wilderern die Arbeit

Seit einigen Jahren gehen die Verkäufe schon deutlich nach oben. Während im Jahr 2010 im ganzen Land weniger als 300.000 Dämpfer registriert waren, erhöhte sich die Zahl zuletzt auf fast 800.000. Die Industrie bietet immer handlichere Modelle an. Die Firma Silencer-Co entwickelt eine Pistole mit eingebauter Dämpfung an. „Wir wollen, dass jemand ins Geschäft geht, um eine Waffe zu kaufen, und sagt: ‚Ich kann eine laute oder eine leise wählen‘“, zitiert Reuters den Silencer-Chef Joshua Waldron.

Bisher spielen die kleinen Aufsätze bei Verbrechen in den USA laut Statistik kaum eine Rolle. Sie erhöhen sogar das Risiko für Kriminelle: Wer ein Gewaltverbrechen begeht und dabei einen Schalldämpfer benutzt, geht mindestens 30 Jahre ins Gefängnis. Die Police Foundation, eine Research-Gruppe, warnt trotzdem davor, die Bestimmungen zu lockern. Es gab einen bekannten Fall im Jahr 2013, in dem ein Polizist mit Schalldämpfer eine ganze Serie von Morden verübt hat. Wenn die Geräte sich durchsetzen, wird es noch schwerer als bisher, Zeugen zu finden und Verbrechen aufzuklären. Außerdem erleichtern sie Wilderern die Arbeit und schwächen Naturschützer.

Das Waffen-Thema spielt im Wahlkampf eine große Rolle. Auf Seiten der Republikaner ist es üblich, für die Waffenlobby zu sprechen. Bei den Demokraten setzt sich die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sehr explizit für strengere Kontrollen ein. Ihr Konkurrent und Partei-Kollege Bernie Sanders dagegen eiert bei der Frage regelmäßig herum. In seinem Bundesstaat, Vermont, gibt es viel Wald und Wild, Waffen sind populär und werden dort auch produziert.

Regional gibt es in den USA große Unterschiede. Staaten wie Texas oder Alaska etwa haben eine relativ große Waffendichte, während an der Ostküste Pistolen und Gewehre bei vielen Amerikanern nicht populärer sind als in Europa. Einer der schärfsten Waffengegner ist der frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, der gerade angekündigt hat, dass er nicht fürs Präsidentenamt kandidieren will.

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